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Wird es günstiger, Aktien und Anleihen zu emittieren? – Interview mit Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel zur Überarbeitung der europäischen Prospektrichtlinie

Die Ausgabe von Aktien oder Anleihen ist aufwändig. Doch für kleinere Unternehmen soll es leichter werden, damit Geld über den Kapitalmarkt einzusammeln. Das bereitet die EU-Kommission mit der Überarbeitung der europäischen Prospektrichtlinie vor, die Grundlage für das deutsche Wertpapierprospektgesetz war. Wesentliche Änderungen der europäischen Prospektrichtlinie und ihre Auswirkungen erklärt Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel im ECOreporter-Interview. Er ist Geschäftsführer der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei  GK-law.de  aus Göttingen.

ECOreporter.de: Wer ist von der europäischen Prospektrichtlinie betroffen? Um welche Art von Investmentangeboten geht es hier und warum ist diese Prospektrichtlinie so wichtig?

Dr. Matthias Gündel:  Besonderheit der Prospektverordnung ist, dass sie im Wesentlichen direkt gelten wird, weil sie keiner Umsetzung durch nationale Gesetzgeber bedarf. Betroffen sind Emittenten und Anleger.
Denn der Prospekt muss sämtliche Informationen enthalten, die Anleger benötigen, bevor sie sich entschließen, in ein Unternehmen zu investieren. Der Emittent muss im Prospekt wesentliche Angaben zum Unternehmen, den Hauptgeschäftsbereichen, Finanzen und der Beteiligungsstruktur machen.
Zielsetzung der Reform des Prospektrechts ist es nun, im Rahmen der EU einheitliche Prospektvorschriften zu schaffen, die beiden Seiten gerecht wird.  Anlegern sollen  besser verständliche Informationen zur Verfügung gestellt werden – und vereinfachte Vorschriften sollen es Unternehmen erleichtern, Finanzmittel über den Kapitalmarkt zu erschließen – grenzüberschreitend und ohne unnötige Kosten.

Profitieren sollen unter den Emittenten verschiedene Gruppen:
1) diejenigen, die bereits börsennotierte Wertpapiere ausgegeben haben und Folgeemissionen planen;
2) kleine mittelständische Unternehmen;
3) Daueremittenten und schließlich
4) Emittenten von Nichtdividendenwerten, wie z.B. Anleihen.

Die Überarbeitung der europäischen Prospektrichtlinie soll es vor allem für kleine und mittlere Unternehmen günstiger machen, Angebote auf den Kapitalmarkt zu bringen. Wer fällt überhaupt unter diese Bezeichnung? Auf welche Verbesserungen können sie sich einstellen?

Gündel:  Nahezu alle Unternehmen, die sich Finanzmittel über die Kapitalmärkte beschaffen wollen, müssen den Anlegern einen Prospekt vorlegen. Insbesondere für kleinere Unternehmen, die über eine geringere Kapitaldecke verfügen, stellt dies nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers eine Hürde dar. Denn die Erstellung des Prospekts erfordert häufig mehr als hundert Seiten mit detaillierten Informationen. Da der Emittent diese nicht selbst in dem rechtlich erforderlichen Maß erbringen kann, ist er auf Rechtsberater und andere Dienstleister angewiesen. Dies ist für ihn kostspielig und aufwendig. Vor diesem Hintergrund will der Gesetzgeber Erleichterungen für kleine mittelständische Unternehmen (KMU) schaffen.

Als KMU gelten Unternehmen, die zumindest zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl von weniger als 250 im letzten Geschäftsjahr, eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 Millionen Euro und einen  Jahres-Nettoumsatz von höchstens 50 Millionen Euro oder eine durchschnittliche Marktkapitalisierung (Gesamtwert der Aktien an der Börse – die Red.) von weniger als 200 Millionen Euro (auf Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren). Die geplante Prospektverordnung hebt den Schwellenwert für die Marktkapitalisierung von „weniger als 100 Millionen“ auf „weniger als 200 Millionen Euro“ an. Mit dieser Verdoppelung wird der Anwendungsbereich der Regelung deutlich größer. 

Für KMU gibt es prospektrechtliche Ausnahmevorschriften, d.h. spezielle Offenlegungsregelungen. Sie sollen nach der neuen Prospektrichtlinie z.B. wesentliche Anleger-relevante Fragen in Form eines Frage-Antwort-Katalogs („Q&A“) beantworten dürfen, anstatt einen vollumfänglichen oder vereinfachten Prospekt vorlegen zu müssen. Das würde erheblich weniger Aufwand bedeuten.

Welche wesentlichen Änderungen an den Prospektpflichten soll es außerdem geben?

Gündel:  Die Prospektpflicht für die Börsenzulassung von Wertpapieren soll erst ab einem Verkaufspreis von zehn Millionen Euro gelten. Bisher liegt die Schwelle nur halb so niedrig, bei fünf Millionen Euro. Und es ist vorgesehen, dass öffentliche Angebote ohne Börsennotierung erst ab einem Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere in Höhe von 500.000 Euro prospektpflichtig sind. Bislang gilt die Prospektpflicht bereits ab einer Gesamtsumme von 100.000 Euro.  Um eine für den Anleger besser verständliche Information zu gewährleisten, soll die Zusammenfassung des Prospekts – an den Vorgaben für das Basisinformationsblatt orientiert – verkürzt werden.

Die Möglichkeit der Erstellung eines vereinfachten Wertpapierprospekts für börsennotierte Aktien soll erweitert werden. Und zwar auf alle Fälle von Zweitemissionen von Wertpapieren die an einer Börse gehandelt werden also auch auf Anleihen (Man spricht von Zweitemission, wenn ein Emittent schon vorher Wertpapiere öffentlich angeboten hat  oder an einer Börse notiert ist – die Red.). Generell sollen Aktien im Umfang von bis zu 20 Prozent ihres Grundkapitals prospektfrei zugelassen werden.

Für regelmäßige Emittenten von Wertpapieren soll es ein Registrierungsformular mit Angaben zu Organisation, Geschäftstätigkeit, Ertrags- und Finanzlage, Geschäftsaussichten sowie zur Organ- und Aktionärsstruktur geben. Zusammen mit der Wertpapierbeschreibung und der Zusammenfassung - jeweils bezogen auf eine konkrete Emission - bilden sie den Wertpapierprospekt. Für den Wertpapierprospekt gilt dann zudem eine von zehn auf fünf Werktage verkürzte Billigungsfrist.

Was haben diese Änderungen für Auswirkungen?

Gündel:  Die Erhöhung des Schwellenwerts für die prospektfreie Zulassung von Aktien auf bis zu 20 Prozent des Grundkapitals oder die Ausweitung der speziellen Offenlegungsregelungen für Sekundäremissionen sind positiv zu sehen. Für Wertpapier-Emittenten wird dadurch die Durchführung einer prospektfreien Zehn-Prozent-Kapitalerhöhung mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss  ermöglicht. Von den Erleichterungen für Folgeemissionen börsennotierter Unternehmen werden voraussichtlich KMUs profitieren, die Aufstockungen von Anleiheemissionen vornehmen.

Die Einführung eines verpflichtenden Frage-Antwort-Katalogs anstatt Prospekt ist neu – bisher werden solche  Instrumente bei Aktientransaktionen allenfalls ergänzend und freiwillig eingesetzt.  Bislang enthält der Entwurf der Prospektrichtlinie aber keine hinreichend konkreten Regelungen, was die Ausgestaltung angeht. Es bleibt die große Herausforderung des Gesetzgebers, ausreichende Vorgaben zu schaffen,  damit die im Katalog enthaltenen Fragen tatsächlich gezielt Informationen von besonderer Relevanz für KMU betreffen.
Dass Zusammenfassungen von Prospekten kürzer und besser verständlich werden sollen, ist sinnvoll – das gilt sicherlich auch für die Anpassung der Gestaltung der Zusammenfassung an das Basisinformationsblatt nach der sogenannten PRIIP-Verordnung, die ab 2017 gelten soll (das Kürzel steht für „Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte“ – die Red.). Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags erscheint jedoch angesichts der Begrenzung auf maximal sechs DIN-A4-Seiten problematisch. Die Gefahr, dass nicht alle wesentlichen Besonderheiten des Wertpapierangebotes auf so schmalem Raum dargestellt werden können, ist groß. Der bisherige Umfang lag immerhin bei sieben Prozent des Prospekts oder 15 Seiten.

Ob das allgemeine Registrierungsformular zu wesentlichen Erleichterungen führen wird, ist fraglich. Aus Haftungsvermeidungsgründen gelten in puncto Richtigkeit und Vollständigkeit dieselben Sorgfaltsanforderungen wie beim Prospekt. Und sofern eine Emission prospektpflichtig ist, muss auch ein  Prospektbilligungsverfahren durchlaufen werden.
Abzuwarten bleibt, welche Änderungen sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch ergeben werden.  

Für wann ist mit einer Änderung des deutschen Wertpapierprospektgesetzes zu rechnen?

Gündel:  Ab wann die Prospektverordnung Geltung beanspruchen wird, ist noch nicht absehbar, da das europäische Gesetzgebungsverfahren nach andauert. Wenn dann die europäischen Prospektrichtlinie 20 Tage nach ihrer Verkündung im Europäischen Amtsblatt in Kraft getreten ist, sollen die Regelungen nach Ablauf von zwölf Monaten anwendbar sein. Da die Prospekt-Verordnung im Unterschied zur Richtlinie nicht erst umgesetzt werden muss, sondern unmittelbar gilt, bleibt dann nur noch geringer Regelungsbedarf im nationalen Recht. Ziel ist die Vollharmonisierung der Regelungen im EU-Bereich. D.h. mit dem deutschen Wertpapierprospektgesetz können dann nur noch Regelungen geschaffen werden, die ausschließlich für Emittenten mit Sitz im Inland gelten.

Was empfehlen Sie Unternehmen, um sich auf die Überarbeitung der europäischen Prospektrichtlinie vorzubereiten?

Gündel:  Auch wenn die Prospektinhalte verständlicher werden sollen, wird das Prospektrecht nicht unbedingt einfacher werden.  Noch ist nicht absehbar, welche Standards sich bei KMU-Emissionen am Markt durchsetzen. Denn jeder Emittent hat ein Wahlrecht, ob er die Erleichterungen nutzt. Deshalb bleibt im Einzelfall zu prüfen, welche Angebotsunterlagen mit welchen Inhalten aus unternehmerischer Sicht neben Kostenaspekten empfehlenswert sind.

Inwiefern wären die Auswirkungen der angestrebten Überarbeitung der europäischen Prospektrichtlinie für Investoren positiv oder negativ?

Gündel:  Ob die geplanten Vereinfachungen und Verkürzungen von Prospekt und Zusammenfassung etc. tatsächlich zu einer besseren Verständlichkeit beim Anleger führen, hängt stark davon ab, ob tatsächlich alle wesentlichen Informationen, die der Anleger braucht, um seine Anlageentscheidung treffen zu können, in den jeweiligen Angebotsunterlagen enthalten sind – und natürlich von der Art und Weise der Darstellung/ Formulierung, die möglichst klar und eindeutig erfolgen sollte. Hier fehlt es noch an entscheidenden Konkretisierungen seitens des Gesetzgebers.

Herr Gündel, haben Sie vielen Dank für die Antworten.
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