Erneuerbare Energie

Wirtschaftsforscher: Atomkraft ist ökonomisch unsinnig

Der Energiekonzern E.on hat angekündigt, den Leistungsbetrieb des bayrischen Kernkraftwerks Grafenrheinfeld schon Ende Mai 2015 und damit sieben Monate vor dem gesetzlich vorgesehenen Laufzeitende zu beenden. Das Unternehmen begründet dies mit der „mangelnden Wirtschaftlichkeit der Anlage“.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat jetzt noch einmal betont, dass der Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland wie geplant bis Ende 2022 vollzogen werden sollte. Das sei sowohl aus technischen als auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll, stellte das DIW fest und verwies auf die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung. „Die Atomkraft entzieht sich jeglicher ökonomischen Rationalität“, sagt Forschungsdirektor Christian von Hirschhausen. „Noch nie konnte auf der Welt ein Atomkraftwerk wirtschaftlich betrieben werden, wenn man die Risiken für Mensch und Umwelt, Kosten für einen späteren Rückbau und die Endlagerung sowie die notwendigen Ausgaben für Infrastruktur, Forschung und Entwicklung miteinbezieht.“ Als sicherste und kostengünstigste Variante erscheine daher der Ausstieg aus der Atomkraft. „Deutschland kann unbeirrt an seinem Atomausstieg festhalten, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Das gilt auch für die Abschaltung des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld im Jahr 2015“, so von Hirschhausen. Vordringlich ist den DIW-Forschern zufolge die Suche nach einem geeigneten Endlager für radioaktive Abfälle.

Laut dem DIW ist Versorgungssicherheit in Deutschland Mitte der 2020er Jahre auch ohne Atomkraftwerke gewährleistet. Die Stromnachfrage könne dann an allen Orten und auch zu Spitzenlastzeiten bedient werden kann, sofern verfügbare Optionen wie Lastmanagement oder Kapazitätsverträge mit dem Ausland genutzt werden. In Deutschland seien in den vergangenen Jahren Kraftwerkskapazitäten in einer Größenordnung ans Netz gegangen, die die gesamte Atomkraftkapazität übersteigen, so dass eine Versorgungslücke nicht zu befürchten sei. Dafür würden auch die Rekordexporte von Strom ins Ausland im vergangenen Jahr sprechen. Für den Atomausstieg spriche zudem, dass Atomkraftwerke in ihrem Betrieb sehr unflexibel sind und somit nicht zur Flexibilität eines auf erneuerbaren Energien basierenden Systems beitragen.

Anteil des Atomstroms an weltweiter Stromerzeugung sinkt

In Europa bestehen sehr unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Atomkraft. Während sich neben Deutschland auch Belgien und die Schweiz zum Atomausstieg entschlossen haben, wollen Länder wie Frankreich, Großbritannien und Polen auch künftig auf Kernenergie setzen. „Die Kosten der Atomkraft unterschätzt die Europäische Kommission in ihren Szenarioanalysen allerdings massiv“, kritisiert Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin. „Die Vorschläge aus den Referenzszenarien, die einen massiven Ausbau der Atomkraft nahelegen, darunter den Bau von allein sieben Atomkraftwerken in Polen, sind mehr als unrealistisch.“ Die erheblichen Subventionen für einen Neubau in England zeigen laut Kemfert exemplarisch, dass die Atomenergie weder kostengünstig ist, noch ohne finanzielle Unterstützung auskommen kann. Beim derzeitigen Bau neuer Reaktoren in Finnland und Frankreich seien die Kosten explodiert. „Die Meiler werden die teuersten jemals gebauten Kernkraftwerkskapazitäten sein“, stellt Kemfert dazu fest.

Auch weltweit kann nach Ansicht der DIW-Forscher von einer Renaissance der Atomkraft keine Rede sein: Laufende Ausbauprojekte würden sich auf wenige Länder konzentrieren, insbesondere auf China. Der jährliche globale Ausbau der Atomkraft habe seinen Höhepunkt bereits Mitte der 1980er Jahre erreicht und sei seitdem fast zum Erliegen gekommen. Schon heute sei der Anteil des Atomstroms an der weltweiten Stromerzeugung rückläufig, er sei auf nur noch elf Prozent gesunken.

Äußerst dringend ist die Schaffung eines geeigneten Endlagers für hochradioaktiven Atommüll, betonen die DIW-Forscher. Diesbezüglich seien weder in Deutschland noch weltweit in den vergangenen sechs Jahrzenten konkrete Fortschritt erzielt worden. „Bei der Endlagersuche haben drei Generationen versagt“, sagt Christian von Hirschhausen. Im Bereich der Zwischenlager gebe es in Morsleben (Sachsen-Anhalt) sowie in der Schachtanlage Asse (Niedersachsen) sogar herbe Rückschritte; die Schächte werden von Wasser geflutet und drohen einzustürzen. Die Umweltpolitik müsse hinsichtlich der Endlagerfrage aktiver vorgehen, was auch die Entwicklung von Finanzierungsmodellen für die Endlagerung beinhalte.
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