Anleihen / AIF

Zinshebel als Renditeturbo? – Bei der Geldanlage auf Kredit droht ein böses Erwachen

Investitionen am Kapitalmarkt, etwa in Aktien oder Fonds, sind manchen Anlegern wegen der starken Kursschwankungen nicht geheuer. Da ist vielleicht die Direktbeteiligung an einem Grünstromprojekt eine Option, etwa an einem Solarpark. Zumal Anleger hier die Rendite deutlich erhöhen können: indem sie durch einen Kredit das eigene Investitionskapital ausbauen, für das sie eine Verzinsung erhalten können. Auf diese Möglichkeit weisen derzeit manche Erneuerbare-Energie-Geldanlagevertriebe mögliche Investoren hin. Sie betonen, wie günstig Kredite derzeit sind. Wie ein solcher „Zinshebel“ funktioniert und worauf Anleger hier achten müssen.

Niedrige Zinsen bei der Geldanlage? Ein geläufiges Problem. Niedrige Zinsen beim Kredit? Wunderbar! Warum also nicht beides kombinieren: Für eine schöne Geldanlage einen günstigen Kredit aufnehmen und damit die angelegte Summe deutlich erhöhen? So einfach kann das sein, der Niedrigzinsphase eine lange Nase zu zeigen! Wer sich beispielsweise an einem Photovoltaik-Projekt beteiligt und auf die eigenen 10.000 Euro 3,0 Prozent Zinsen kassiert, der erhält 300,- Euro im Jahr. Wer aber zusätzlich einen Kredit aufnimmt und so seine Anlagesumme verdoppelt, dem fließen 600,- Euro auf das Konto. Nur muss man natürlich die Kosten für die Kreditzinsen wieder abziehen. Aber je nach Bank und Sonderprogramm kann man schon mit 150 Euro Zinsen, also 1,5 Prozent, für einen 10.000-Euro-Kredit auskommen. Für die gesamte Anlagesumme von 20.000 Euro bleiben dann 450 Euro Zinsen übrig (600,- Euro Zinsgewinn minus 150,- Euro Zinskosten für den Kredit). Und wie von Zauberhand hat man die Rendite auf die 10.000 Euro Eigenkapital von 3 auf 4,5 Prozent erhöht. Und wer beispielsweise die eigene Haushypothek für einen solchen Kredit einsetzt, kann sich das noch schöner rechnen lassen, weil die Hypothekenzinsen im Moment so niedrig sind.

„Zinshebel“ nennt man das Verfahren, mittels Kredit die Rendite zu steigern. Profis nutzen das seit langem. Und es klingt wirklich nach einem verlockenden Geschäft. Nicht wenige Erneuerbare-Energie-Geldanlagevertriebe preisen so etwas im Moment an. Man kann das recht weit treiben: Falls die Bank mitmacht, kann der Anleger ja auch 20.000 Euro Schulden aufnehmen, selbst wenn er lediglich die eigenen 10.000 Euro Kapital einsetzt. Er muss eben „nur“ genügend Sicherheiten hinterlegen. Damit wächst der Zinshebel, und die Rendite klettert weiter nach oben. Und so rücken dann die 6 Prozent Rendite in greifbare Nähe – Sparers Traum wird Wirklichkeit. Bis zum bösen Erwachen. Denn alle die Versprechen zur cleveren, sicheren Traumrendite, sie taugen nichts, sobald etwas anders läuft als geplant. Der Zinshebel funktioniert ja nur so lange, wie die Rendite höher liegt als der Zins für den Kredit. Aber wenn die Rendite sinkt, dann wird aus dem Hebel schnell ein Knebel, der den Anleger stranguliert – bis hin zur Insolvenz. Beispiel Solaranlage: Defekte Wechselrichter, Dachschäden, Modulfehler, Moduldiebstähle, die nicht versichert sind – alles das und vieles mehr kann dazu führen, dass eine Solaranlage keine Rendite für den Anleger erbringt. Wer „nur“ beispielsweise 10.000 Euro für die Beteiligung an einer Solaranlage eigenes Geld eingesetzt hat, der hat dann eine mehr oder minder lange Zeit keine Zinseinnahmen. Wenn die Anlage wieder läuft, fließt Geld auf das Konto. Und wenn sie gar nicht mehr in Betrieb zu nehmen ist, dann gibt es keine Zinsen, und auch das eingesetzte Geld ist futsch. Selten – aber möglich. Obendrein sehr unschön und ärgerlich. Doch meist noch verkraftbar.

Anders kann das aussehen, wenn die Geldanlage mit einem Kredit finanziert ist. Denn die Bank will ihre Kreditzinsen haben, egal ob die Solaranlage läuft oder nicht. Wer für einen 20.000-Euro-Kredit nur 300 Euro Zinsen pro Jahr zu berappen hat, der wird mit dieser Summe in der Regel noch klar kommen. Aber der Zins ist nicht alles: Die Bank will auch das Geld zurück, das sie dem Anleger geborgt hat. Die Rückzahlung leistet man normalerweise jährlich aus der Rendite mit. Gut, wenn die Rendite entsprechend hoch ist. Bei vielen Erneuerbare-Energie-Projekten wird den Anlegern aber versprochen, dass sie zum Ende der Kreditlaufzeit ihren Anlagenteil verkaufen können, um den Kredit auf einen Schlag abzulösen. Schön, wenn das hinkommt. Schlecht, wenn man beispielsweise in eine Solaranlage investiert hat, die nach einiger Zeit Defekte aufweist, die nicht versichert oder von der Garantie gedeckt sind. Denn ein solches Kraftwerk ist meist nahezu wertlos und unverkäuflich. Für den Anleger bedeutet das: Er muss einige Jahre lang die Zinsen für den Kredit bezahlen, er muss selbstverständlich auch den gesamten Kredit, beispielsweise 20.000 Euro, zurückerstatten. Und die 10.000 Euro Eigenkapital, die er eingesetzt hat, die sind obendrein weg. Solche Abenteuer muss man sich leisten können. Wer genug Geld hat, um solche Verluste zu verkraften, der kann auch die Risiken des Zinshebels in Kauf nehmen und Renditen in die Höhe treiben. Das ist unternehmerisches Handeln und ertragreich, solange es gut geht. Aber zum Unternehmertum gehört die Möglichkeit des Scheiterns. Wer sich das nicht leisten kann, der sollte nicht unternehmerisch investieren, sondern beamtenhaft sicher. Kein Hebel – kein Knebel!
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