Aktien-Favoriten

Pro und Contra - soll Siemens eine Favoriten-Aktie bleiben?

Siemens ist ein Dividendenkönig und zählt zu unserer Auswahl von Favoriten-Aktien. Aber ist das auch gerechtfertigt? Chefredakteur Jörg Weber und Redakteurin Gesa Schölgens diskutieren, ob Siemens wirklich eine nachhaltige Aktie ist.

- PRO: Kein grüner David - aber ein nachhaltiger Dividendenkönig -

Nein, das ist kein niedlicher, sympathischer grüner David, der gegen die Goliaths dieser Welt kämpft. Es ist Siemens.  Ein Technologiekonzern, fast weltweit tätig, und eines der größten Elektrotechnik- und Elektronik-Unternehmen. Siemens hatte eine Atomkraftsparte und einen Korruptionsskandal. Und im zweiten Weltkrieg hat das Unternehmen Rüstungsgüter produziert, mit Produktionsstätten in der Nähe von Lagern für Zwangsarbeiter. Wirklich, es gibt durch und durch grünere Aktien.

Soll also ausgerechnet Siemens ein nachhaltiger Dividendenkönig sein? - Es gibt Gründe dafür. Das Unternehmen hat das Fukushima-Unglück 2011 als Anlass zum Ausstieg aus der Atomkraftwerks-Technologie genommen. Ob nun rechtliche Altlasten bei einem finnischen Atomkraftwerk diesen Abschied sabotieren, muss man abwarten. Siemens hat den Korruptionsskandal - hoffentlich bis in die Tiefe und dauerhaft - aufgearbeitet.

Das Unternehmen entlässt Mitarbeiter, obwohl es Gewinne macht - aber aus Sparten, die nicht umweltschonend sind, beispielsweise aus dem Bereich Bau von Kraftwerksteilen, die für Kohlekraftwerke nötig sind. Kann man gegen Kohlekraftwerke sein, aber für Arbeitsplätze im Kohlkraftwerksbau? Das Tochterunternehmen Siemens-Gamesa entlässt auch Mitarbeiter, ist aber immer noch einer der Weltmarktführer bei Windkraftwerken.

Man kann fast endlos über die Nachhaltigkeit von Siemens debattieren. Wer Siemens nicht nachhaltig findet, wird auch nicht zu überzeugen sein, indem man anführt, Corporate Knights, ein kanadisches Medienunternehmen, habe Siemens als das nachhaltigste Unternehmen der Welt ausgezeichnet. Oder damit, dass CDP für die Siemens-Leistung gegen den Klimawandel die Note A vergeben hat, eine der besten Bewertungen für Leistungen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft.

2015 hat sich Siemens verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu werden. Anders als die Bundesregierung ist Siemens auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen. Siemens kann viel dafür tun, die Welt nachhaltiger werden zu lassen.

Sollte Siemens bestimmte Grenzen überschreiten, etwa doch wieder in die Atomkraftwerkstechnologie einsteigen, dann ist die Aktie kein nachhaltiger Dividendenkönig mehr. Dass die Aktie finanziell stabil ist und ordentliche Dividenden bietet, ist dann auch kein Rettungsanker mehr.

Aber wenn sich Siemens weiter bei der Nachhaltigkeit verbessert, ist die Aktie eine Option für Anleger, die an der Börse auf Größe setzen. Sagen wir es so: In einer idealen Welt wäre Siemens groß und grün. In der realen Welt zählt selbst der nicht wirklich grüne Siemens-Konzern zu den grünsten Goliaths und sollte daher ein nachhaltiger Dividendenkönig bleiben.


- CONTRA: Siemens bereitet Bauchschmerzen bei der Nachhaltigkeit  -

Die Siemens-Aktie war von Anfang an eine nachhaltige ECOreporter-Favoriten-Aktie. Und das bereitet Bauchschmerzen.   Ja, Siemens hebt seit 1951 Jahr für Jahr die Dividende für die Anleger an - der Technologiekonzern ist ein klassischer Dividendenkönig. Daran ist nicht zu rütteln. Probleme bereitet aber die Nachhaltigkeit des Unternehmens. Nach wie vor liefert Siemens auch Turbinen für Gaskraftwerke, zuletzt auf die Krim - darum tobt derzeit ein Rechtsstreit -, nach Libyen und in den Iran. Der Konzern schreckt also trotz seiner Windkraftsparte vor fossiler Technologie nicht zurück, im Gegenteil.

Redakteurin Gesa Schölgens kann sich nicht mit Siemens als Favoriten-Aktie anfreunden.

Außerdem entwickeln die Münchner über ihre Tochter Siemens Healthineers unter anderem Labortechnologie, mit denen Forscher Tierversuche durchführen können. Und auch in Sachen Atomenergie ist das Unternehmen noch längst nicht so sauber, wie es mal sein wollte.

Für ein Atomkraftwerk im finnischen Olkiluoto steht Siemens in der Verantwortung, weil der französische Partner, Areva, seine Atomsparte verkaufen will. Das Projekt läuft alles andere als rund, es ist ein Millionengrab. Olkiluoto 3 sollte eigentlich 2009 ans Netz gehen. Stattdessen immer wieder Aufschub - und ein Prozess gegen den Eigentümer TVO. Siemens muss nun offenbar dafür sorgen, dass der nukleare Kraftwerksteil fertig wird. Somit wären die Deutschen nicht mehr nur zuständig für die Turbine, die sie für das Atomkraftwerk gebaut haben.

Ja, die Siemens-Aktie ist in vielen nachhaltigen Fonds enthalten - insgesamt 17 listet allein die Online-Plattform "nachhaltiges-investment.org" auf. Aber das spricht nicht unbedingt für die Anlagestrategie dieser Fonds, von denen etwa ein Drittel den wenig nachhaltigen "Best-in-Class"-Ansatz fährt. Heißt: Die Fondsmanager picken nur die Nachhaltigkeitsbesten einer Branche heraus. Manche investieren beispielsweise in die Öl-Industrie - und wählen die am wenigsten schmutzige Aktie aus.

Zwar hat die Nachhaltigkeitsrating-Agentur oekom research einmal die umfassenden Maßnahmen für Arbeitnehmerrechte bei Siemens gelobt. Allerdings ist davon aktuell wenig spürbar. Siemens will in den nächsten Jahren weltweit fast 7.000 Arbeitsplätze in zwei Sparten streichen, davon die Hälfte in Deutschland. Zwei Werke sollen geschlossen, eines verkauft werden.

Gewerkschafter halten dies "angesichts der hervorragenden Gesamtsituation des Unternehmens" für völlig inakzeptabel. Das einzig Positive (wenn man denn zynisch sein will): Mit Abstand am stärksten betroffen vom Job-Abbau ist die Kraftwerkssparte von Siemens, die angeblich unter der Energiewende leidet. Anderseits hat selbst diese Sparte 2017/2018 mehr als 8 Prozent Umsatzrendite erwirtschaftet.

Alles dies spricht gegen Siemens als nachhaltige Favoriten-Aktie!


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