Gerd Kommer hat für sein Buch "Souverän Investieren mit Indexfonds & ETFs" 2016 den deutschen Finanzbuchpreis erhalten. / Foto: Gerd Kommer

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Warum auch nachhaltige Investoren in ETFs investieren sollten - Gerd Kommer im Interview

Historische Finanzmarktdaten belegen: Aktives Anlegen zahlt sich nicht aus. Anleger können den Markt nach Kosten langfristig nicht schlagen. Passives Anlegen mit ETFs und Indexfonds erwirtschaftet bessere Renditen bei gleichzeitig geringerem Zeitaufwand. Ob das auch für nachhaltiges Anlegen gilt, klären wir mit Gerd Kommer. 

ETFs und Indexfonds gewinnen immer mehr an Popularität. Die Vorteile liegen auf der Hand: Sie sind kostengünstiger als aktiv gemanagte Fonds, versprechen aber über längere Zeiträume unterm Strich bessere Renditen. Doch eignen sie sich auch für nachhaltige Anleger? Darüber sprechen wir mit Gerd Kommer, der mit "Souverän Investieren mit Indexfonds & ETFs" das meistverkaufte deutschsprachige Buch zum passiven Investieren verfasst hat.

ECOreporter: Sie sind ein Verfechter des passiven Investierens. Können Sie unseren Lesern kurz die wesentlichen Argumente darlegen, die für das passive Investieren mit ETFs sprechen?

Gerd Kommer: Passives Investieren macht derjenige, der erkannt hat, dass "aktives Investieren", egal in welcher seiner unzähligen Varianten, schlecht funktioniert und auf lange Sicht selten positive, dafür aber oft sehr negative Überraschungen produziert. Passives Investieren ist im Durchschnitt rentabler, wissenschaftlich viel besser fundiert und führt zu mehr Seelenfrieden.

Auch für nachhaltig orientierte Anleger gibt es ETFs. Prinzipiell dürften die Argumente, die Sie für das passive Investieren vorbringen, auch für nachhaltige Anleger gelten, oder?

Ja, alle grundsätzlichen Argumente, die für passiv investieren sprechen, sprechen auch für passiv nachhaltig investieren. Dennoch sehe ich nachhaltiges Investieren mit ETFs ein klein wenig kritisch.

Gegen passives Investieren wird in der nachhaltig orientierten Finanzszene oft das Argument vorgebracht, dass Aktien-ETFs keine aktive Ausübung der Aktionärs-Stimmrechte ermöglichen. Bei aktiv gemanagten Fonds könne hingegen das Fondsmanagement direkt auf die investierten Unternehmen einwirken und sie besser machen. Was halten Sie von diesem Argument?

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Mit Verlaub, ich halte nichts von diesem Argument, weil es ganz einfach falsch ist. Investmentrechtlich hat auch ein ETF-Fonds einen menschlichen Fondsmanager, der genauso wie bei einem konventionellen, aktiv gemanagten Fonds von der Fondsgesellschaft bestimmt wird.

Der Fondsmanager bei einem ETF kostet natürlich nichts oder fast nichts und trifft Gott sei Dank keine Anlageentscheidungen, die typischerweise in mehr als der Hälfte aller Fälle schiefgehen werden wie bei einem aktiv gemanagten Fonds. Dieser ETF-Fondsmanager nimmt die Stimmrechte der ETF-Anteilseigner selbstverständlich genauso wahr, wie das bei einem aktiv gemanagten Fonds der Fall wäre.

Mir ist es echt ein Rätsel, warum irgendjemand glaubt, dass das anders sei und warum dieser Schmarrn seit Jahren im Internet kolportiert wird. Wollte man zynisch sein, könnte man sagen: Fake News.

ZUR PERSON GERD KOMMER: Gerd Kommer hat mehrere Finanzbücher verfasst. Das Buch "Souverän Investieren mit Indexfonds & ETFs" ist ein Plädoyer für das passive Investieren und ist mittlerweile in der fünften Auflage erschienen. Kommer hat Politikwissenschaft, BWL und Steuerrecht studiert und über ein wirtschaftswissenschaftliches Thema promoviert. Er ist momentan geschäftsführender Gesellschafter von Gerd Kommer Invest GmbH, einer Vermögensberatungsgesellschaft für Privatkunden und Family Offices. Zuvor war er im Firmenkunden-Kreditgeschäft tätig und in der institutionellen Vermögensverwaltung für verschiedene Banken in Deutschland, Südafrika und Großbritannien.

Jüngst hat Beyond Advisors, die Research-Abteilung des nachhaltigen Finanzdienstleisters Beyond Investing, den US Vegan Climate Index erstellt (ECOreporter berichtete hier). Dieser Index ist für Veganer, Tier- und Klimafreunde gedacht, und es soll auch bald einen ETF auf diesen Index geben. Er bildet den S&P 500 ab, verzichtet aber auf alle Unternehmen, die Geld mit Tierzucht verdienen, ein klimaschädigendes Geschäftsmodell haben oder in den Bereichen Rüstung und Tabak aktiv sind. Ein Nebeneffekt: Der tierfreundliche Index hat sich über einen Fünf-Jahres-Zeitraum besser entwickelt als der S&P 500. Er hat eine jährliche Rendite von 14,5 Prozent erzielt, während der Vergleichsindex nur 10,86 Prozent Rendite erwirtschaftet hat. Ein interessanter Effekt, oder?

Hmm… sehe ich nicht so. Was ein beliebiges Subsegment des allgemeinen Aktienmarktes in einer Zeitspanne von fünf Jahren an Rendite produziert – ob spektakulär gut oder spektakulär schlecht –, ist bedeutungslos. Wir müssen uns wirklich davon lösen, solche Zahlen ernst zu nehmen. Natürlich ist es legitim zu fragen, wie - beispielsweise - Schwellenländeraktien oder deutsche Staatsanleihen in den letzten fünf Jahren rentiert haben.

Aber es bleibt die Tatsache, dass niemand seriös aus einem Fünf-Jahres-Track-Record allein eine verlässliche Schlussfolgerung auf das wahre Rendite-Risikoprofil einer Asset-Klasse ableiten kann. Selbst zehn Jahre sind für sich genommen zu kurz. Die obsessive Fixierung auf zurückliegende kurze Zeiträume ist einer der wichtigsten Gründe für die vielen Schäden, die die etablierte Investmentbranche in den vergangenen 25 Jahren angerichtet hat.

Der Markt für nachhaltige Finanzprodukte ist noch klein, gemessen an dem Markt für nicht nachhaltige Finanzprodukte. Dennoch ziehen sich auch große institutionelle Anleger aus bestimmten nicht nachhaltigen Branchen zurück oder achten auf die Klima- und Nachhaltigkeitsbilanz ihrer Investments. Wäre es angesichts dieser Tendenz nicht eine interessante Wette, mit Hilfe von Indexprodukten auf die grüne Nische zu setzen? 

Der Markt für nachhaltige Anlage insgesamt ist gemäß den verfügbaren Zahlen eigentlich schon sehr groß. Irgendwo habe ich gelesen bis zu einem Viertel der Marktkapitalisierung des globalen Aktien- und Anleihenmarktes.

Ob das stimmt, da bin ich mir nicht ganz so sicher, weil viele Fondsgesellschaften einen Anreiz haben, ihre Fonds nach außen hin grün anzustreichen, denn das ist politisch korrekt. Das Marktvolumen an indexfondsbasierten nachhaltigen Investments ist jedoch noch vergleichsweise gering.

Nachhaltige Anleger könnten im Prinzip ein ETF-Portfolio nach Ihren Vorschlägen nachbauen – das sogenannte Weltportfolio. Sie müssten ETFs auswählen, die auf Branchen, Länder oder Rohstoffe verzichten, die ihren K.O.-Kriterien nicht entsprechen. Es gibt mittlerweile einige ETFs, die hierfür geeignet sind. Was halten Sie von einer solchen Lösung?

Ja, in Deutschland existieren inzwischen rund 40 ESG/SRI-ETFs. Damit lässt sich ein einfaches Weltportfolio bauen, obwohl die Auswahl an hierzulande für Privatanleger verfügbaren ESG/SRI-ETFs immer noch nicht zufriedenstellend ist.

Welchen Fehler sollten Anleger auf jeden Fall vermeiden?

Es ist schwer, einen einzigen Fehler von den vielen, die man machen kann, als "den einen" herauszugreifen. Wenn Sie mich aber direkt fragen, dann ist es vielleicht der Fehler, interessenkonfliktbehaftete Informationen und Berater zu nutzen, der fataler ist als fast alle anderen.

Herr Kommer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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