Legen Staaten niedrige Obergrenzen für Stromerlöse fest, könnte das Erneuerbare-Energie-Projekte verzögern. / Symbolbild: Pixabay

  Nachhaltige Aktien, Erneuerbare Energie

Ausbau Erneuerbarer Energien könnte unter Obergrenze für Stromerlöse leiden

Analysten und Branchenverbände warnen vor einer Verlangsamung des Ausbaus der Erneuerbaren Energie durch die geplante Erlösobergrenze bei Strom. Die EU-Kommission hatte im September beschlossen, eine Obergrenze von maximal 180 Euro pro Megawattstunde einzuführen. Diese ist vor allem auf die Stromerzeugung mit Kernenergie und Braunkohle ausgerichtet, trifft aber auch Photovoltaik und Windkraft.

Unternehmen, die Strom aktuell günstig produzieren und an der Börse vermarkten, können angesichts von Notierungen von mehreren hundert Euro pro Megawattstunde derzeit sehr hohe Gewinne einfahren. Erlöse, die 180 Euro überschreiten, sollen nun abgeschöpft und den Mitgliedsstaaten zur Finanzierung von Hilfsprogrammen für Haushalte und Unternehmen gegen die hohen Energiepreise zur Verfügung gestellt werden.

Allerdings können einzelne Mitgliedsstaaten auch eigene Obergrenzen einführen – und das könnte zum Problem für Grünstromerzeuger werden. In einer Umfrage des US-Unternehmens Level Ten Energy gaben 26 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Angebotsaktivität im Bereich Stromabnahmeverträge (PPAs) zurückgehen würde, wenn einzelne Länder ihre eigenen Preisobergrenzen einführen sollten. Unternehmen würden möglicherweise Projekte verschieben, bis diese Ungewissheit beseitigt ist.

Projekte könnten sich verzögern

"Unterschiedliche Mechanismen zur Preisfestsetzung auf dem Kontinent werden unbeabsichtigte Auswirkungen auf benachbarte Märkte haben", zitiert das Fachmagazin "pv-magazine" Kristian Lande, Senior Director of European Analytics bei Level Ten Energy. "Ohne einen Konsens zwischen den 27 Ländern über den Zeitplan und das Preisniveau wird es eine größere Unsicherheit geben, die wahrscheinlich zu weniger Investitionen in allen Bereichen führen wird."

Auch der europäische Branchenverband der Solarindustrie forderte bereits eine einheitliche Anwendung der Maßnahmen. Er befürchtet, dass weniger solarfreundliche europäische Mitgliedsstaaten jede Gelegenheit nutzen würden, um Erneuerbare Energien härter zu bestrafen als andere sogenannte „inframarginale“ Erzeuger, also Stromproduzenten, die Technologien mit nur geringen Kosten einsetzen.

In der Umfrage unter 19 Entwicklern gaben 42 Prozent an, dass eine Preisobergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde ihre Angebotsaktivität im Bereich PPA nicht verändern würde. Derselbe Prozentsatz gab an, weiterhin einige Angebote abgeben zu wollen, allerdings nur für ausgewählte Projekte.

Die Obergrenze soll nur vorübergehend gelten. Wenn ein Projekt also voraussichtlich erst 2024 den kommerziellen Betrieb aufnehmen wird, ist es möglicherweise gar nicht betroffen. Andererseits werden Vorhaben, die kurz vor ihrer kommerziellen Inbetriebnahme stehen, am stärksten betroffen sein. Dies gilt insbesondere, wenn ein Teil ihrer Kapazität für den Spotmarkt, also die Strombörse, reserviert wurde.

Einheitliche 180 Euro Obergrenze wäre tragbar

Die meisten langfristigen Verträge bringen laut "pv-magazine" den Erzeugern keine Einnahmen von mehr als 180 Euro pro Megawattstunde, sie wären von der neuen Regelung also nicht betroffen. Nach Angaben des norwegischen Beratungsunternehmens Rystad Energy entfallen 60 Prozent der gesamten installierten Kapazität an Erneuerbaren Energien in der EU auf diese Verträge mit festem Vergütungssatz.

Kurzfristige PPAs dürften dagegen stark betroffen sein, da ihre Preise in der Regel an den aktuell hohen Marktpreis gekoppelt sind. Diese Verträge dürften neu verhandelt werden, wenn sie über 180 Euro pro Megawattstunde liegen. Nach Angaben von Rystad fallen die verbleibenden 40 Prozent der Kapazitäten für Erneuerbare Energien in diese Kategorie.

Weiter verweist das "pv-magazine" auf eine Analyse des Schweizer Beratungsunternehmens Pexapark. Dieser zufolge haben sich die Preise für zehnjährige PPAs für Photovoltaik- sowie Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen (also Windräder an Land und auf dem Wasser) in diesem Jahr verdoppelt. Sie liegen nun bei durchschnittlich 107,80 Euro pro Megawattstunde. Für einjährige Stromverträge überstiegen die Preise in Deutschland und Frankreich im August zum ersten Mal die Marke von 1.000 Euro pro Megawattstunde.

Anlegerinnen und Anleger müssen damit rechnen, dass Erneuerbare-Energien-Aktien in den nächsten Monaten wegen der im Detail noch unklaren Umsetzung des EU-Gesetzesentwurfs in nationales Recht deutlich schwanken werden.

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