Als nachhaltig beworbene ETFs enthalten auch Aktien von Kohleunternehmen. / Foto: Chris74, Fotolia

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Nachhaltige ETFs: Die große Grünwäscherei - 7 angeblich nachhaltige Produkte im Test

ETFs gelten als Wunderkinder der Geldanlage: Kostengünstig und erfolgreich. Mittlerweile gibt es sie auch in grün. Verspricht zumindest die Werbung. Doch ein genauer Blick auf die Inhalte zeigt vieles, das überhaupt nicht nachhaltig oder ethisch ist.

Die Aktien von Öl- und Kohlekonzernen, Atomkraftbetreibern und Firmen, die Regenwälder abholzen, in einem einzigen Finanzprodukt: Ja, gibt es. Es ist ein ETF, und er trägt den Begriff "Nachhaltigkeit“ im Namen. Auf Englisch. iShares Dow Jones Global Sustainability Screened ETF heißt das Ganze dann. Ein schlechter Scherz? Mitnichten. Ein erfolgreiches Produkt, hunderte Millionen Euro schwer. Und hochgelobt. So preist eines der meistgelesenen deutschen Finanzportale an: "Wir empfehlen kostengünstige Indexfonds (ETFs) auf nachhaltige Aktienindizes…“…nämlich: "…einen ETF der Marke iShares (ISIN: IE00B57X3V84).“ Inwiefern dieses Produkt sich das Lob verdient hat, bleibt ohne Erläuterung.

Hauptsache, der Name klingt gut

Kein Einzelfall: Wer in den letzten Monaten Tipps suchte, wie man nachhaltig oder ethisch anlegen kann, stieß nahezu zwangsläufig auf ähnliche Lobhudeleien für ETFs. Hauptsache, die Produkte trugen irgendeinen – möglichst englischen – Begriff im Namen, der auf Nachhaltigkeit, Umwelt oder Soziales hindeutet.

Die ECOreporter-Redaktion hat sich daher sieben ETFs genauer angeschaut, die sich grün geben. Mehrere hundert Aktien sind in vielen dieser ETFs versammelt. Wer wirklich wissen will, welche Unternehmen er mitkauft, muss also bis in den letzten Winkel der ETF-Bilanzen schauen.

Für nachhaltige Anleger ist die Frage von Bedeutung, ob ein Investment in einen ETF die Welt nachhaltiger machen kann? Die Antwort bedarf einer kurzen Erklärung zu dem System, mit dem die Indexanbieter ihre Auswahl der nachhaltigen Aktien treffen. Das funktioniert in der Regel so: Sie nehmen einen ganz konventionellen Börsenindex mit vielen Aktien. Dann filtern sie nach einem bestimmten System aus diesen oft tausenden von Aktien die nachhaltigsten 25 oder 50 Prozent jeder Branche heraus. "Best-in-Class“ nennt sich das. Das ergibt dann den nachhaltigen Index, und der ist die Grundlage des ETF. Damit landen dann also auch Aktien aus Branchen, die überhaupt nicht nachhaltig sind (Öl, Kohle, Atomenergie), im grünen Index. Mit der Begründung, dass es immerhin die am wenigsten schädlichen einer nicht-nachhaltigen Branche sind. Ob das die Welt nachhaltiger werden lässt, ist derzeit nicht erkennbar.

Bei Gremien wird gegeizt

Zwar arbeiten auch viele nachhaltige Fonds nach dem Best-in-Class-Prinzip. Sie haben allerdings in aller Regel noch einen Beirat, der auf die Aktienauswahl schaut. Nachhaltigkeitsbeiräte und andere Gremien kosten jedoch Geld, und hier geizen die ETFs. Es geht ja um ihren Ruf, günstige Gebühren zu verlangen. Etliche nachhaltige Fonds treten zudem in Dialog mit Unternehmen und drängen auf mehr Nachhaltigkeit. Oder sie veröffentlichen es, wenn sie Aktien verkaufen, weil diese Nachhaltigkeitsvorgaben nicht erfüllen. Das schafft Öffentlichkeit und setzt Firmen unter Druck. All das fehlt bei nachhaltigen ETFs.

Als Leser/in des Premium-Bereichs sehen Sie in einer übersichtlichen Tabelle, wie ECOreporter die folgenden, angeblich nachhaltigen ETFs bewertet:

  • BNP Paribas Easy Low Carbon 100 Europe (ISIN LU1377382368 / WKN A2DPX9)
  • Deka Oekom Euro Nachhaltigkeit ETF (ISIN DE000ETFL474 / WKN ETFL47)
  • iShares Dow Jones Global Sustainability Screened ETF (ISIN IE00B57X3V84 / WKN A1H7ZT)
  • iShares Dow Jones Eurozone  Sustainability Screened ETF (ISIN DE000A0F5UG / WKN A0F5UG)
  • Lyxor MSCI USA ESG Trend Leaders ETF (ISIN LU1792117696 / WKN LYX0YK)
  • Think Sustainable World ETF (ISIN NL0010408704 / WKN A12HWR)
  • UBS ETF MSCI World Socially Responsible ETF (ISIN LU0629459743 / WKN A1JA1R)

Zudem zeigt Ihnen ein kurzes Testfazit zu jedem dieser ETFs, worauf Sie achten sollten.

ETFs – eine kleine Einführung

ETFs, Exchange Traded Funds, bilden die Wertentwicklung eines Börsenindex ab. Daher nennt man sie auch Indexfonds. Beispielsweise gibt es ETFs auf den Deutschen Aktienindex DAX: Steigt er um 3 Prozent, sollte auch der entsprechende ETF 3 Prozent zulegen. Denn der ETF sollte alle die Aktien beinhalten, die sich im DAX finden. Wer einen Index auf diese Weise nachbaut, der benötigt weder Fondsmanager noch ein Analyse-Team, das über die Aktienauswahl nachdenkt. Das wirkt sich auf die Kosten aus. Daher sind ETFs bei der Jahresgebühr oft wesentlich günstiger als Fonds.

ETFs sind aber wie normale Fonds auch "Sondervermögen“. Selbst wenn die Investmentgesellschaft Pleite geht, das Geld der Fondsanleger ist geschützt. Allerdings nicht vor Kursverlusten – die können vorkommen. Immerhin: Sämtliche in diesem Bericht vorgestellten ETFs bilden ihren Index wirklich nach und kaufen auch die Aktien. Das nennt sich "physische Replikation“. Es gibt viele andere sogenannte synthetische ETFs, die den Anlegern nur die Wertentwicklung eines Index bieten, aber die Aktien nicht erwerben. Luftnummern also. ECOreporter-Meinung zu dieser Unterart: Finger weg.

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

BNP Paribas Easy Low Carbon 100 Europe

Der ETF der französischen Großbank BNP Paribas soll klimafreundlich investieren. "Low Carbon“, wenig Kohlenstoff. Er will laut Angaben des Anbieters nur in Firmen anlegen, die in ihrer Branche zu den Vorreitern in Sachen Klimaschutz zählen – also mit möglichst niedrigen CO2-Emissionen punkten. In Frage kommen lediglich europäische Unternehmen mit hohem Börsenwert. Dazu bildet der ETF den Index "Low Carbon 100 Europe“ der Börse Euronext ab.

In Kohle, Öl und Fluglinien investiert der ETF tatsächlich nicht. Er hält aber (Stand Ende September 2019) Aktien des Reisekonzerns Carnival, der Kreuzfahrten organisiert. Oder Papiere von Nestlé, H&M und dem Schweizer Brauseabfüller Coca-Cola HBC. Ob das alles tatsächlich "Vorreiter in Sachen Klimaschutz“ sind, sollte jeder Anleger selbst beurteilen.

Fazit: Recht konventionelle Aktienauswahl, immerhin sind die übelsten Klimasünder nicht dabei. Echte Nachhaltigkeit geht anders.

Deka Oekom Euro Nachhaltigkeit ETF

Von der Sparkassen-Tochter Deka kommt dieser ETF, der tatsächlich auf Klima- und Umweltsünder verzichtet. Nur solche Firmen landen im Portfolio, die die Nachhaltigkeits-Ratingagentur ISS ESG (vormals ISS-oekom) zu den Nachhaltigkeitsvorreitern ihrer Branche gekürt hat. Der abgebildete Index heißt "Solactive Eurozone Sustainability Index“. Indexersteller ist wie bei dem Think Sustainable World ETF das Frankfurter Unternehmen Solactive. Der Deka Oeko ETF beschränkt sich aber auf europäische Aktien, statt weltweit anzulegen. Die Aktien müssen den sogenannten Prime-Status von ISS ESG haben. Das wirkt sich auf die Nachhaltigkeit des ETF aus, die ordentlich ist. Leider überzeugt die Rendite nicht (nur 7 Prozent Plus in drei Jahren). Zu den größten Werten im ETF zählen: der Versicherer Allianz, das niederländische Halbleiterunternehmen ASML sowie der Mautstraßenbetreiber Vinci. Insgesamt enthält der ETF nur 30 Aktien. 

Fazit: Von den konventionellen Unternehmen sind die nachhaltigsten ausgewählt. Insofern ist der Name gerechtfertigt.

iShares Dow Jones Global Sustainability Screened ETF

Die Ölmultis Total und Royal Dutch Shell, die Kohlekonzerne Duke Energy und AES, der Atomstromerzeuger Electricité de France – wo findet man sie alle versammelt? In diesem ETF, der sich nachhaltig nennt. Hinter dem ETF steht die US-Fondsgesellschaft BlackRock. Insbesondere, was dem Klima schadet, ist hier vertreten: Flughafenbetreiber, Bergbaukonzerne und Unternehmen, die Regenwälder abholzen oder wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen. 521 Aktien enthält der iShares-ETF, mindestens 58 davon stehen nach ECOreporter-Recherchen auf Ausschlusslisten institutioneller Anleger mit nachhaltigem Anspruch.

Dass so viele kontroverse Unternehmen im Portfolio auftauchen, widerspricht allerdings nicht den Anlagegrundsätzen des ETFs. Er bildet den Dow Jones Sustainability World Enlarged Index ab, einen Aktienindex, der angibt, aus einem Anlageuniversum von ungefähr 2.500 Unternehmen die nachhaltigsten 20 Prozent herauszufiltern. Dazu greift der Indexanbieter S&P Dow Jones auf die Nachhaltigkeitsanalysen des Schweizer Unternehmens RobecoSAM zurück. Die Auswahl findet nach dem Best-in-Class-Verfahren statt. Das heißt: Unternehmen dürfen in den Index aufgenommen werden, wenn sie zu den nachhaltigeren Vertretern ihrer Branche zählen – selbst wenn das Kerngeschäft dieser Branche nicht nachhaltig ist. Immerhin, Tabak, Rüstung und Waffen sind für den Dow Jones-Index tabu. Nicht aber Öl, Kohle und Atomstrom.

Fazit: Nichts für nachhaltige Anleger.

iShares Dow Jones Eurozone  Sustainability Screened ETF

Auch dieser ETF stammt von BlackRock, aber er setzt auf europäische Unternehmen. Waffen, Tabak, Glücksspiel und Verletzungen von Arbeitsrechten sind auch hier tabu.

Unter den mehr als 80 Aktientiteln finden sich durchaus Unternehmen mit nachhaltigem Anspruch: der Windradhersteller Siemens Gamesa, der Wasserversorger Veolia und der Krankenhausbetreiber Fresenius. Doch auch in diesem ETF sind kritische Werte enthalten. Der portugiesische Stromversorger Energias de Portugal produziert Kohlestrom, der Ölindustriezulieferer Saipem aus Italien ist wegen Bestechungsvorwürfen in der Kritik. Größter Wert im ETF ist im Übrigen der französische Ölkonzern Total.

Fazit: Nichts für nachhaltige Anleger, aber nicht ganz so schlimm wie sein oben beschriebener Bruder.

Lyxor MSCI USA ESG Trend Leaders ETF

Das hört sich schon einmal gut an: Der ETF soll nur auf Firmen mit einer guten Nachhaltigkeitsbilanz setzen. Oder wie es die Anbieter ausdrücken: Es geht um eine gute ESG-Bewertung. ESG steht für Environment, Social and Governance. Zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Und dann sollen die Aktiengesellschaften das auch noch alles stetig verbessern. In dem Punkt dürfte die Arbeit für lange Zeit gesichert sein. Denn was sich der Anbieter Lyxor, eine Tochter der französischen Großbank Société Général, hier zusammengesucht hat, könnte die Umwelt teilweise nur dann verbessern, wenn das Geschäft gestoppt würde. Da gibt es Aktien von Stromerzeugern, die auf Kohlekraftwerke setzen (u.a. Alliant, WEC Energy und Xcel Energy). Dazu Ölkonzerne (u.a. Marathon Oil und ConocoPhillips) und Fluglinien (Delta). Mit Fortive ist ein Unternehmen im ETF enthalten, das auf der Ausschlussliste des Schwedischen Pensionsfonds ist, weil es Zusammenhänge mit Atomwaffen geben soll. Fortive stellt beispielsweise Sensoren und Kontrollsysteme her. Die Aktie des Rüstungskonzerns Rockwell Collins wurde auch gekauft. McDonald's überrascht dann hier nicht mehr.

Das Prinzip hinter diesem ETF: ein Abbild des MSCI USA Select ESG Rating and Trend Leaders Index schaffen. Dieser Index investiert in US-Unternehmen. Übrigens: Es sind tatsächlich auch Aktien dabei, die man bei durchschnittlichem Verständnis als nachhaltig ansehen könnte.

Fazit: Nichts für nachhaltige Anleger.

Think Sustainable World ETF

Der ETF des niederländischen Anbieters Think, einer Tochter der US-Vermögensverwaltung Van Eck, legt weltweit an. Grundlage für den ETF ist der Solactive Sustainable World Index, den der deutsche Index-Anbieter Solactive in Zusammenarbeit mit der französischen Nachhaltigkeits-Ratingagentur Vigeo Eiris erstellt.

Kohlestromerzeuger finden sich nicht im ETF. Dafür aber Mineralölkonzerne (ConocoPhillips aus den USA, China National Offshore mit Sitz in Peking), Ölschieferförderer (Suncor Energy aus Kanada) und das britisch-australische Bergbauunternehmen Rio Tinto, das Kohleminen betreibt. Der ETF investiert auch in die Aktie des US-Pipeline-Betreibers Enbridge. Dieses Unternehmen ist wegen der Missachtung der Rechte von Ureinwohnern auf der Ausschlussliste des Schwedischen Pensionsfonds. Aktien der Deutschen Bank und Nestlé sind ebenfalls im ETF.

Fazit: Nichts für nachhaltige Anleger.

UBS ETF MSCI World Socially Responsible ETF

Mit Singapore Airlines um die Welt jetten, oder mit easyJet oder Delta? Nicht klimafreundlich, aber für diesen ETF ein Investment. Denn Aktien dieser Fluggesellschaften sind Bestandteil des ETF. Er stammt von der Schweizer Großbank UBS. Zugrunde liegt dem Produkt der Index mit dem wenig eingängigen Namen "MSCI World Socially Responsible 5 % Issuer Capped“. Der ETF investiert in zahlreiche Unternehmen mit klima- und umweltschädlichem Geschäftsmodell. So gewinnt Cenovus Energy aus Kanada Öl aus Ölsanden. Das Rohstoffunternehmen Teck Resources betreibt sechs riesige Kohleminen. Die Klimaschutz-Nein-Danke-Mentalität geht noch weiter, etwa mit den Kohlestromaktien CMS Energy, NiSource und WEC Energy Group. Dann gibt es auch noch Ölkonzerne (ConocoPhillips und Total).

Ausgeschlossen sind zumindest Gentechnik, Waffen, Kernkraft, Tabak, Alkohol und Pornografie. Die Anlage folgt dem Best-in-Class-Prinzip: In den ETF sollen die jeweils 25 Prozent der nachhaltigsten Unternehmen ihrer Branche kommen.

Fazit: Nichts für nachhaltige Anleger.

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