Das Wohnprojekt "Handicap-WG" der Oekogeno GIW eG in Furtwangen bietet Menschen mit Handicap die Möglichkeit, selbstbestimmt zu wohnen und zu leben. / Foto: Markus Guhl

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Oekogeno-Vorstand Bettinger: „Sozial und solidarisch investieren“

Geld anlegen mit nachhaltigen Wohnimmobilien? Viele Möglichkeiten dazu haben Anleger nicht in Deutschland. Die Freiburger Genossenschaft Oekogeno bietet ihren Mitgliedern solche Investments an – mit Anspruch: Von Holzbauweise über Mehrgenerationen-Wohnhäuser mit Inklusionskonzepten bis zu mieterfreundlichen Gartenkonzepten ist alles dabei. Im Interview mit ECOreporter spricht Vorstand Joachim Bettinger über Nachhaltigkeit als Trend, Rückschläge und persönliche Lieblingsprojekte.

Die heutige Oekogeno eG ging 2001 aus der 1988 gegründeten Ökobank hervor. Die Bank geriet um die Jahrtausendwende in Schieflage, den Kundenstamm übernahm schließlich die GLS Bank. Der programmatische Kern der Ökobank lebt in Form der Gründungsgenossenschaft weiter, die in Oekogeno umbenannt wurde.

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ECOreporter: Herr Bettinger, wie wählt die Oekogeno ihre Projekte aus?

Joachim Bettinger: Grundsätzlich muss ein Projekt unseren vier Leitmotiven entsprechen: Es muss sozial und solidarisch sei, es muss eine Teilhabe der Genossinnen und Genossen möglich sein, es sollte alternative Denkweisen voranbringen, und es sollte für eine gesellschaftliche Vielfalt stehen. Bei unseren Wohnprojekten, die momentan den Schwerpunkt unserer Arbeit ausmachen, heißt das zum Beispiel, dass wir neue, zukunftsweisende Wohnformen voranbringen möchten.

Wir beteiligen die Menschen als Wohn- oder Fördergenossinnen und-genossen unmittelbar am Projekt, und wir schaffen Raum für unterschiedliche Wohn- und Lebensformen. Wir versuchen, sozial ausgewogen zu bauen und auch Angebote für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen, zum Beispiel mit geförderten Wohnungen. Unsere Mitglieder sind sehr solidarisch und übernehmen in Einzelfällen Genossenschaftsanteile für diejenigen, die diese nicht selbst finanzieren können. Alle unsere Wohnprojekte integrieren in Wohngemeinschaften oder Appartements auch Menschen mit Behinderung, die dort selbstbestimmt und als Teil der Gemeinschaft leben können. 

Und bei Erneuerbare-Energie-Projekten?

Die bilden den zweiten Schwerpunkt bei uns, da entscheiden wir rein nach Risikoabwägung. Dort schauen wir, ob wir in Zukunft unsere Renditeversprechen auch wirklich einlösen können. Da sind der Standort und die Projektkosten natürlich entscheidend. 

Welche Projekte setzt die Oekogeno derzeit um?

Unser Schwerpunkt liegt momentan im Bereich inklusives Mehrgenerationen-Wohnen. Wir haben in diesem Jahr zwei Wohnprojekte fertiggestellt und bezogen. Ein ganzes Quartier mit 1,3 Hektar Fläche ist gerade im Rohbau, und bei zwei weiteren Projekten sind wir in der Bauantragsphase. Bei weiteren Grundstücken stehen wir vor Kaufvereinbarungen oder Sicherungsverträgen. Ende des Jahres werden wir ein weiteres Windprojekt in Baden-Württemberg starten. 

Was war der härteste Rückschlag, den die Oekogeno bislang bei einem Projekt verkraften musste?

Was unsere Projekte im Bereich erneuerbare Energien angeht, die wir seit 2010 umsetzen, war das unser erstes geplantes Vorhaben in Italien, eine Solaranlage auf Sardinien. Hier haben wir bereits vor fünf Jahren viel Zeit und auch Geld investiert, um zu einem Kaufvertrag zu kommen. Der Verkäufer hat am Ende leider zurückgezogen. Das war enttäuschend, und es sind Kosten im unteren fünfstelligen Bereich bei uns hängen geblieben.

In der Zeit vor 2010 haben wir einige Start-ups im Bereich Nachhaltigkeit finanziell unterstützt. Das war eine schmerzliche Erfahrung. Für uns war es sehr problematisch, dass wir keinen Einfluss auf die unmittelbare Geschäftsführung hatten. Die Ausfallrate unter den von uns unterstützten Start-ups war daher höher als zunächst erwartet. Zusammen mit dem Aufsichtsrat und meinem zu der Zeit neu eingestiegenen Vorstandskollegen Rainer Schüle haben wir uns dann von diesem Geschäftsmodell 2014 komplett verabschiedet. Die letzte erfolgreich verbliebene Firma wird uns in den nächsten Monaten die abschließenden Raten unserer Kreditbeteiligung zurückbezahlen, und wir werden uns danach ausschließlich auf unser Kerngeschäft konzentrieren.

Nachhaltige Geldanlage liegt im Trend – kommt dieser Trend auch bei Oekogeno und den Mitgliederzahlen an?

Ein ganz klares Ja. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viele neue Mitglieder dazugewonnen und auch eine deutliche Steigerung bei der Anzahl der Anteile verbucht. Was uns noch mehr freut: Auch immer mehr jüngere Menschen lassen sich von unseren Ideen begeistern.

Der Fokus bei nachhaltiger Geldanlage verschiebt sich in der Corona-Krise vor allem auf soziale Aspekte, so eine aktuelle Studie. Stellen Sie bei den Anlegern einen Fokus auf bestimmte Projekte fest?

Wir stellen vor allem fest, dass bei uns vermehrt Stiftungen anfragen, die ihr Portfolio stärker auf ihre Satzungsziele ausrichten und nachhaltig und sozial anlegen möchten. Stichwort Mission Investing. Manche möchten eigene Projekte nach unserem Zuschnitt realisieren und fragen hier unsere Expertise und Projektentwicklung an.

Haben Sie selbst ein Lieblingsprojekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Das ist bei mir unser Wohnquartier in Waldshut-Tiengen. Zum einen, weil ich dort geboren bin, zum anderen, weil wir da ein ganzes Quartier von der Erschließung bis hin zum Bezug selbst realisieren. Auf der Fläche können wir alle unsere Vorteile ausspielen und uns konzeptionell voll ausleben, zum Beispiel mit einer nachhaltigen Holzbauweise, einem sehr effizienten Energiekonzept mit dem Mieterinnen-und-Mieter-Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage und einem Nahwärmenetz basierend auf Kraft-Wärme-Kopplung, einem eigenen Mobilitätskonzept und Urban Gardening-Ideen. Das wird ein richtiger Leuchtturm für die Region.

Herr Bettinger, vielen Dank für Ihre Antworten!

Joachim Bettinger, geboren 1961, ist Vorstand für Marketing und Vertrieb bei Oekogeno. Der studierte Diplom-Volkswirt war als Medienmanager für Fachpublikationen und Publikumszeitschriften bei verschiedenen renommierten Verlagen zuständig, bevor er 2012 zunächst als freier Mitarbeiter zur Oekogeno eG wechselte. Seit 2013 ist er Teil des Vorstands. Joachim Bettinger ist zudem Vorstand bei fünf weiteren eigens gegründeten Wohngenossenschaften, die als Ziel bundesweit neue generationsübergreifende Lebens-Wohn-Formen und sozial ausgewogene Mieten verfolgen.

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