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Türkischer Uranatlas zeigt, wie teuer Atomstrom ist
Deutschland legt an diesem Wochenende die letzten drei Atomkraftwerke still und will das Atomzeitalter zumindest hinsichtlich der Stromerzeugung damit beenden. In der Türkei hingegen werden erstmals Atomkraftwerke gebaut. Die jetzt erschienene türkischsprachige Ausgabe des Uranatlas möchte nicht nur zeigen, welche ökologischen Folgen Atomkraft und der dafür notwendige Uranbergbau verursachen, sondern sieht auch "desaströse wirtschaftliche Konsequenzen" für die Türkei.
Erneuerbare Energien in der Türkei kosten dem Uranatlas zufolge nur einen Bruchteil von Atomkraft. Strom aus Windkraft lässt sich demnach aktuell für 2 Dollar-Cent pro Kilowattstunde erzeugen, Sonnenstrom kostet zwischen 1 und 1,7 Dollar-Cent. Diese Zahlen stammen aus den jüngsten Ausschreibungen zu Erneuerbaren Energien in der Türkei.
Die aktuellen staatlichen Abnahmegarantien für Erneuerbare Energien in der Türkei seien zudem viel niedriger als die Garantie, die der russische Staatskonzern Rosatom als Betreiber des im Bau befindlichen Kernkraftwerks in Akkuyu erhält: 12,35 Dollar-Cent pro Kilowattstunde. Die staatlichen Garantien liegen bei 1,7 bis 2,7 Dollar-Cent für Biomasse, 2,15 Dollar-Cent für Wasserkraft und 2,9 Dollar-Cent für Geothermie, die ebenfalls rund um die Uhr betriebsbereit ist.
Türkischer Atomeinstieg "vollkommen unsinnig"
Wie bereits die deutsche, englische, tschechische, italienische und französische Ausgabe will auch der türkische Uranatlas mit Karten, Grafiken und Beispielen zeigen, dass Atomkraft ausgedient hat. Die türkischsprachige Ausgabe des Atlas wird gemeinsam von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Nuclear Free Future Foundation, der Umweltstiftung Greenpeace und der türkischen Umweltschutzorganisation Ekosfer herausgegeben.
"Dass die Türkei in das Abenteuer Atomkraft einsteigt, ist ökonomisch nicht nachvollziehbar und ökologisch vollkommen unsinnig", sagt Dominic Noll, Türkeireferent der Rosa-Luxemburg-Stiftung. "In Deutschland und noch weit mehr im Nachbarland Frankreich behindert die Förderung der Kernenergie seit Jahrzehnten massiv den Ausbau der Erneuerbaren Energien. In Deutschland ist damit bald Schluss, in der Türkei beginnt das jetzt leider."
"Seit über 50 Jahren plant die Türkei, ins Atomzeitalter einzusteigen", betont Özgür Gürbüz, Kampagnendirektor bei Ekosfer. "In Akkuyu wird das erste Atomkraftwerk gebaut, und es soll sehr bald bekannt gegeben werden, wann der erste Meiler ans Netz geht, obwohl unser Land über große Reserven an Erneuerbaren Energien verfügt, die nur einen Bruchteil im Vergleich zu Atomstrom kosten. Dabei gehört die Türkei zu den erdbebengefährdeten Gebieten, wie uns die jüngste Katastrophe mit mehr als 50.000 Toten vor Augen geführt hat. Ich hoffe, dass uns der gerade erschienene Uranatlas dabei hilft, wenigstens den geplanten Uranbergbau in unserem Land zu stoppen."
Der türkische Uranatlas wendet sich gegen den Atomeinstieg des Landes.
Es gibt demnach fünf Regionen in der Türkei, in denen Uran abgebaut werden könnte. Sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur geringe Uranvorkommen haben und das Uranerz nur einen Anteil zwischen 0,04 und 0,1 Prozent Uran enthält. Insgesamt ließen sich nur 12.600 Tonnen Uran fördern.
"Welche Folgen Uranbergbau hat, muss man sich bildhaft vorstellen", betont Horst Hamm, Projektleiter der Uranatlanten-Reihe und Chefredakteur der türkischen Ausgabe. „Bei einem Anteil von 0,1 Prozent Uran im Erz bleiben für jede Tonne Uran, die gefördert wird, 999 Tonnen Gesteinsreste und radioaktiv belastete Schlämme als strahlende Hinterlassenschaft des Uranbergbaus zurück.“
Atomatlas warnt vor neuen Abhängigkeiten
Das Spaltprodukt Uran wird zwar herausgelöst, aber Uran ist kein stabiles Element und zerfällt ohne jedes Zutun. Sämtliche Zerfallsprodukte von Uran sind in den Gesteinsresten enthalten – und mit ihnen ein Großteil der ursprünglichen Radioaktivität. Sie setzen bei jedem Zerfall Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung frei und verursachen Atembeschwerden, Krebs, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und Missbildungen. Die gesundheitlichen Folgen für Menschen, die in den Bergwerken arbeiten und in deren Umgebung leben, seien aus den Abbaugebieten Nordamerikas, Afrikas oder Australiens gut bekannt.
Warum die Türkei trotz der vielfach höheren Kosten von Atomstrom und der strahlenden Belastung durch Uranbergbau trotzdem ins Atomzeitalter einsteigt, darüber kann nur spekuliert werden. "Ich fürchte, dass für die enormen Kosten, die dieser Einstieg verursacht, irgendwann der türkische Steuerzahler die Rechnung präsentiert bekommt", sagt Horst Hamm.
Die EU hat in ihrer Nachhaltigkeits-Taxonomie Atomkraft als nachhaltig eingestuft – ein umstrittener Schritt, den auch ECOreporter nicht nachvollziehen kann. Die deutsche Ausgabe des Uranatlas warnte bereits im vergangenen Jahr, dass Atomkraft keine Energieunabhängigkeit schafft, sondern neue Abhängigkeiten von Russland. Auch in der Türkei ist der russische Staatskonzern Rosneft wichtigster Partner beim Atomeinstieg.
Nachhaltige Fonds und ETFs sollten Atomkraft nach Einschätzung der Redaktion ausschließen. Lesen Sie dazu die Dossiers Die Ausschlusskriterien der besten nachhaltigen Fonds – keine faulen Kompromisse und Viele Schlupflöcher: Warum Atom- und Kohlekonzerne in nachhaltigen ETFs zu finden sind. Die türkische Ausgabe des Uranatlas kann etwa unter nuclear-free.com heruntergeladen werden.
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13.12.23
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