Friederike Fuchs ist seit mehr als 25 Jahren in der Finanzberatung von Frauen tätig. / Foto: Dietrich Kühne

  Nachhaltige Aktien, Finanzdienstleister, Interview

Frauen und nachhaltige Geldanlage: Finanzberaterin Friederike Fuchs im Interview

Frauen verhalten sich bei der Geldanlage anders als Männer. Aber brauchen sie deshalb auch andere Investmentprodukte, beispielsweise spezielle Genderfonds? Oder ist das Konzept zu schmal gedacht? Wie steht es mit nachhaltigen Investments? Welche Bedeutung hat das Thema Frauen in Führungspositionen in Unternehmen bei der Geldanlage? Friederike Fuchs, seit mehr als 25 Jahren in der Finanzberatung von Frauen tätig, schildert ihre Sicht im ECOreporter-Interview.

Fuchs war bis 2016 Mit-Inhaberin der FRAU-INVEST Anlageberatung, bevor sie 2017 in Göttingen die Friederike Fuchs Finanzberatung eröffnete. Die ECOanlageberaterin und gelernte Bankkauffrau berät meist Frauen, aber auch Männer.

ECOreporter: Frau Fuchs, eine ganz platte Erwartung: Sie sind Finanzberaterin für Frauen. Da gehen wir erst einmal davon aus, dass Sie Genderfonds gut finden. Oder?

Friederike Fuchs: Seit 25 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Frauen & Finanzen, ob in der Beratung, in meinen Finanzkursen oder frauenpolitisch, und ich muss sagen, dass ich ein eher differenziertes Verhältnis zu Genderfonds habe.

Können Sie als Erstes kurz erklären, was eigentlich einen Genderfonds ausmacht? 

Genderfonds sind in der Regel Aktienfonds, als ETF oder als aktiv gemanagter Fonds. Sie investieren in Unternehmen, in denen Frauen einen hohen Anteil an Führungspositionen wie Vorstand, Aufsichtsrat oder Geschäftsführung besetzen. Je nach Ausrichtung des Fonds kann der Fokus auch auf Gleichstellungsthemen wie einer Frauenquote auf allen Unternehmensebenen oder der gleichen Bezahlung von Männern und Frauen liegen. Dieser Fondsidee liegen einige Studien zugrunde, die einen Zusammenhang herstellen, dass Unternehmen mit weiblichen Führungskräften bzw. einer höheren Frauenquote in den Führungsebenen erfolgreicher wirtschaften als Unternehmen mit weitgehend männerdominierten Führungsteams. Es wurde außerdem eine bessere Aktienkursentwicklung beobachtet. Und diese Unternehmen sollen in Krisen stabiler dastehen.  

Das ist also der Grundgedanke hinter Genderfonds. Halten Sie ihn für richtig?

Das ist nicht so einfach zu sagen. Was die Studien als Basis dieser Fondsidee angeht, handelt es sich um Beobachtungen, die einen Zusammenhang herleiten, aber eine eindeutige Bestätigung gibt es noch nicht.
Wir wissen aber, dass Frauen in Führungspositionen anders entscheiden als Männer. Ein gutes Beispiel ist der Umgang von Frauen mit ihrer Geldanlage. Wenn Frauen sich entscheiden, am Kapitalmarkt zu investieren, gehen sie bewusster mit Risiken um und treffen tendenziell weniger unkalkulierbare Entscheidungen. Im unternehmerischen Sinne könnte das bedeuten:

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Risiken und Wirkungen werden stärker gegeneinander abgewogen und führen zu anderen Entscheidungen. Es geht nicht um Mann oder Frau, sondern darum, die jeweiligen Potenziale und eine größere Ideenvielfalt für bessere Entscheidungen zu nutzen, die wir gerade in dieser Zeit des Umbruchs brauchen.


Die Allianz: Laut Fuchs ein positives Beispiel für Geschlechtergerechtigkeit. / Foto: Unternehmen

Wenn wir in Genderfonds hineinschauen, dann finden wir darin doch recht normal erscheinende Aktiengesellschaften: Allianz, Deutsche Telekom, Facebook, Nike und ähnliche. Dass Frauen dort in den Vorständen die Mehrheit haben, kann man nicht behaupten. Reichen also schon ein paar Talentförderungsprogramme aus, um für einen Genderfonds attraktiv zu sein?

Jetzt könnte ich sagen, das zeigt ja gerade das Dilemma. Die Auswahl an börsennotierten Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen ist sehr überschaubar. Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen zu sehen, ist heute zwar nichts Ungewöhnliches, aber noch immer keine Selbstverständlichkeit. Gerade Deutschland hinkt international hinterher. Aber Unternehmen wie beispielsweise Deutsche Telekom, Allianz und Co. sind auf einem guten Weg, haben Signalwirkung, machen Frauen in der Wirtschaft sichtbarer und zeigen, dass es geht. Letztendlich geht es um Bewusstseinswandel und Umdenken in den Unternehmen, hier können die genannten Konzerne Vorbild sein. Mehr geht immer, aber die anderen sind halt noch schlechter.

Nur damit wir es verstehen: Halten Sie eher den Ansatz der Genderfonds-Betreiber für falsch, oder ist der Ansatz gut, aber schlecht realisiert?

Grundsätzlich halte ich ihn nicht für falsch, es gibt durchaus gute Ansätze, und es wäre super, wenn weitere Studien den Zusammenhang von Diversität und finanziellen Auswirkungen untermauern würden. Wir sehen aber auch, dass das Fondsvolumen der derzeitigen Genderfonds nicht sehr hoch ist. Ich biete sie nicht aktiv an, und auch als Finanzberaterin für Frauen werde ich eher selten nach einem speziellen Genderfonds oder „Frauenprodukten“ gefragt.
Genderfonds greifen aus meiner Sicht nicht breit genug. Gender bzw. Diversity ist kein Nischenthema oder Trendthema, sondern muss Normalität in der globalen Wirtschaft sein, insbesondere mit den Herausforderungen, die auf uns zukommen. 
Und dann komme ich ganz schnell zur nachhaltigen Geldanlage. Geschlechtergleichstellung, Diversity, Frauen(be)förderung sind zunehmend Bestandteil bei der Beurteilung der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen. 
Interessant wäre auch die Frage, inwieweit aktiv gemanagte Genderfonds Einfluss auf die gesamte Diversity- und Frauenkultur in einem Unternehmen nehmen. Tun sie etwas, um diese weiter zu verbessern?
Wie bereits gesagt, es geht um einen globalen gesamtwirtschaftlichen Wandlungsprozess, und hierfür brauchen wir keine speziellen Genderfonds.

Wir sehen in der Finanzindustrie immer wieder: Kaum gibt es einen Trend, der öffentlich viel diskutiert wird, gibt es Finanzprodukte dazu. Auch bei den Genderfonds hat man den Eindruck, die wurden nicht nur gestartet, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.

Ein Trend muss ja nicht per se schlecht sein und kann auch etwas ganz Neues bewirken. Sicherlich liegt auch der Marketing-Gedanke nahe, um Frauen einfacher ans Investieren zu bringen. Aber gerade was die vielfältigen Ideen zum Thema Frauen und Geld betrifft, werden Frauen einfach unterschätzt. Sie lassen sich nicht mal eben mit einem „Frauenprodukt“ einfangen.

Was raten Sie Ihren Kundinnen denn anstatt Genderfonds?

Da bin ich wieder bei dem breiten Thema nachhaltige Investments bzw. nachhaltige Investmentfonds. Nachhaltigkeit heißt ja auch Geschlechtergleichstellung, Frauenquote in Führungsebenen, gleiche Bezahlung von Frauen und Männern usw.
Die 17 SDGs (Social Development Goals, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, Anm. d. Red.) beispielsweise, auch als die „Zukunftsaufgabe der Menschheit“ bezeichnet, fordern mit dem Ziel 5 „weltweite Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung von Frauen und Mädchen“ ein. In Kombination mit weiteren Zielen ist der Aspekt von Frauen in Führungspositionen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik und im öffentlichen Leben zu finden.


Näherinnen in Indien. Mikrofinanzfonds können Frauen in ärmeren Ländern helfen, sich eine Existenz aufzubauen. Foto: Opmeer Reports, Oikocredit

Die am Markt etablierten ESG-Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen integrieren ebenfalls „Diversity“ als ein wesentliches soziales Kriterium.
Auch bei nachhaltigen Geldanlagen geht es nicht mehr nur um Werteorientierung, sondern auch um wirtschaftliche Aspekte und finanzielle Kriterien. Und hier sind wir wieder bei den Studien, nach denen sich Unternehmen mit einem hohen Anteil an Frauen auf der Führungsebene finanziell besser entwickeln als Unternehmen mit männerdominierten Führungsteams.
Ein nachhaltiger Aktienfonds, der in Unternehmen investiert, die sich dem Wandel in unterschiedlichsten Bereichen nicht verschließen, verbindet soziale Aspekte mit Rendite.

Wie kann man Frauen sonst noch bei der Geldanlage wirtschaftlich und sozial unterstützen?

Beispielsweise durch die Investition in einen Mikrofinanzfonds. Diese investieren in Kleinstkredite, sogenannte Mikrofinanzkredite. Die erhalten dann überwiegend Frauen in ärmeren Ländern, damit sie sich eine wirtschaftliche Existenz aufbauen können. Über diese Anlage kann Einfluss auf eine verbesserte Lebens- und Finanzsituation von Frauen und Familien genommen werden und im nächsten Schritt sogar zum Aufbau breiterer wirtschaftlicher Strukturen und sozialer Wirkung beigetragen werden. 
Sie sehen, Genderfonds sind ein sehr komplexes, vielfältiges Thema mit einer durchaus guten Grundidee, die sich aber durch einen übergeordneten Ansatz fast überholt.

Frau Fuchs, vielen Dank für Ihre Antworten!

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