Diese Debitkarte aus Holz erhält, wer bei Tomorrow ein kostenpflichtiges Tomorrow Zero-Konto eröffnet. / Foto: Unternehmen

  Finanzdienstleister

Interview: Was macht Tomorrow anders als die etablierten grünen Banken?

Mehr als 78.000 Menschen haben mittlerweile ein nachhaltiges Smartphone-Girokonto von Tomorrow. Das Versprechen des Hamburger Finanzunternehmens: Für jeden mit der Tomorrow-Karte bezahlten Euro wird ein Quadratmeter Regenwald geschützt. Kann ein Unternehmen mit einem solchen Konzept profitabel wirtschaften? Und wie sehen die weiteren Pläne der Tomorrow Bank aus (die streng genommen keine Bank ist)? ECOreporter hat dazu Geschäftsführer Michael Schweikart befragt.

Tomorrow bietet bislang nur ein Produkt an: ein mobiles Girokonto mit Visa-Debitkarte. Eine von drei Varianten ist kostenfrei. Tomorrow beschäftigt 91 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hat keine Filialen. Das 2018 gegründete Fintech wird oft in eine Reihe mit grünen und ethischen Banken gestellt, besitzt selbst aber keine Banklizenz.


Der Wirtschaftsingenieur Michael Schweikart ist einer von drei Gründern der Tomorrow GmbH. Zuvor war er u.a. CEO bei MigrantHire & Jobs 4 refugees, die Geflüchteten über eine Online-Plattform den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern. / Foto: Tomorrow

ECOreporter: Herr Schweikart, warum haben Sie Tomorrow gegründet?

Michael Schweikart: Wir haben gemerkt, dass Geld eine große Wirkung hat, auch wenn es nur auf dem Girokonto liegt. Eine herkömmliche Bank nutzt dieses Geld, unser Geld, um Industrien zu finanzieren, die wir eigentlich überhaupt nicht unterstützen wollen – Kohlekraft, Massentierhaltung oder die Rüstungsindustrie. Wir haben Tomorrow mit dem Ziel gegründet, Geld als Hebel für positiven Wandel zu nutzen.

Was hat am Markt der nachhaltigen Banken bis dahin gefehlt?

Nachhaltige Banking-Anbieter gab es zwar auch vor Tomorrow, das Thema war und ist allerdings ein Nischenthema. Unser Ziel ist es – im Gegensatz zu anderen Ökobanken –, Nachhaltigkeit mit State-of-the-art Technologie zu verbinden, um unseren Kund*innen den Komfort modernen Bankings zu bieten.

Wo fließt mein Geld hin, wenn ich ein Konto bei Tomorrow eröffne?

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

Wir bieten derzeit drei verschiedene Kontomodelle an: Tomorrow Free, Tomorrow Zero und seit Kurzem unser Partner*innenkonto Together. Für jeden Euro, den Kund*innen mit ihrer Tomorrow-Karte bezahlen, schützen wir einen Quadratmeter Regenwald. Mit Tomorrow Zero kompensieren wir außerdem den CO2-Fußabdruck unserer Kund*innen, indem wir nachhaltige und soziale Projekte finanzieren, vor allem im globalen Süden. Unabhängig vom Kontomodell sorgen wir dafür, dass sämtliche Kund*inneneinlagen, also die Gelder auf den Girokonten, entweder in liquiden Mitteln vorgehalten werden oder in nachhaltige Industrien und Projekte – Green Bonds und Social Bonds – investiert werden.

Moment, verstehe ich das richtig: Wenn ich für 10 Euro ein Buch kaufe und mit der Tomorrow-EC-Karte bezahle, dann zahlt Tomorrow an eine Organisation so viel Geld, dass damit zehn Quadratmeter Regenwald unantastbar wild wachsen können?

Genau, richtig.


Tomorrow spendet die Gebühren, die Händler für Kartenzahlungen abführen müssen, an Regenwaldprojekte. / Foto: Tomorrow

Wie viel Prozent der Kundenguthaben sind derzeit wirklich nachhaltig angelegt, also nach Ihren eigenen Maßstäben?

Aktuell investieren wir mehr als 30 Millionen Euro in nachhaltige Projekte, während kein Cent in gestrige Branchen fließt. Es ist unser Ziel, stets ein Drittel der Kund*inneinlagen nachhaltig zu investieren. Aufgrund des starken Wachstums unserer Einlagen kann es dabei allerdings auch schon mal zu einem Zeitversatz kommen, was unseren Ziel-Anteil betrifft.

Um es von den Größenordnungen her zu verstehen: Wenn Tomorrow 30 Millionen der Einlagen in nachhaltige Projekte investiert, dann sind das wie viel Prozent der gesamten Einlagen?

Der Prozentsatz ändert sich ständig. Aktuell entspricht das knapp 20 Prozent unserer Einlagen. Den Rest halten wir als liquide Mittel für unsere Kund*innen vor – was auch notwendig ist.

Welche Geldanlagemöglichkeiten habe ich derzeit bei Tomorrow?

Wir launchen noch in diesem Jahr eine nachhaltige Investmentplattform, die unsere strengen Nachhaltigkeitskriterien zu 100 Prozent erfüllt.

Wie kontrollieren Sie die Verwendung des Geldes?

Bei unseren Klimaschutzprojekten arbeiten wir mit ClimatePartner zusammen. Die Projekte, in die wir investieren, sind nach dem Verified Carbon Standard oder dem Gold Standard, der vom WWF entwickelt wurden, zertifiziert.

Nur zur Klarstellung: Die gerade genannten Projekte, in die Tomorrow investiert, sind das Investments in dem Sinn, dass dort Geld angelegt ist und eine Rendite erbringen soll? Anders ausgedrückt: Wird hier das Geld der Kunden investiert, das sie anlegen – oder sind das Spenden, die Tomorrow leistet, aber nicht aus den Investitionen der Kunden?

Bei den Klimaschutzprojekten mit ClimatePartner handelt es sich quasi um eine Spende. Wir geben Geld und erhalten im Gegenzug „nur“ CO2-Ersparnis. Die Bonds, zum Beispiel der Förderbank NRW, werden von externen Institutionen beaufsichtigt. Außerdem gibt es bei Tomorrow ein unabhängiges Impact Council - das sind fünf Expert*innen, die prüfen, inwieweit unser Portfolio unseren Werten und Nachhaltigkeitszielen entspricht.

Noch einmal nachgehakt: „Impact“, also die Wirkung bezieht sich ja auf die Wirkung des angelegten Geldes. Anlegerinnen und Anlegern kommt es meist darauf an, dass ihr Geld sinnvoll arbeitet. Wenn dann noch Spenden dazukommen – okay. Aber wir sprechen hier viel über Geld, das liquide angelegt ist, und Tomorrow fördert dann nicht mit diesem Geld, sondern aus einem anderen Topf Projekte. Wo ist da die Wirkung des angelegten Geldes für Nachhaltigkeit?

Bei uns ist Nachhaltigkeit in jedes Element unseres Geschäftsmodells integriert. Im Detail sind das diese: Kund*inneneinlagen (Kund*innengelder auf deren Girokonto) werden in Green Bonds etc. investiert (Niedrig-Risiko-Kapitalmarktprodukte mit positivem Impact) und zum Teil als liquide Mittel angelegt. Bei jeder Zahlung mit unserer Tomorrow-Karte spenden wir die Interchange Fee – Kund*innen unterstützen dadurch ein Klimaschutzprojekt. Bei Abschluss eines Tomorrow Zero Kontos kompensiert Tomorrow jeden Monat ca. eine Tonne CO2 mit Klimaschutzprojekten für dieses Konto. Wenn Kund*innen in Zukunft investieren, stellen wir sicher, dass diese Investitionen in einen Aktienfonds mit rein nachhaltigen Unternehmen erfolgt, ausgewählt auf Basis der Nachhaltigkeitskriterien von Tomorrow.


Die Tomorrow-Gründer (v.l.n.r.): Inas Nureldin, Michael Schweikart, Jakob Berndt. / Foto: Tomorrow

Was ist der Unterschied von Tomorrow z.B. zu GLS Bank, UmweltBank, Triodos Bank, Kirchenbanken?

Im Gegensatz zu den genannten Banken legen wir viel Wert auf moderne Kommunikation mit unseren Kund*innen. Bei uns kann man sich in wenigen Minuten via Smartphone registrieren und ab dann alle Finanzen ganz einfach über die Tomorrow App regeln.

Wir haben bisher keine Beschwerde darüber gehört, dass die Kommunikation von Kundinnen und Kunden der grünen Banken nicht modern ist, denn sie investieren ja viel in Service.

Andere Nachhaltigkeitsbanken haben einen anderen Fokus, und sie machen dabei auch einen guten Job. Wir sprechen mit unserer Art und Weise einfach andere Kund*innengruppen an. Uns ist insbesondere auch Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe wichtig – über sämtliche Kanäle, insbesondere auch Social Media. Unsere Community darf und soll mitbestimmen, was ihr wichtig ist und welche Projekte intern priorisiert werden.

Kann ich bei Tomorrow auch wie bei anderen grünen oder ethischen Banken Festgeld anlegen und den Verwendungszweck bestimmen – beispielsweise: Mein Sparguthaben soll ökologische Landwirtschaft fördern, indem daraus Kredite an Öko-Bauernhöfe vergeben werden?

Das ist aktuell noch nicht möglich.

Welche Ziele gibt es für Tomorrow: Wollen Sie zukünftig auch Kredite vergeben, Unternehmen finanzieren?

Wir planen, unsere Finanz-Plattform deutlich auszubauen. Ganz konkret steht als Nächstes der Bereich Investments an, Kreditvergabe wird sehr wahrscheinlich danach folgen.

Planen Sie eigene Finanzprodukte?

Perspektivisch wollen wir – nach und nach – neben der geplanten Investmentmöglichkeit eine Reihe weiterer Produkte ausrollen. Unser Ziel ist es, eine umfassende Plattform für digitale Finanzprodukte und Impact zu werden.

Ist auch beabsichtigt, eine Vollbanklizenz für Tomorrow zu beantragen?

Aktuell ist keine Vollbanklizenz geplant. Wir prüfen aber immer wieder, ob oder wann diese für uns Sinn macht.

Warum läuft Tomorrow noch über die nicht-nachhaltige Berliner Solarisbank?

Mit Solaris haben und hatten wir die Möglichkeit, vom ersten Tag an alle Anforderungen zu erfüllen – sei es technologischer oder regulatorischer Art. So können wir uns auf unsere Kernmission konzentrieren. Gleichzeitig können wir über unseren vertraglichen Setup mit Solaris sicherstellen, dass unsere Kund*innengelder nach den Tomorrow-Nachhaltigkeitskriterien verwaltet werden. Daher sind wir momentan sehr zufrieden mit dieser Partnerschaft.

Ab wann wird Ihr Unternehmen Gewinn erzielen?

Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab und lässt sich so pauschal nicht sagen, aber wir sind zuversichtlich, dass es in den nächsten fünf Jahren sein wird.

Tomorrow finanziert sich mittlerweile auch über Crowd-Angebote. Warum? Bisher waren eher größere Investoren beteiligt.

Die Community oder Crowd ist für uns wahnsinnig wichtig. Schon seit Beginn sind wir eng im Austausch mit User*innen – wir wollen das Banking von morgen gemeinsam gestalten. Insofern war es nur konsequent, ihnen auch die Möglichkeit zu geben, finanziell partizipieren zu dürfen. Das Feedback war überwältigend, weshalb es sicher nicht das letzte Mal gewesen sein wird, auch wenn auch große Investor*innen in Zukunft weiterhin Teil unserer Finanzierung sein werden.

Wie weit sind Pläne gediehen, mit Tomorrow auch im Ausland tätig zu werden?

Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Tomorrow bald auch im Ausland verfügbar zu machen. Im nächsten Schritt peilen wir vor allem eine Expansion in andere westeuropäische Länder an.

Herr Schweikart, vielen Dank für Ihre Antworten!

Verwandte Artikel

02.12.24
 >
02.12.24
 >
02.12.24
 >
24.06.21
 >
21.10.20
 >
Aktuell, seriös und kostenlos: Der ECOreporter-Newsletter. Seit 1999.
Nach oben scrollen
ECOreporter Journalistenpreise
Anmelden
x