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Wie würde der heilige Franziskus investieren? - Interview mit David Reusch
Soziale Gerechtigkeit, Toleranz und Bewahrung der Schöpfung – diese Werte stehen im Mittelpunkt des Franziskaner-Ordens. Wem diese Werte wichtig sind, der kann in die terrAssisi-Fonds des Ordens investieren. Wie es zur Auflage der Fonds kam, welchem Nachhaltigkeitsansatz sie folgen und für welche Anleger sie geeignet sind, erklärt David Reusch, der kaufmännische Leiter der Missionszentrale der Franziskaner.
ECOreporter: Herr Reusch, die Missionszentrale der Franziskaner bietet mittlerweile drei nachhaltig ausgerichtete Fonds an - einen Aktien-, einen Renten- und einen Mischfonds. Können Sie unseren Lesern kurz erläutern, wie sich das Werte- und Ethikverständnis des Franziskanerordens in den Fonds widerspiegelt?
David Reusch: Wir blicken auf eine lange Tradition zurück: Im Mittelalter hat der Franziskaner-Orden in Italien die ersten Pfandleihhäuser ins Leben gerufen, sogenannte Monti di Pieta, die von den Darlehnsnehmern nur kostendeckende Zinsen verlangten - üblich waren zu der damaligen Zeit Wucherzinsen. Auch im Bankwesen waren die Franziskaner aktiv. Die Auflage von sozial-ökologisch ausgerichteten Fonds ist der für die heutige Zeit angemessene Schritt, um unseren Vorstellungen eines nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzwesens näherzukommen. In die Auswahlkriterien der Fonds fließen unsere Grundwerte Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung mit ein. Wir haben klare Positiv- und Negativkriterien definiert, welche Geschäftsbereiche und Unternehmenspraktiken für uns in Frage kommen und welche nicht. Wir investieren nur in Firmen oder Länder, die unsere Investitionsrichtlinien erfüllen.
2015 veröffentlichten die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken den Leitfaden „Ethisch-nachhaltig investieren. Eine Orientierungshilfe für Finanzverantwortliche katholischer Einrichtungen in Deutschland“. Spielt der Leitfaden eine Rolle für die Investitionsentscheidungen Ihrer Fonds?
Wir waren indirekt an der Erstellung des Leitfadens beteiligt. Der Leitfaden ist, wie der Name schon sagt, eine Orientierungshilfe und sehr allgemein gehalten. Unsere Investitionsrichtlinien sind viel konkreter. Deshalb spielt der Leitfaden keine wichtige Rolle für unsere Fonds.
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Gibt es Unterschiede zwischen den drei Fonds im Hinblick auf die Nachhaltigkeit? Hat sich mit der Zeit etwas bei den Fonds geändert?
Was die Nachhaltigkeit angeht, gibt es bei den drei Fonds, die wir anbieten, keine Unterschiede. Sie folgen alle denselben Anlagekriterien – in Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen, Korruption und gravierende Umweltverschmutzungen begehen, investiert beispielsweise keiner der Fonds. Unsere Kriterien entwickeln wir stets weiter.
Als wir vor zehn Jahren den ersten Fonds auf den Markt gebracht haben, war das Thema Klimaschutz noch nicht so im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Heute ist es eines der drängendsten Themen überhaupt. Wir stellen uns immer die Frage: Was würde unser Ordensgründer Franziskus sagen?
Wie funktioniert die Titelauswahl für die Fonds? Und wer ist für die Nachhaltigkeitsanalysen verantwortlich?
Die Titelauswahl in unseren Fonds erfolgt in drei Schritten. Das Basisanlageuniversum wird durch die Nachhaltigkeits-Ratingagentur ISS ESG (vormals ISS-oekom - Anm. d. Red.) festgelegt. Nur Wertpapiere von Unternehmen, die den sogenannten Prime Status von ISS ESG genießen, werden in das Basisuniversum aufgenommen. Das heißt: Sie müssen zu den Nachhaltigkeitsbesten ihrer Branche gehören – wobei nur Unternehmen erlaubt sind, die branchenspezifische Mindeststandards erfüllen. Dieses Auswahlverfahren nennt man auch einen absoluten Best-in-Class-Ansatz.
Der Ordensgründer Franz von Assisi predigte Enthaltsamkeit. / Foto: Maurice Ressel
Hinzu kommen in einem zweiten Auswahlschritt Ausschluss- und Negativkriterien, die unserem Nachhaltigkeitsverständnis entsprechen. Da fallen noch einige Unternehmen und Länder heraus. Die Liste ist lang. Wir wollen zum Beispiel nicht in Unternehmen investieren, die irreparable Schäden an den Ökosystemen anrichten, Arbeits- und Menschenrechte verletzen oder mit ihren Produkten einer weltweiten Einheitskultur Auftrieb geben – um nur einige Beispiele zu nennen. Erst aus der endgültigen Liste von Wertpapieren darf der Fondsmanager nach Renditegesichtspunkten die Fonds zusammenstellen.
Wie kontrollieren Sie, dass die Titel in den Depots Ihren Nachhaltigkeitsvorstellungen entsprechen?
Dass in unseren Fonds nur Aktien oder Anleihen landen, die wir als nachhaltig ansehen, wird durch interne Kontrollmechanismen sichergestellt. Darüber hinaus überprüft die unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner in ihrem Transparenzbericht die Portfolien regelmäßig. Das Fondsmanagement wird zudem alle drei Monate von der Münchener Nachhaltigkeits-Ratingagentur ISS ESG über das aktuelle Anlageuniversum informiert. Außerdem verfolgen wir die Entwicklung unserer Fonds selbst sehr genau.
Welche konkreten Ausschlusskriterien sind für die Fonds definiert, und inwiefern setzen Sie auf Toleranzschwellen für Unternehmen mit ethisch-ökologisch kontroversen Sparten?
Die Liste ist lang – ich kann nur einige aufzählen. Wir schließen etwa fossile Brennstoffe, Umweltverschmutzungen, Korruption, Kinderarbeit, Pornografie, Tabak und geächtete Waffen aus. Für manche Ausschlusskriterien wie Pornografie oder Tabak haben wir Toleranzschwellen von bis zu 10 Prozent vom Umsatz. Der Grund: Selbst ein nachhaltiges Unternehmen wie die Deutsche Telekom bietet Erwachsenenunterhaltung an – das ist aber nicht ihr Kerngeschäft und macht nur einen geringen Teil vom Gesamtumsatz aus. Hätten wir Null-Prozent-Toleranzschwellen, würde es uns schwerfallen, in viele ansonsten nachhaltige Firmen zu investieren.
Franziskus gilt für manche als Urheber des Nachhaltigkeitsgedankens. Bewahren Öl, Gas und Atomkraft die Schöpfung? Und wie steht es mit dem Tierwohl?
Unser Ordensgründer lebte in einer Zeit, in der es weder die Atomkraft noch weltweit agierende Energiekonzerne gab. Bei vielen Geschäftsfeldern können wir aber ganz klar sagen: Das hätte der Heilige Franziskus nicht gut gefunden. Atomkraft ist nicht nachhaltig – ebensowenig wie es gravierende Umweltschäden und auch Tierrechtsverletzungen sind.
Die Missionszentrale der Franziskaner ist das international tätige Hilfswerk der Franziskaner und unterstützt derzeit weltweit mehr als 700 sozial-humanitäre Hilfsprojekte. Wie kam es zur Gründung der Fonds?
Stiftungsgelder und Pensionsrückstellungen müssen angelegt werden. Vor 25 Jahren kam bei uns die Frage auf, ob unser Geld in Atomkraft steckt oder in Konzernen, die Kinderarbeit unterstützen. Das wollten wir ausschließen. Mit unserer Unterstützung entwickelten 1997 der Moraltheologe Johannes Hofmann und der Ökonom Gerhard Scherhorn den Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden für nachhaltige Geldanlagen. Er ist auch heute noch die Grundlage für die Arbeit vieler Nachhaltigkeits-Ratingagenturen und Fondsgesellschaften. Mit der Auflage unseres ersten Fonds vor knapp zehn Jahren sind wir dann noch einen Schritt weiter gegangen. Wir wollten nicht nur predigen, sondern auch mit guten Taten voranschreiten. Übrigens: Jeder, dem Nachhaltigkeit wichtig ist, kann in unsere Fonds investieren – unabhängig von seiner Konfession oder religiösen Orientierung.
Die Missionszentrale der Franziskaner versteht ihr Angebot an ethischen Geldanlagen als Mittel zur Einflussnahme. Inwiefern nimmt das Fondsmanagement der Fonds als aktiver Aktionär Einfluss auf die Unternehmen, in die investiert wird?
Wir sind Mitglied der Anlegervereinigung CRIC. CRIC übt themenbezogenes Engagement aus. Allerdings treten wir selten direkt mit einzelnen Unternehmen in Kontakt oder üben Stimmrechte aus. Das wäre auch rechtlich gar nicht so einfach, da die Wertpapiere von der Fondsgesellschaft Ampega verwaltet werden. Wir trennen uns allerdings konsequent von Unternehmen, wenn sich etwas zum Negativen bei der Nachhaltigkeit ändert. Wir haben beispielsweise unsere Aktien von SAP abgestoßen, als das Unternehmen vor knapp anderthalb Jahren in einen Korruptionsskandal verwickelt war. Verstöße gegen unsere Anlagerichtlinien überwachen wir sehr genau.
Was raten Sie Anlegern, die ihr Geld erstmals nach christlichen Wert- und Ethikmaßstäben investieren möchten? Gibt es aktuell Anlagemöglichkeiten, die Sie als vergleichsweise sicher, lukrativ und aus christlicher Sicht ethisch absolut einwandfrei einstufen?
Im Allgemeinen rate ich Anlegern, sich gut zu informieren. Nicht jedes Finanzprodukt, das vorgibt, nachhaltig zu sein, ist es auch tatsächlich. Ethisch einwandfreies Investment gibt es meiner Meinung nach derzeit noch nicht. Absolut nachhaltig ist kein Unternehmen. Keine Nachhaltigkeits-Ratingagentur vergibt für ein Unternehmen die beste Gesamtnote. Neueinsteigern würde ich zu breit gestreuten Aktienfonds raten. Allerdings hat man immer das Risiko des Aktienmarktes – es kann mit den Kursen auch deutlich nach unten gehen.
Es gibt mehr als zwei Milliarden Christen weltweit. Wie wird sich das ethische Investment christlicher Prägung in den nächsten Jahren entwickeln, und was wird diese Entwicklung maßgeblich beeinflussen?
Ich sehe einen großen Nachholbedarf beim Thema nachhaltige Geldanlage. Bald werden Finanzberater ihre Kunden auch auf ihre Nachhaltigkeitsvorlieben abfragen müssen. Dieser Vorstoß kommt von der EU, und zwar mit der angekündigten Ergänzung der sogenannten MiFID-2-Richtlinien. Das wird dem Markt für ethisch-ökologische Geldanlagen weiter Auftrieb geben. Vielen christlichen Anlegern ist derzeit nicht bewusst, dass ihre persönlichen Werte auch in der Geldanlage umgesetzt werden können. Wenn die neuen EU-Richtlinien in Kraft treten, wird sich das schlagartig ändern. Bei kirchlichen Investoren – egal, welcher Konfession – ist noch viel zu leisten. Derzeit steckt immer noch viel zu wenig kirchliches Geld in nachhaltigen Anlagen.
Herr Reusch, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!