Verbio-Chef Claus Suter sieht Betrug bei Biodiesel aus China. / Foto: Unternehmen

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Fragwürdiger Biodiesel aus China – Verbio sieht "Betrug in großem Stil"

Der EU-Markt wird aktuell mit Biokraftstoffen aus China regelrecht überschwemmt, die Preise sind eingebrochen. Nach Beschwerden europäischer Hersteller und Ermittlungen von Behörden mehrt sich nach Recherchen der Wochenzeitung "Die Zeit" der Verdacht, dass dem vorgeblich nachhaltigen Kraftstoff aus China Palmöl beigemischt wurde.

Biodiesel wird aus Pflanzen- oder Abfallöl hergestellt und hat einen deutlich geringeren CO₂-Ausstoß als fossiler Diesel. Mineralölkonzerne mischen ihn konventionellem Diesel bei, um ihre gesetzliche Verpflichtung zur Emissionseinsparung zu erfüllen. Heute enthält jeder Liter Diesel an deutschen Tankstellen bereits bis zu 7 Prozent Biodiesel. Der Anteil soll in den kommenden Jahren steigen.

Biodieselimporte aus China steigen um 83 %

Wie hilfreich der Beitrag alternativer Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren zum Klimaschutz ist, ist umstritten. Die Europäische Union fördert ihren Einsatz jedoch. Extraanreize gibt es zudem bei Kraftstoff, der nicht aus Raps- oder Sojaöl, sondern aus Abfällen und Produktionsresten produziert wird. Die Beimengung von solchem als "fortschrittlich" deklariertem Biodiesel dürfen sich Mineralölkonzerne doppelt auf ihre Treibhausgasemissionen anrechnen.

Nach den EU-Vorschriften muss ein Biokraftstoff, um als "fortschrittlich" zu gelten, aus Reststoffen wie Sägemehl oder Laub aus der Forstwirtschaft oder aus Abfallstoffen wie Altspeiseöl und bestimmten tierischen Fetten hergestellt werden. So ist es in der Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED) festgelegt. Die Verfügbarkeit solcher Abfallstoffe ist allerdings begrenzt.

Im Vergleich zu denselben Monaten im Jahr 2022 stiegen die chinesischen Biodieselexporte zwischen Januar und Februar 2023 laut einer Analyse des Branchendienstes Quantum Commodity Intelligence um 83 Prozent auf mehr als 800.000 Tonnen. Dieser rasante Anstieg hat den Verdacht von EU-Industrie und Wirtschaftsprüfern genährt, dass bei dem chinesischen Diesel Palmöl als Abfallmaterial ausgegeben wird. Die Verwendung von Palmöl, für dessen Gewinnung in Südostasien Urwälder abgeholzt werden, ist für Biodiesel in Deutschland seit diesem Jahr verboten und in der EU insgesamt eingeschränkt.

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Claus Sauter, Gründer und Chef des Biokraftstoffherstellers Verbio aus dem sächsischen Zörbig, hält sich mit öffentlicher Kritik nicht zurück. "Wir haben über mehrere Monate Warenströme in Südostasien und China analysiert. Unser Ergebnis ist, dass mit chinesischer Ware in großem Stil betrogen wird", erklärte Sauter gegenüber der "Zeit".

Elmar Baumann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Biokraftstoffindustrie e.V., schrieb in einem Meinungsartikel für den Berliner "Tagespiegel", es sei fraglich, ob die chinesischen Hersteller die Produktionskapazitäten für fortschrittlichen Biodiesel in so kurzer Zeit wirklich hochgefahren hätten. „Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die chinesischen Importe von Palmöl-Biodiesel aus Indonesien und Malaysia nach Angaben des Marktes in den letzten zwei Jahren fast verzehnfacht haben“, so Baumann in dem Text.

Das deutsche Umweltministerium und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die in Deutschland den Handel mit Biodiesel reguliert, erhielten laut "Zeit" im März Hinweise auf falsch deklarierten Kraftstoff. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat der Zeitung zufolge Ende April bei der Staatsanwaltschaft Bonn eine Strafanzeige gegen vier chinesische Unternehmen gestellt. Die Firmen bestreiten die Vorwürfe.

Private Zertifizierungsunternehmen vergeben Nachhaltigkeits-Label

Ein Unternehmen, die Longyan-Zhuoyue-Gruppe, erklärte gegenüber der „Zeit“, sein Kraftstoff sei zwar korrekt deklariert. Es komme allerdings tatsächlich falsch deklarierter Biodiesel aus China nach Europa, das sei "ein offenes Geheimnis".

Die Zertifizierung von Biodiesel wird nicht durch staatliche Stellen, sondern durch private Zertifizierungsfirmen übernommen. Eine der größten ist die ISCC System GmbH mit Sitz in Bonn. Diese hat auch die vier jetzt angezeigten chinesischen Hersteller als nachhaltig zertifiziert.

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung soll in Deutschland zwar das Fördersystem für Biodiesel verwalten. Sie hat aber kaum Kontrolle über die Firma ISCC und kann wegen eines komplizierten Geflechts aus Zuständigkeiten nicht einmal in allen Verdachtsfällen Sonderkontrollen anweisen. Auch kann die Bundesbehörde keine Nachhaltigkeitszertifikate entziehen. Dazu ist nur der Zertifizierer selbst berechtigt. ISCC hat laut "Zeit" aktuell einige Händler für vorerst sechs Wochen suspendiert.

Die EU-Vorgaben für Zertifizierungssysteme wie das von ISCC basierten stark auf Vertrauen, zitiert die „Zeit“ Verbio-Gründer Sauter: "Sie sind sehr betrugsanfällig. Die Chinesen nutzen diese schwachen Kontrollstandards gnadenlos aus."

Wie attraktiv ist die Verbio-Aktie?

Die Verbio-Aktie kostet im Xetra-Handel aktuell 38,51 Euro und hat sich damit zum Freitag nicht nennenswert bewegt (Stand: 10.7.2023, 10:51 Uhr). Innerhalb der letzten zwölf Monate hat die Aktie 24 Prozent an Wert eingebüßt, auf fünf Jahre gesehen steht ein Kursplus von rund 578 Prozent zu Buche.

Mit Biokraftstoffen hat sich ECOreporter auch in seinem Porträt des finnischen Mineralölkonzerns Neste beschäftigt. Bei der Verbio-Aktie rät ECOreporter zur Vorsicht: Welche Zukunft alternative Kraftstoffe angesichts der sich zumindest bei Autos durchsetzenden Elektromobilität haben, ist schwer abzuschätzen.

Verbio ist zudem stark abhängig vom deutlich schwankenden Ethanolpreis. In den letzten Jahren gab es heftige Kursausschläge in beide Richtungen. Anlegerinnen und Anleger, die lange genug investiert sind, um von den langfristig deutlichen Kursgewinnen zu profitieren, können weiter über einen Teilverkauf ihrer Aktien nachdenken.

Verbio Vereinigte BioEnergie AG: ISIN DE000A0JL9W6 / WKN A0JL9W

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