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Nachhaltige Aktien, Erneuerbare Energie, Interview
Interview solarcomplex AG: Umsatzrekord – Vorstand schlägt Dividende vor
Nicht alltäglich in diesem Frühjahr: Ein Vorstand, der optimistisch in die Zukunft blickt. ECOreporter hat den solarcomplex-Vorstand Bene Müller gefragt, wie das Unternehmen in Zeiten von Corona, Ölpreisverfall, Regierungsversagen und Behördenfehlern agiert.
Die solarcomplex AG hat 2019 ein erfolgreiches Geschäftsjahr verzeichnet. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent auf rund 14,6 Millionen Euro – der höchste Wert der bisherigen Unternehmensgeschichte. Wie geht es weiter?
Die solarcomplex AG aus Singen bei Konstanz im Süden Baden-Württembergs betreibt zahlreiche Erneuerbare-Energien-Anlagen und mehrere regenerative Nahwärmenetze im Bodenseeraum und im Schwarzwald. Das Unternehmen hat neben Wärmenetzen auch Solaranlagen (auf Dächern und Freiflächen), Wasserkraftwerke, Windenergieanlagen, zwei bürgerfinanzierte Biogasanlagen und etliche Holzenergieanlagen entwickelt und realisiert. Das Investitionsvolumen aller Projekte liegt bei über 160 Millionen Euro.
Seit der Gründung im Jahr 2000 ist das Eigenkapital von 37.500 Euro auf über 18 Millionen Euro und die Zahl der Gesellschafter von 20 auf rund 1.200 gestiegen. Einen beherrschenden Aktionär gibt es nach Angaben der AG nicht. Neben vielen Privatpersonen sind demnach etliche kleine und mittlere Unternehmen beteiligt, auch Stadtwerke und Bürgerenergiegenossenschaften. Die solarcomplex AG ist nicht börsennotiert. Das Unternehmen betreibt eine Aktienplattform, auf der aktuelle Angebote von Aktionären eingestellt sind. Bei Kaufinteresse können Anleger direkt mit den Verkäufern in Kontakt treten.
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Aktienkurs und Dividende
Der Durchschnittspreis der im ersten Quartal 2020 gehandelten Aktien lag nach Angaben des Vorstands bei 2,34 Euro je Aktie. Gehandelt wurden 82.300 Aktien zu Preisen zwischen 2,29 und 2,45 Euro. Bei der AG-Gründung 2007 betrug der Aktienkurs 1,90 Euro. Auch bedingt durch ein schwächeres Geschäftsjahr 2018 ist der Kurs in den letzten drei Jahren nicht mehr gestiegen, sondern nahezu auf einem Niveau geblieben. Der Mindesterwerb für Kaufinteressenten beträgt 1.000 Aktien. Seit 2004 hat die solarcomplex AG jedes Jahr Gewinne ausgewiesen, die angestrebte Dividende von 4 Prozent auf den Nennwert der Aktie wurde in neun von zwölf Jahren erreicht.
Bene Müller, Vorstand der solarcomplex AG. / Foto: Unternehmen
Der Vorstand will aufgrund des erfolgreichen Geschäftsjahres 2019 den Aktionären wieder eine Dividende vorschlagen. Die Höhe legt nach Angaben von Bene Müller der Aufsichtsrat in seiner nächsten Sitzung am 5. Mai fest.
Bene Müller (Vertrieb und Marketing) bildet zusammen mit Florian Armbruster (Verwaltung) und Eberhard Banholzer (Technik) den Vorstand der solarcomplex AG. Bene Müller hat solarcomplex im Jahr 2000 auch mitgegründet.
ECOreporter: Herr Müller, können Sie sich vorstellen, dass Vorstand und Aufsichtsrat z.B. aufgrund der Corona-Krise oder der Ölpreisentwicklung bis zur Hauptversammlung im Juli noch von dem Vorschlag einer Dividende abrücken könnten, um das Kapital als Krisenpuffer vorsichtshalber im Unternehmen zu belassen?
Bene Müller: "Eine Dividende kann trotz Risikopuffer bezahlt werden. Wir haben entsprechende Rückstellungen gebildet. Ob die Hauptversammlung im Juli stattfindet, ist aktuell aber noch fraglich. Wir haben in der Regel rund 200 Gesellschafter vor Ort, was uns freut und unserem Selbstverständnis als "Bürgerunternehmen“ entspricht. Eine Versammlung mit 200 Leuten ist aber mit den derzeit geltenden Abstandsregeln nicht zu vereinen.“
Zweithöchster Gewinn der Unternehmensgeschichte
Nicht nur der Umsatz, sondern auch die Bilanzsumme der solarcomplex AG ist 2019 deutlich gewachsen: von 60,3 auf 67,8 Millionen Euro. Darin ist die mit Abstand größte Position das Anlagevermögen, es wuchs von 51 auf 55 Millionen Euro. Der Gewinn nach Steuern, Zinsen und Abschreibungen erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr von 91.000 auf 310.000 Euro. Bezogen auf das Ergebnis das zweitbeste Jahr der bisherigen Unternehmensgeschichte.
Zu dem guten Gesamtergebnis 2019 haben nach Angaben des Unternehmens verschiedene Effekte beigetragen: Die Stromerlöse aus den eigenen Solar- und Windkraftanlagen waren überdurchschnittlich hoch. Entscheidend war aber die deutlich gestiegene Nachfrage nach Solaranlagen, die solarcomplex als Generalunternehmer insbesondere für Gewerbebetriebe errichtet hat.
Anlagen im Eigenbestand stabilisieren Geschäftsmodell
Firmensitz von solarcomplex in Singen. / Foto: Unternehmen
Auch für das laufende Geschäftsjahr geht solarcomplex von einem stabilen Umsatz und Ergebnis aus.
Bene Müller: "Unser Geschäftsmodell ist ziemlich robust, wir produzieren Energie und verkaufen diese. Die Stromerträge aus einer Solar- oder Windkraftanlage unterliegen zwar tages- oder jahreszeitlichen Schwankungen, sind aber in Summe gut planbar. Und die Preise für die erzeugte Energie sind beim Strom übers Erneuerbare-Energien-Gesetz und bei den Wärmelieferungen über lang laufende Verträge mit den Kunden festgeschrieben. Insoweit ist solarcomplex ziemlich stabil unterwegs, auch in diesen verrückten Zeiten. Der größere Teil des Weges bis zu einer vollständigen Energiewende liegt noch vor uns, da haben wir noch viel zu tun.“
Würgt die Bundesregierung den Solar-Zubau und die Energiewende ab?
Auch im ersten Quartal 2020 lief das Solar-Neubaugeschäft sehr gut: solarcomplex hat mehrere Solaranlagen mit einer Nennleistung von zusammen rund 4 Megawatt (MW) in Betrieb genommen. So viel wie noch nie zuvor in einem Quartal. Die Bundesregierung hat den 52-Gigawatt-Solardeckel aber immer noch nicht abgeschafft. Damit droht in diesem Sommer die Einspeisevergütung für neue Solaranlagen mit einer Größe bis 750 Kilowattpeak zu entfallen und der Solarzubau einzubrechen.
Wie geht solarcomplex mit dieser Situation um? Plant das Unternehmen derzeit noch neue Solaranlagen für 2020, und sind Banken aktuell noch bereit, diese zu finanzieren?
Müller: "Noch haben wir eine ungebrochene Nachfrage, und auch die Finanzierung ist kein Problem. Es ist klar, dass der Deckel abgeschafft wird, sonst wäre das für die Bundesregierung klimapolitisch ein Desaster. Dass er rechtzeitig gestrichen wird, glaube ich inzwischen nicht mehr. Das heißt: Auch wir werden voraussichtlich in dem Fall für einige Monate einen Einbruch haben.“
Behördenfehler schadet Windpark-Projekt
Solaranlage von solarcomplex. / Foto: Unternehmen
Nicht nur im Solarbereich, sondern auch im Bereich Windenergie agieren Regierungen und Behörden manchmal "unglücklich“. Ein Beispiel: Die solarcomplex AG hat das Windenergieprojekt Länge entwickelt, das aus sieben Anlagen bestehen soll. Im Dezember 2019 wurde vom Oberverwaltungsgericht in Mannheim entschieden, dass das von den Behörden vorgegebene Genehmigungsverfahren rechtswidrig war, und ein Baustopp verhängt.
Wie ist aktuelle Situation für das Windparkprojekt Länge? Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Konsequenzen für solarcomplex als Entwickler und 25-Prozent-Anteilsinhaber des Windenergieprojekts ein?
Müller: "Die Gesellschafter der Betreibergesellschaft werden demnächst entscheiden, wie sie mit der Situation umgehen. Da möchte ich der Gesellschafterversammlung nicht vorgreifen.“
Risiko niedriger Heizölpreis
Die solarcomplex AG hat in einigen ihrer frühen Bioenergiedörfer den Kunden garantiert, dass der vertraglich vereinbarte Lieferpreis nicht höher werde als der vergleichbare Preis bei Heizöllieferung. Derzeit sieht es danach aus, dass infolge des Rohölpreisverfalls der Heizölpreis bis zum Sommer noch unter das Preisniveau von 2016 fallen könnte. 2016 konnte das Unternehmen wegen des sehr niedrigen Ölpreises rund 500.000 Euro an Wärmeerlösen nicht abrechnen.
Mit welchen Einnahmeausfällen kalkuliert solarcomplex für 2020?
Müller: "Wir gehen von einer Größenordnung von 100.000 bis 200.000 Euro aus. Über 60 Prozent der Wärmekunden in den betroffenen Wärmenetzen haben inzwischen eine Zusatzvereinbarung mit uns abgeschlossen, welche einen Mindestpreis festschreibt. Insofern ist das Risiko für uns geringer und kalkulierbarer geworden.“
Planungen für Wärmenetzprojekte durch Corona nicht gestoppt
Befürchten Sie, dass Kommunen geplante regenerative Wärmenetze nun zunächst hinten anstellen könnten, weil der Ölpreis so niedrig ist oder weil Kommunen in der Corona-Krise eventuell andere Prioritäten setzen?
Müller: "Bei den aktuell in Planung befindlichen Projekten ist es genau andersherum. Die Bürgermeister wollen so schnell wie möglich in die öffentlichen Veranstaltungen gehen, da bremsen eher wir. Die Kommunen haben ja beim Bau eines Wärmenetzes kein eigenes Geld zu investieren. Im Gegenteil, sie erhalten eine – kleine – Konzessionsabgabe und können die eigenen Gebäude auch anschließen. Damit sparen sie, da die kommunalen Heizungsanlagen oftmals überaltert sind, die ansonsten erforderliche Ersatzinvestition in eine neue Heizungsanlage. Daher erwarten wir auch im Bereich Wärmenetze keinen negativen Auswirkungen durch Corona.“
Herr Müller, besten Dank für die Antworten!