Durch den Klimawandel kommt es häufiger zu Trockenphasen und Dürren. / Foto: Pixabay

  Meldungen, Gut erklärt - Klimawandel

Klima- und Risiko-Kommunikation: Werden wir aus Schaden je klug?

Sehenden Auges strebt die Menschheit der Klimakatastrophe entgegen. Die warnenden Stimmen werden zwar lauter, die moralischen Appelle dringlicher. Warum aber wird das, was als notwendig erscheint, nicht getan? Es gibt eine Menge Vorwände dafür – aber auch etliche Methoden, um die Blockaden aufzuheben.

Rauchen kann Krebs erzeugen. Das weiß man. Besser, Sie ließen es bleiben. Werden Sie aber nicht. Zumindest nicht, wenn wir es Ihnen hier sagen. Da müssten schon andere Argumente kommen, oder? Nehmen wir einen anderen Fall.

An der australischen Küste, nahe eines Sandstrandes, werden zwei Haie gesichtet. Die Zeitungen melden das, es werden Warnschilder aufgestellt. An dem australischen Strand badet keiner mehr.

Zwei Beispiele für Risiken und Gefahren; eine fast aussichtslose Risiko-Kommunikation und eine erfolgreiche. Warum wir Ihnen das schildern? Weil es zeigt, wie unterschiedlich der Mensch sich verhält, wenn es um seine eigene Gesundheit geht. Und weil die Unterschiede, auf die wir später zurückkommen werden, schon erahnen lassen, dass die Kommunikation über das Risiko Treibhausklima nicht einfach ist.

Jetzt wäre es wichtig, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, auch im Bereich der Kommunikation. Bisher weiß allerdings niemand, wie man so vor den Risiken durch die Klimaänderung warnt, dass sie sich nicht realisieren werden. Patentrezepte haben weder Sozialpsychologen, Verhaltensforscher noch Umweltwissenschaftler. Deshalb müssen wir über Risikokommunikation nachdenken. Um es anders zu sagen: Wir können heute das objektive Risiko Klimaänderung recht präzise einschätzen. Nun geht es darum, anderen, die das Klimarisiko subjektiv niedriger bewerten, unsere Risikosicht zu erläutern. Würde unsere Risiko-Kommunikation so gut funktionieren wie die Hai-Warnungen an australischen Stränden, wäre uns wohler. Die Wahrheit ist aber: Klimarisiken zu kommunizieren, ist ungefähr so schwierig wie Raucher von der Zigarette fernzuhalten. Warum eigentlich?

Die Achillesferse des Planeten


Die Schäden durch schwere Unwetter nehmen zu. / Foto: Pixabay

Beginnen wir bei den Fakten: Wir haben längere Trockenphasen und Dürren im Sommer, dauerhafte Regenperioden und Überschwemmungen im Winter, häufigere Wirbelstürme, Orkane und Sturmfluten. Alleine in den USA lebt heute die Hälfte der Bevölkerung an den gefährdeten langgestreckten Küsten zum Atlantik und zum Pazifik hin. Die Schäden infolge von Naturkatastrophen (Hurrikane, Blizzards, Tornados, Überschwemmungen) steigen von Jahr zu Jahr, und sie klettern immer schneller. Die Zahl der Schadensereignisse hat sich im Vergleich zu den 60er Jahren verdreifacht. Lediglich zwei der letzten 34 Größtkatastrophen mit mehr als einer Milliarde Schaden wurden durch Erdbeben verursacht. Alle 32 anderen Größtschadenereignisse waren klimatisch bedingt. Das heißt: Die Achillesferse der Menschheit, was Bedrohungen durch die Natur betrifft, ist der Luftraum um und über uns. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen großer Naturkatastrophen haben sich inflationsbereinigt in den 80er Jahren gegenüber den 60er Jahren verdreifacht. In den 90er Jahren haben sie sich sogar verachtfacht bzw. verfünfzehnfacht. Und seitdem setzt sich dieser Anstieg mit der gleichen Sprunghaftigkeit fort. In den Jahren 1998 bis 2018 lagen die jährlichen Schadensbelastungen im Schnitt bei 160 Milliarden Dollar.

Klima: Noch Risiko oder schon Krise?

Ist es angesichts dieser Fakten überhaupt noch gerechtfertigt, von „Risiko“-Kommunikation zu sprechen? Schließlich bezeichnet der Begriff „Risiko“ die Möglichkeit, dass eine Aktivität zu einem Schaden führt oder mit anderen Nachteilen verbunden ist. Da die Naturkatastrophen nicht mehr nur möglich sind, sondern Realität, könnte man tatsächlich schon von „Krisen“-Kommunikation sprechen – wenn der Treibhausklimaeffekt nicht eine besondere Dimension der Gefahr mit sich brächte: Er ist von globaler Reichweite, und er ist, wenn nicht schnell Gegenmaßnahmen getroffen werden, nicht umkehrbar. Insofern steht die Menschheit vor einer neuen Situation. Erstmals hat sie so weit in die Natur eingegriffen, dass deren System dauerhaft geändert wird. Die wahre Krise droht also erst. Und sie wird alle vorhandenen Risikokalkulationen unterlaufen. Das Treibhausklima ist weder örtlich noch zeitlich eingrenzbar, es ist keinen einzelnen Verursachern zuzurechnen, es ist weder kompensierbar noch versicherungsfähig. Warum dennoch Bevölkerung, Politik und Wirtschaft auf der ganzen Welt nicht alles unternehmen, um diese Risiken gar nicht erst entstehen zu lassen, das soll an einigen Beispielen erläutert werden:

Psychologie: Von Lappalien und Nichtstun

Wissen braucht oft einen sehr langen Weg, bis es sich als wissen-gemäßes Handeln wiederfindet. Unterwegs dahin kommt ihm eine Menge in die Quere: Leichtsinn, Egoismus, Ignoranz, Verantwortungslosigkeit und immer wieder die Hoffnung, die Ausnahme in der Risikostatistik zu sein. Deshalb werden gesperrte Pisten befahren, deshalb steigt die Zahl der Aidsinfizierten wieder, deshalb werden Vorsorgeuntersuchungen zu wenig genutzt. Und beim Klima scheinen angesichts der riesenhaften Aufgabe auch große Schritte klein. Wenn eine Klimakonferenz festlegt, dass die globalen Emissionen um 5,2 Prozent gesenkt werden sollen, mag das winzig klingen, da man weiß, dass sie um 50 oder 60 Prozent sinken müssten. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, die kleinen Schritte als Lappalie zu bezeichnen, und die großen Schritte dürfen nicht zum Alibi für Nichtstun werden, nach dem Motto – wenn wir heute nicht die 5 Prozent erreichen, obwohl 60 Prozent nötig wären, können wir es gleich ganz lassen.

Das Allmende-Dilemma


Windräder in Dänemark. / Foto: Vestas

Früher gab es in Dörfern die Allmende. Das waren Weiden, auf die jeder Dorfbewohner sein Vieh treiben durfte. Diejenigen, die die Allmende besonders pflegten und schonten, hatten mehr Aufwand als andere, aber keinen höheren Nutzen. Wer dagegen mehr Schweine oder Kühe auf die Weiden trieb als die anderen, hatte den größten Vorteil von der Allmende – zum Schaden der anderen. Hielten sich bei der Allmende alle an die Regeln, hatten alle den gleichen Nutzen. Wer aber die Regeln nicht einhielt, der hatte den größten Nutzen. So ähnlich funktioniert es beim Klimaschutz: Derjenige, der heute als Verbraucher durch Verzicht auf Energieverbrauch, beispielsweise durch energieeffizientere Geräte zum Klimaschutz beiträgt, betreibt Aufwand, während der Nutzen allen zugute kommt. Oder, auf der internationalen Ebene: Wenn alle Staaten sich bemühten, zum Klimaschutz beizutragen und viel investieren würden, wäre das Problem zu lösen. Der Außenseiter-Staat jedoch, der nicht mitmachen und investieren würde, würde profitieren, ohne zu zahlen. Die Folge: Keiner ist geneigt, anzufangen. Zu lösen ist dieses Problem vor allem dadurch, dass die Verursachung der Probleme teuer gemacht wird, z.B. durch höhere Belastung der Schadstoff-Emittenten. Also durch höhere Preise für alles, was zum Treibhausklima beiträgt. Und auf internationaler Ebene kann es durchaus sinnvoll sein, mehr für die Allgemeinheit zu tun als der Durchschnitt, weil dadurch langfristig technologische Vorreiter-Positionen erobert werden können. So wurde das kleine Land Dänemark nicht zuletzt aufgrund seiner politischen Bemühungen um Klimaschutz in den 90er Jahren zum Weltmarktführer bei der Herstellung von Windkraftanlagen.

Verlierer und Gewinner

Wenn Kohlendioxid-Emissionen eine der Hauptursachen für die Klimaveränderung sind, dann muss sich jede Industrie, die in einem Zusammenhang mit Kohlendioxid-Emissionen steht, an den Pranger gestellt sehen. Diese Branchen bilden die Säulen der Industriegesellschaften. Soll man erwarten, dass Nationen einfach die Erdölförderung aufgeben? Dass die Kohleindustrie auf Widerstand verzichtet und sich still fügt? Dass Autohersteller die Fließbänder anhalten? Das ist unrealistisch. Es würde zudem die Weltwirtschaft in eine Krise ungeahnten Ausmaßes stürzen. Nicht zuletzt das Arbeitsplatz-Argument „Wir können uns solchen Umweltschutz nicht leisten“, würde berechtigterweise bemüht werden. Die Lösung kann daher nur in einem gleitenden Verfahren bestehen. Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energie beispielsweise müssen schrittweise Stellen ersetzen, die in anderen Bereichen verloren gehen. Die Abwehr des Klimawandels bietet die Chance, neue Technologien und Märkte zu erschließen. Das ist ein Kampf mit Geld und Worten. Von alleine werden die sauberen Technologien ihn nicht gewinnen.

Widersprüchliche Wissenschaft

Das Dilemma der Wissenschaftlichkeit besteht wohl darin, dass es ohne nicht geht und dass sie gleichzeitig dafür sorgt, dass das Thema in endloser Relativierung zerrieben wird. Dabei hat das "Intergovernmental Panel on Climatic Change", ein von den Vereinten Nationen eingesetztes Forschergremium, Fakten vorgelegt, die den Klimawandel beweisen. Einige Wissenschaftler behaupten jedoch, man müsse von anderen Fakten ausgehen. Hierauf verweisen jene, die Konsequenzen vermeiden wollen, bis „wissenschaftliche Klarheit“ herrsche. Meist steckt Geld hinter solchen – mittlerweile widerlegten – Ansichten. Viel Geld. Sicherheit und totale Gewissheit kann es nicht geben: Niemand wird in einem naturwissenschaftlichen Experiment die Erde und das Klima simulieren können. Wir sind bereits mittendrin in diesem Experiment, aber noch können wir den Ausgang steuern.

Was ist zu tun?

Klimaschutzinitiativen und Vorsorgeprojekte unterstützen, die das Übel von der Wurzel her anpacken. Solaranlagen betreiben, Grünen Strom beziehen.

Wie Sie mit Ihrer eigenen Geldanlage dem Klimawandel entgegentreten können, beschreibt die ECOreporter-Redaktion beispielsweise in den folgenden drei Artikeln:

Klima-Geldanlage: Drei ECOreporter-Redakteure stellen ihre persönlichen Lieblinge vor
Grün anlegen: So einfach geht es!
Nachhaltig anlegen mit festem Zins: Sechs Wind- und Solar-Anleihen

Packen Sie es an. Wenn nicht Sie – wer sonst?


Autor: Jörg Weber, Chefredakteur ECOreporter.de

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