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Leonidas und die heimliche Goldader – so organisieren sich die Anleger
Manchmal liefert die Finanzwelt den Stoff für verwickelte Recherchen, detaillierte Dokumentationen oder armdicke Dossiers. Auch der Fall Leonidas hätte das Zeug dazu. Allemal von der Summe her: Es geht um weit über 500 Millionen Euro, die etwa in Wind- und Solarparks investiert wurden.
Die Grundkonstellation gibt bereits genug her, geht es doch um Hunderte Frauen und Männer, die Unterlagen würden ganze Aktenkeller füllen. Und dann noch der Boden, auf dem sich das alles ausbreitet: Investitionen in mehreren Ländern, unterschiedlichsten Projekten, ein Firmengeflecht wie ein in Kleber getauchtes Wollknäuel. Und jedem, der versucht, etwas zu entwirren, läuft die Zeit davon. Selbst kleinste Auskünfte zu erhalten ist wie der Kampf mit dem Mozzarella auf der heißen Pizza: Es zieht sich und zieht sich und zieht sich lang und länger.
Dabei ist das Ganze eigentlich nur ein schauriges Drama – im Vordergrund das Geld, im Hintergrund die Gier. Und wie ein Theaterstück sei es hier in aller Kürze erzählt. Nur der vorläufige Höhepunkt des nächsten Aktes sei hier vorab verraten: Denn am kommenden Samstag (29. Oktober) trifft sich die Interessengemeinschaft der Anlegerinnen und Anleger von Leonidas, um ihren Einfluss weiter zu organisieren.
Das Thema
Vordergründig geht es beim Leonidas-Drama um 15 geschlossene Fonds und ein Nachrangdarlehen. Die Finanzprodukte heißen Leonidas 1 bis 18, nummeriert mit römischen Ziffern und kleinen Lücken in der Reihenfolge. Das Eigenkapital der Fonds reicht von 660.000 Euro bis fast 22 Millionen Euro. Zusammen mit dem Nachrangdarlehen sind es fast 180 Millionen Euro. Ein großes Ding, das da gedreht wurde. Das Geld ist in Solar- und Windkraftwerke in Deutschland, Italien und Frankreich geflossen. Dazu in Wasseraufbereitung in Kanada, den USA und Gibraltar.
Auf den entsprechenden Internetplattformen wurden die Finanzprodukte beschrieben, als ginge es darum, mit mindestens 10.000 Euro etwas zur Rettung der Welt beizutragen: Da wurde beklagt, über eine Milliarde Menschen hätten keinen Zugang zu Trinkwasser; sauberes Wasser und sanitäre Anlagen seien in vielen Ländern der Welt Mangelware, und der geschlossene Wasserfonds Leonidas Associates VII H2O biete Privatanlegern erstmals die Möglichkeit, direkt in ein Portfolio aus Anlagen zur Wasseraufbereitung und Wasserversorgung zu investieren. Ein „inflationsgesicherter und teilweise mit staatlich garantierten Einnahmen gestützter Markt, der bis dahin institutionellen Großanlegern und internationalen Versorgungunternehmen vorbehalten“ gewesen sei. Das Ganze sei eine nachhaltige, ökologische, ökonomische und sozial sinnvolle Anlagestrategie, verbunden mit einer Ausschüttungsprognose von 403 Prozent vor und über 360 Prozent nach Steuern.
Vermittler skizzierten Leonidas-Windparks beispielsweise als „Projekte aus einer sehr erfolgreichen Windenergie-Reihe“, mit Standorten, die gekennzeichnet seien durch eine konstant hohe Winderwartung. „Gute Voraussetzungen für eine stabile Stromproduktion und somit regelmäßige Ausschüttungen für Sie als Anleger! Geplante Ausschüttung von 8 Prozent ab dem ersten vollen Geschäftsjahr.“
Zu den insgesamt fast 180 Millionen Euro Eigenkapital kamen bei den Leonidas-Projekten knapp 400 Millionen Euro Kredite – die beteiligten Banken finanzierten fleißig. Es geht also um ein Gesamtinvestitionsvolumen von mehr als 570 Millionen Euro.
Das Anlagepublikum und seine Anlage
Ein geschlossener Fonds zahlt in der Regel jährlich an die Anlegerinnen und Anleger Geld zurück, die in ihn investiert haben. Einerseits soll man Zinsen für das Kapital erhalten, andererseits wird die Anfangssumme Stück für Stück zurückgezahlt, meist in den letzten Jahren der Laufzeit mehr als am Anfang. So weit der Plan und die Verlockung. Die versprochenen gut 400 Prozent Ausschüttungsprognose für den Leonidas-Wasserfonds etwa hätten bedeutet, dass pro 10.000 investierte Euro gut 40.000 Euro zurückfließen sollten – die 10.000 Euro der Anlegerin oder des Anlegers plus die summierten Zinsen von rund 30.000 Euro über etwa zwei Jahrzehnte.
Klingt gut, ist in der Realität aber meist ein zerplatzter Traum. Denn für die Leonidas-Finanzprodukte erhielten die Anlegenden laut den ECOreporter vorliegenden Informationen in der Summe bisher deutlich weniger als versprochen. Teilweise war es nur ein Zehntel oder gar noch weniger.
Die Goldader
Wer beispielsweise Solar- oder Windanlagen bauen will und nicht genug eigenes Geld dafür hat, der kann geschlossene Fonds als Konstruktion wählen und sich die Investitionskosten mit weiteren Investoren teilen. Anlegende liefern das Eigenkapital, man beschreibt das Projekt in einem umfangreichen Prospekt, den fast niemand liest und der nahezu alle Risiken für die Initiatoren ausschließt, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genehmigt es, prüft aber nicht, ob das Ganze auch wirtschaftlich tragfähig ist, die Banken pumpen Kredite hinein – los geht es. Jeder, der daran beteiligt ist, bekommt sein Stück vom Geldkuchen ab. Als Letzte in der Reihe die Anleger und Anlegerinnen, wenn die Kraftwerke später Strom liefern und der verkauft wird.
Doch was bekommt eigentlich die Initiatorin, diejenige, die sich das alles ausgedacht hat und während der Laufzeit verantwortet? Macht sie das alles nur, um die Energiewende voranzutreiben? Verdient sie später am Stromverkauf auch nur dann, wenn die Anlegerinnen und Anleger verdienen? Beides nicht so direkt. Warum also nimmt jemand es auf sich, Erneuerbare-Energie-Kraftwerke in mehreren Ländern zu planen, zu realisieren und jahrzehntelang zu verwalten? Es gibt verschiedene Konstruktionen, um hier als Fondsmanagement an das große Geld zu kommen. Meist ist die Goldader da, wo man erstmals auf sie stößt, sehr unscheinbar, kaum wahrzunehmen. Sie versteckt sich bei geschlossenen Fonds oft hinter Begriffen wie „Anlegerverwaltung“, „Geschäftsführung“, „Buchhaltung“, „Asset Management“ oder „kaufmännische und technische Betriebsführung“, für die meist eigene Dienstleistungsgesellschaften eingesetzt werden. Das alles ist nötig, denn irgendwer muss bei Kraftwerken die Servicetechniker beauftragen, bei Fonds die Steuererklärung anfertigen lassen, die Anlegenden betreuen. Und vieles, vieles mehr.
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Das liest sich dann bei einem Bericht zu dem Windfonds Leonidas Associates XII GmbH & Co. KG etwa so:
- Technische Betriebsführung (erstes Jahr): 2.400 Euro
- Kaufmännische Betriebsführung (erstes Jahr): 6.350 Euro
- Fondsgeschäftsführung und Anlegerbetreuung: 4.800 Euro
Jedes Jahr steigen die Kosten für Wartung und Instandhaltung, technische und kaufmännische Betriebsführung laut Kalkulation um 1,5 bzw. 2,0 Prozent für Fondsgeschäftsführung und Anlegerbetreuung.
Das sind 13.550 Euro pro Jahr. Eine Goldader? Nein – höchstens ein Nugget. Ein sehr kleines. Oder? Eben. Denn die 13.550 Euro fallen an für jedes Megawatt Nennleistung des Windparks. Da es um einen Windpark mit zehn Windanlagen je zwei Megawatt Nennleistung geht, sind es 20 Megawatt. Das sind zusammengerechnet 271.000 Euro oder auch einige Prozent des platzierten Eigenkapitals – jedes Jahr. Und das ist nur ein Fonds von vielen.
Bei den Leonidas-Windfonds werden die Kosten pro Megawatt Leistung der Windräder abgerechnet. / Foto: Leonidas
Lässt man die kleinsten Fonds von Leonidas weg, berechnet man auch einen weiteren undurchsichtig verkauften Windpark und eine insolvente Gesellschaft nicht mit ein, bleiben noch zwölf Fonds. Wenn sie alle so berechnet würden wie das oben skizzierte Windfonds-Beispiel, dann könnte es mittlerweile um 3 Millionen Euro gehen, über die das Fondsmanagement gebieten könnte. Pro Jahr, wohlgemerkt. Und alles aus den Erträgen des Stromverkaufs.
Auch wenn die Sonne kostenlos strahlt und der Wind nichts berechnet: Die Kraftwerke müssen gewartet werden. Für den schon genannten Windfonds fallen für Wartung und Instandhaltung 25.000 Euro an, im Durchschnitt pro Jahr für die Dauer des Vollwartungsvertrages. Da kommen laut Vorabkalkulation noch einmal einige hunderttausend Euro im Jahr zusammen, die von den Erträgen abgezogen werden. Für einen einzigen Fonds. Für eine Vielzahl von Fonds ergibt das in Summe einen Betrag von etlichen Millionen jährlich, die die Fondsgeschäftsverantwortlichen durchschleusen oder kassieren. Und das kann dann alles in allem eine ordentliche Goldader sein.
Der Kampf von Gut und Böse
Wind- und Solarfonds sind rechtlich meist GmbH & Co. KGs. Die Anlegenden sind sogenannte Kommanditisten, die Geld hineinschießen. Sie unterschreiben einen vorformulierten Gesellschaftsvertrag, auf dessen Gestaltung sie keinen Einfluss haben. Die Kommanditisten haben nur wenig Rechte, die sie etwa über einen Beirat wahrnehmen können. Aufgrund ihrer großen Anzahl ist die Bündelung von Stimmmehrheiten auf Eigeninitiative der Anlegerinnen und Anleger in der Regel unmöglich zu organisieren. Teilweise sind sie auch nur mittelbar über einen Treuhänder vertreten. Die Herrschaft haben die Gesellschafter der sogenannten Komplementär-GmbH, also der GmbH im Konstrukt der GmbH & Co. KG. Das sind die Initiatorinnen oder Gründungsgesellschafterinnen. Mit anderen Worten: Gesellschafterinnen und Geschäftsführung der GmbH sind die Bestimmer.
Und wenn die Projekte nicht das erbringen, was Anlegerinnen und Anlegern versprochen wurde – was sollen sie tun? Sie haben ja kaum Rechte. Sie erfahren wenig, sie sehen meist nichts von Kosten und Einnahmen, sie wissen nicht, warum die Anlagen und Erträge nicht so laufen, wie sie sollen. Vor allem dann, wenn es sich gesellschaftsrechtlich wie im Fall Leonidas nicht nur um zweistöckige, sondern sogar um dreistöckige Fondsstrukturen handelt. Wer den Anlegenden Böses will, hat alles in der Hand, die Kommanditisten haben dagegen kaum eine Waffe.
Der edle Ritter
Bei Leonidas kämpfen verschiedene Parteien schon lange gegeneinander. Die Generäle der einzelnen Streitmächte seien hier ausgespart, das Schlachtengetümmel ist zu vielfältig für etwas anderes als eine telefonbuchdicke Abhandlung. Nur eine Partei sei hier erwähnt: die der Anlegenden. Etliche von ihnen haben sich in der Interessengemeinschaft Leonidas, kurz IG-Leo, zusammengefunden.
Die IG-Leo hat nun mit den aufgebauten Mehrheiten und mit der Unterstützung der Treuhandgesellschaften einen Weg gefunden, um im Kampf um ihr Geld teilweise Waffengleichheit zu erzielen: Es sollen parallele Komplementärgesellschaften eingesetzt werden, deren Anteile den Fonds und damit unmittelbar den Anlegenden übertragen sind. Die von den Anlegerinnen und Anlegern selbst eingesetzten und über Gesellschafterversammlungen direkt kontrollierbaren Geschäftsführungen dieser Gesellschaften hätten dann die Macht.
Die Aussicht darauf hat in dem Konflikt bereits dazu geführt, freiwillig auf neue Geschäftsführungen in den Betriebsgesellschaften der einzelnen Wind- und Solarparks in Italien und vor allem in Frankreich zu setzen – also genau dort, wo das Geld verdient und bislang intransparent offensichtlich auch wieder ausgegeben wird.
Zudem soll es nun auch zu einem Wechsel im Asset Management und damit im Zentrum des bisherigen Fondsmanagements kommen. Zwei renommierte Experten wollen sich dazu am nächsten Samstag, 29. Oktober, den Leonidas-Anlegenden vorstellen. Die Informationsveranstaltung beginnt um 11 Uhr im IntercityHotel Frankfurt Hauptbahnhof Süd, Mannheimer Str. 21 in Frankfurt (www.ig-leo.de/infoveranstaltung). Präsentieren werden sich die Verantwortlichen der CAV Partners AG aus Zeitlarn bei Regensburg als designierte Geschäftsführungen der Betriebsgesellschaften und die Boreas S.r.l., eine hundertprozentige Tochter der großen Boreas Energie GmbH, die spezialisiert ist auf Erneuerbare-Energie-Kraftwerke und sich für die Nachfolge im Asset Management bewerben will. CAV- und Boreas-Vertreter sollen nach den Vorstellungen der in der IG-Leo gebündelten Mehrheiten künftig die Geschicke der Kraftwerke zum Wohle der Anlegenden steuern.
Noch kein Finale Furioso
Auch am kommenden Samstag wird es in dem Drama um die Leonidas-Anleger-Millionen keine endgültige Lösung geben. Aber Anlegende sollten Hoffnung bewahren: Einige Kraftwerke der Fonds laufen nicht schlecht, und mit kompetenter technischer und kaufmännischer Betreuung könnten neue Ergebnisse zu erzielen sein. Und wer denkt, das Geld ist doch sowieso verloren, warum sich noch die Mühe machen, die oder der sollte im Kopf behalten: Wer sich bei der Geldanlage nicht wehrt, lebt verkehrt.