ECOreporter-Gründer und -Chefredakteur Jörg Weber. / Foto: ECOreporter

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20 Jahre ECOreporter: Vom Wachhund bis zu bissigen Vorständen

Wie kann man denn eine ganze Redaktion jeden Tag nur mit grünen und ethischen Geldanlagen beschäftigen? Gibt es da überhaupt genug Nachrichten? Das haben Journalistenkollegen 1999 gefragt, nach der Gründung von ECOreporter.de. Tatsächlich, es gab sie. Kleine Umwelt-Aktiengesellschaften, jede Menge Windfonds, grüne Start-ups, die Vorstellung des Dow Jones Sustainability Index, die erste Messe Grünes Geld: Es war viel los, als ECOreporter startete.

Wie kann man 20 Jahre lang über nachhaltige Finanzen schreiben, wie langweilig ist das denn? Das wollen Kollegen heute wissen. Nun ja. Einen gewissen Wiederholungseffekt gibt es manchmal. Insbesondere bei Aktienfonds. Da dreht sich die Welt doch recht langsam. Die Best-in-Class-Methode, nach der die Fonds in die besten Unternehmen ihrer Branche investieren, ist ja auch etwa 20 Jahre alt. Und liefert immer noch teilweise seltsame Ergebnisse, wenn da ein Ölkonzern in einem nachhaltigen Fonds auftaucht. Erstaunlich, dass das auch 2019 immer wieder zu notieren ist.

20 Jahre Berichterstattung über nachhaltige Geldanlage hinterlassen derzeit vor allem einen Eindruck: Das Tempo bei der Nachhaltigkeit ist sehr unterschiedlich. Grüner Strom ist, das berichten wir gerne, von circa 4 auf über 40 Prozent Marktanteil gewachsen. Zu langsam, aber schneller als 1999 erwartet. Der Klimaschutz wiederum tritt – global gesehen - auf der Stelle. Denn die Treibhausgasemissionen sind weltweit in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen. Noch ein Beispiel für diese Welt der unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Die breite Masse der Unternehmen hat in den letzten 20 Jahren in Deutschland und anderswo Umweltmanagementsysteme eingeführt hat, dazu Nachhaltigkeitsberichte und -leitlinien.

Aber die Finanzbranche in Deutschland hat das nahezu komplett verschlafen. Fondsgesellschaften mit Leitlinien zur Nachhaltigkeit? Kann man mit der Lupe suchen. Was in der Industrie Standard ist, gilt in der Finanzindustrie noch lange nicht. Und wer die Hälfte eines Tages mit Pressegesprächen bei einer grünen Bank oder einer Kirchenbank verbringt und die andere Hälfte bei einer konventionellen Bank, der hat das Gefühl, er hätte zwischendurch den Planeten gewechselt. Von daher: Nein, Langeweile kommt nicht auf. Es bleibt viel zu berichten.


Aktuelles ECOreporter-Magazin. / Foto: ECOreporter

Rollade runter

Einige ECOreporter-Meilensteine der letzten 20 Jahre: Anfang des Jahrtausends entwickelt ECOreporter im Auftrag zweier großer deutscher Magazine die Testmethodik für Windfonds und später für Solarfonds. Durchführungen der Tests folgen, teilweise sind 20 geschlossene Erneuerbare-Energie-Fonds gleichzeitig am Markt. Daraus entwickelt ECOreporter die ECOanlagechecks, auch heute noch der Test-Standard für nachhaltige AIF, Nachrangdarlehen, Genussscheine, Anleihen und andere Produkte.

Über die Jahre hat ECOreporter einen Großteil dieses Marktes mit ECOanlagechecks getestet. 2004 lässt ECOreporter die Rolllade vor der Internetseite herunter: Lesen kann nur noch, wer dafür bezahlt. Die doch unerwartete Reaktion vieler Leser ist Lob. Auch dafür, dass ECOreporter versucht, von Werbeeinnahmen unabhängig zu werden. Nach einigen Jahren entwickeln sich die Abos zur wichtigsten Einnahmequelle von ECOreporter – finanziell steht der Verlag auf tausenden kleinen Beinen, kein Großkunde kann Druck ausüben.

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

Was ein tobender Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft allerdings versucht. Er ist wenig begeistert davon, seine Firma bei ECOreporter in der bundesweit bekannten Wachhund-Rubrik zu sehen. Er hetzt seine Anwälte mit einer Schadensersatzforderung auf  ECOreporter. Verbunden mit dem moralischen Argument, Erneuerbare Energie sei doch nötig, warum ECOreporter seine Firma kritisiere? Weil die Redaktion sich einen Grundsatz des Tagesthemen-Moderators Hanns Joachim Friedrichs (1995 verstorben) zu Herzen nimmt, der lautet: Nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten. Wobei dieser Wachhund-Fall keine gute Sache war.


ECOreporter-Crowdtest. / Foto: ECOreporter

Der Vorstandsvorsitzende wandert daher auch wenig später ins Gefängnis, seine Anwälte ziehen ihre Waffen gegen ECOreporter zurück, die Wachhund-Rubrik beißt weiter. 2008 wird Bootsmann geboren, der aktuelle Wachhund, der den ersten Wachhund Pino ablöst. Der Berner-Sennenhund-Husky-Mischling ist allerdings immer noch auf den Wachhund-Bildern zu sehen. Denn Bootsmann ist als komplett schwarzer Hovawarth fotografisch schlicht nicht das ideale Abbild eines Wachhundes.

2006 startet ECOreporter den Fernlehrgang ECOanlageberater, der zum/zur Fachberater/in für nachhaltige Geldanlage qualifiziert. Es ist immer noch der einzige von der Zentralstelle für Fernunterricht (einer Bundesbehörde) zugelassene Fernlehrgang zu diesem Thema in Deutschland. 550 Absolventen bisher – nicht wenig, aber es bleibt doch noch viel zu tun für die nachhaltige Finanzberatung.

Ein Abgrund an Grünwäscherei

2013 startet das ECOreporter-Siegel für nachhaltige Geldanlagen. Es ist streng, es ist selten, es wird hochgelobt – wer es sich verdient hat, schmückt sich gerne damit. 2014 entwickelt ECOreporter die ECOfondstests, um nachhaltige Aktienfonds nach einem einheitlichen Standard zu vergleichen. Fonds-Vergleichstests und Einzeltests lösen begeisterte Lesezuschriften aus. In den Folgejahren entwickelt die Redaktion das Testschema für andere Fondsarten aus, etwa für Mischfonds und Mikrofinanzfonds.

2015 entwickelt ECOreporter das "Favoriten-Schema": Für viele Produktkategorien gibt es nun jeweils Favoriten-Produkte, um Lesern eine kleinere Auswahl an guten, nachhaltigen, finanziell erfolgreichen zu zeigen. 2019 startet ECOreporter ein Testschema für Crowd-Investments, da diese Branche sich schnell entfaltet und Laien die Angebote nur schwerlich beurteilen können. Und letztlich widmet sich ECOreporter den nachhaltigen ETFs. Mit erschreckenden Ergebnissen: Dass gestandene Redakteure nach 20 Jahren ECOreporter über einen Abgrund an Grünwäscherei erstaunt sind, das war überraschend.

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