Aker Carbon Capture will mit seiner Technologie entscheidend helfen, den Klimawandel aufzuhalten. / Foto: Unternehmen

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Aker Carbon Capture: Wegen der Speicherung von CO2 ein Klimaretter-Investment?

Das norwegische Unternehmen Aker Carbon Capture ist spezialisiert auf CO2-Abscheidung und will emissionsintensive Industrien umweltfreundlicher machen. Ein Konzept mit Zukunft und guten Investmentchancen? Seit diesem Jahr ist die Aktie auch in Deutschland handelbar.

Im Mittelpunkt des Geschäftsprinzips von Aker Carbon Capture steht eine Technik namens Carbon Capture and Storage (CCS), also Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Das Unternehmen installiert seine Anlagen dabei etwa auf Müllverbrennungsanlagen oder in Zementwerken und fängt das ausgestoßene CO2 auf. Dieses kann anschließend für andere industrielle Prozesse genutzt oder – theoretisch – eingelagert werden.

Gefahren für die Umwelt

Eine solche Speicherung geschieht unterirdisch und ist an Land, etwa in ausgebeuteten Gas- oder Erdöllagerstätten, oder im Meeresuntergrund möglich. Allerdings ist diese Technik immer noch im Erprobungszustand, auch wegen ernster Umweltrisiken.

Denn: Durch Lecks können Gefahren für Grundwasser und Boden entstehen. So kann entweichendes CO2 etwa Schadstoffe im Untergrund freisetzen oder salziges Grundwasser verdrängen, wie das Umweltbundesamt erklärt. Das kann zu Versalzungen im Grundwasser, in Böden und Oberflächengewässern führen.

Die CO2-Speicherung ist in Deutschland bislang auch nur in begrenztem Maße und lediglich zu Test- und Demonstrationszwecken möglich. Unter anderem existiert noch kein effektives System für die unbedingt notwendige dauerhafte Beobachtung (Monitoring) der Speicher. Diese ist hochkomplex und „scheint bislang nur schwer umsetzbar zu sein“, wie das Umweltbundesamt festhält.

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Mittlerweile existiert in Deutschland ein eigenes Kohlendioxid-Speicherungsgesetz. Dieses setzt EU-Richtlinien um, die das Verfahren im gesamten Staatenbündnis einheitlich regeln sollen. Unter anderem müssen CO2-Speicher alle einzeln genehmigt werden.

Aker Carbon Capture konzentriert sich mit seinen Angeboten in erster Linie auf das technische Verfahren zur CO2-Abscheidung. Für Kohlenstofftransport und -speicherung arbeitet das Unternehmen mit Partnern zusammen, etwa den Gas- und Ölproduzenten Wintershall Dea aus Celle oder Ineos Öl & Gas aus Großbritannien, die an entsprechenden Pilotprojekten EU-weit beteiligt sind.

Hervorgegangen ist Aker Carbon Capture aus einer Sparte des norwegischen Industriekonzerns Aker Solutions, das (wenig nachhaltig) insbesondere technische Lösungen für Energiekonzerne anbietet, etwa Ölbohrungen an Land und im Meeresboden. Aker Carbon Capture ist seit August 2020 an der Börse. Nach eigenen Angaben verfügt das Unternehmen über mehr als 20-jährige Forschungserfahrung mit der CCS-Technologie, seit 2009 wird ein selbst entwickeltes Verfahren kommerziell angeboten. Aker beschäftigt lediglich 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

In den ersten neun Monaten 2021 erzielte Aker bei einem Umsatz von 233,6 Millionen Norwegischen Kronen (22,9 Millionen Euro) einen Verlust von 127,6 Millionen Kronen (12,5 Millionen Euro). Bei möglichen Kunden konzentriert sich das Unternehmen besonders auf die Zementindustrie, Biomasse- und Gaskraftwerke sowie Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas, oft als „blauer Wasserstoff“ bezeichnet.

Gewinnzone nicht in Sicht

In kommerziellem Betrieb ist allerdings noch keine der Aker-Anlagen. Ein Leuchtturmprojekt entsteht aktuell mit dem Heidelberger Zementhersteller HeidelbergCement im norwegische Brevik: Am dortigen Zementwerk soll die weltweit erste Anlage zur CO2-Abscheidung im industriellen Maßstab errichtet werden. Es ist geplant, jährlich 400.000 Tonnen CO2 abzuscheiden und zur dauerhaften Lagerung zu transportieren. Den Betrieb aufnehmen soll die CCS-Anlage 2024.


Werk von HeidelbergCement im norwegischen Brevik. Die bislang größte CCS-Anlage von Aker Carbon Capture soll hier 2024 den Betrieb aufnehmen. / Foto: HeidelbergCement

Weitere Pläne existieren etwa mit dem britischen Recycling- und Entsorgerkonzern Viroidor, der die CCS-Technologie an mehreren Standorten einsetzen möchte, oder mit dem dänischen Energiekonzern Orsted, der den Einsatz von Aker-Technik für eines seiner Biomassekraftwerke prüft.

Bis 2025 will Aker Verträge zur Abscheidung von 10 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abschließen. Für die Kohlenstoff-Speicherung sind europaweit laut Aker 13 Projekte in der Entwicklung oder in Planung. Eine Prognose, wann erste Gewinne erwartet werden können, gibt das Unternehmen nicht ab.

Aker setzt darauf, dass Investitionen in seine Technologien für Unternehmen langfristig günstiger sein werden, als CO2-Zertifikate zu bezahlen. Die Analystenschätzungen für den CO2-Preis im Jahr 2030 reichen von 75 bis 130 Euro pro „Verschmutzungslizenz“. Die Internationale Energieagentur fordert einen Preis von etwa 110 Euro.

Um Emissionen in die Atmosphäre ausstoßen zu dürfen, müssen Unternehmen in der EU seit 2005 Emissionsrechte in Form von CO2-Zertifikaten vom Staat oder von anderen Unternehmen kaufen. Der Preis dieser Zertifikate soll Druck auf Unternehmen ausüben, Emissionen einzusparen. Mehr dazu und ob es für Privatanlegerinnen und -anleger eine attraktive Möglichkeit gibt, vom Emissionshandel zu profitieren, erfahren Sie hier.

Aker rechnet zudem damit, dass die CCS-Technologie im Rahmen der EU-Klimaziele von Fördermitteln des Staatenbundes profitiert. Die EU-Taxonomie dürfte Aker zufolge wohl auch zulassen, dass Unternehmen zur Finanzierung von CCS-Technologie Green Bonds herausgeben können, also zweckgebundene Anleihen, mit denen etwa Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden.

Aktie 509 Prozent im Plus – Umweltbundesamt ist skeptisch

Welches Potenzial Analysten in Aker sehen, zeigt der Aktienkurs des Unternehmens: Seit dem Start an der Heimatbörse Oslo im August 2020 hat die Aktie 509 Prozent an Wert gewonnen und stieg von 5,05 bis auf 30,76 Norwegische Kronen (Stand: 30.11.2021, 16:29 Uhr). An der Börse Frankfurt ist die Aktie seit Mai 2021 handelbar. In diesen sechs Monaten stieg der Kurs um 63 Prozent, die Aktie kostet aktuell 2,91 Euro (Stand: 30.11.21, 20:43 Uhr). Die Aktie ist dabei aber ein hochspekulatives Investment.


Im Technology Centre Mongstad in Norwegen unterhält Aker Carbon Capture die weltweit größte Forschungsanlage für Kohlenstoffabscheidung. / Foto: Aker Carbon Capture

Wie groß ist das Potenzial der CCS-Technologie im Kampf gegen den Klimawandel wirklich? Wissenschaftler schätzen dem Umweltbundesamt zufolge, dass mit der CCS-Technologie und der unterirdischen Speicherung 65 bis 80 Prozent des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden können.

Allerdings ist noch keineswegs geklärt, ob die Technologie dieses Versprechen auch tatsächlich einhalten kann, wie das Amt selbst ergänzt. Dies sei "gegenwärtig Thema verschiedener Forschungs- und Pilotprojekte".

In seiner RESCUE-Studie zeigt das Umweltbundesamt verschiedene Szenarien für den Weg zur Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 in Deutschland auf. Demnach verbleiben bei allen Einsparungsanstrengungen unvermeidbare Treibhausgasemissionen in Landwirtschaft und Industrie, vornehmlich in der Zement-, Kalk- und Glasindustrie. Diese müssen durch die Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre und eine lang anhaltende, sichere Bindung oder Einspeicherung ausgeglichen werden.

Allerdings kommt die Studie zu dem Schluss, dass dies in Deutschland durch natürliche Senken wie etwa Wälder und eine nachhaltige Holzwirtschaft vollständig gelingen kann. Das klare Fazit der Behörde ist, "dass CCS für die Erreichung der Treibhausgasneutralität in Deutschland nach derzeitigem Kenntnisstand nicht erforderlich ist".

Fazit

Bei der CCS-Technologie handelt es sich um eine noch immer nicht vollständig erforschte, im industriellen Maßstab bislang nicht anwendbare Methode. Wenn es um die Verwahrung des abgespaltenen CO2 geht, ist sie zudem mit weiteren Unsicherheiten und hohen Umweltrisiken behaftet.

Bei näherer Betrachtung scheint die Technologie eher wie eine fixe Idee der Industrie: CO2 loswerden können, ohne es einsparen und insbesondere ohne CO2-Zertifikate bezahlen zu müssen. Genau auf dieses Versprechen zielt Aker Carbon Capture in seinen Prognosen denn auch ab. Auf eine Marktreife der CCS-Technologie in großem Stil zu warten, ist aber ein Luxus, den sich die EU bei der Bekämpfung des Klimawandels weder leisten kann noch wird.

Ob es sich bei der Aker-Aktie daher um ein wirklich nachhaltiges Investment handelt, ist fraglich. Hier Geld anzulegen, bedeutet auf jeden Fall, eine Wette abzuschließen auf eine Technologie, bei der noch viele Fragezeichen bleiben – sowohl was Anwendung als auch tatsächliche Nachfrage angeht. ECOreporter rät hier nicht zum Einstieg.

Aker Carbon Capture ASA Navne-Aksjer NK1: ISIN NO0010890304 / WKN A2QBSN

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