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Aktientipps, Nachhaltige Aktien, Erneuerbare Energie
Clean Logistics: Wenn aus Diesel-Trucks Wasserstofffahrzeuge werden
Clean Logistics rüstet Diesel-Busse und -Trucks auf Wasserstoffantrieb um. Die ersten Fahrzeuge wurden bereits ausgeliefert. Wie gut sind die Aussichten des seit 2021 börsennotierten Hamburger Unternehmens? Ist die Aktie attraktiv?
Clean Logistics will nicht weniger, als den Transportsektor umzukrempeln und das Zeitalter des emissionsfreien Schwerlastverkehrs einzuläuten. Dabei setzt das Unternehmen aber nicht auf die Produktion neuer Fahrzeuge, sondern ersetzt bei Bestandsfahrzeugen den herkömmlichen Dieselantrieb durch einen Brennstoffzellen-Wasserstoff-Antrieb und installiert neue Steuerungssoftware. Die umgerüsteten Fahrzeuge nennt Clean Logistics „HyBatt“.
Die Technik ist bereits mehr als Theorie: Seinen ersten HyBatt-Bus hat Clean Logistics im Juli 2021 an die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft (UVG) ausgeliefert, wo das Fahrzeug seit September im Brandenburger Nationalpark unterwegs ist. Laut Unternehmen handelt es sich um den europaweit ersten konvertierten Bus mit Brennstoffzellen-Wasserstoff-Antrieb im öffentlichen Nahverkehr. Der umgerüstete Mercedes-Benz Citaro soll über einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern verfügen. Ende des Jahres übergab Clean Logistics einen zweiten Bus an die UVG.
Erster Truck vor Präsentation
Ebenfalls bereits 2021 starteten die ersten drei Prototypen des HyBatt-Trucks den Testbetrieb: Sattelzugmaschinen (40-Tonner) der Marken DAF, Mercedes und MAN, die zusammen rund 70 Prozent des europäischen Lkw-Marktes abdecken. Die auf Wasserstoffbetrieb umgerüsteten Lkws von Clean Logistics haben Unternehmensangaben zufolge eine Reichweite von 400 bis 500 Kilometern.

Die Wasserstofftanks von Clean Logistics sollen den ersten umgerüsteten Bus mit einer Ladung bis zu 300 Kilometer weit bringen. / Foto: Unternehmen
Das erste serienreife Truck-Modell soll am morgigen Donnerstag präsentiert werden. Mit der Auslieferung der ersten Wasserstoff-Lkws an Kunden will Clean Logistics dann Ende 2022 beginnen. Laut Unternehmen gibt es bereits verbindliche Buchungen – genaue Zahlen oder Namen von Kunden nannte das Management bislang aber nicht.
Für die Umrüstung der Fahrzeuge wird der Antriebsstrang mit dem Dieselmotor ausgebaut und gegen eine Brennstoffzelle, eine nicht brennbare Hochleistungsbatterie, einen Wasserstofftank und ein selbst entwickeltes elektrisches Achssystem mit Radnabenmotoren ausgetauscht. Den Kern der Clean Logistics-Technologie stellt die vom Unternehmen entwickelte Betriebs- und Energiemanagementsoftware Hyboss da, die als neues Betriebssystem den ganzen Truck steuert.
Für den Fahrer bzw. die Fahrerin soll sich trotz der umfangreichen Umbauten wenig ändern, nur eine "geringe Umschulung" auf das neue Antriebssystem sei nötig. Die Fahrdynamik soll sich nicht wesentlich von einem herkömmlichen Fahrzeug unterscheiden, wie Unternehmensgründer und -chef Dirk Graszt betont. Dies erhöhe die Akzeptanz der Hybatt-Trucks deutlich.
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Die Konvertierungskapazitäten für Busse und Sattelzugmaschinen weitet Clean Logistics derzeit aus: Im niedersächsischen Winsen baut das Unternehmen eine neue Produktionshalle mit einer Nutzfläche von 10.000 Quadratmetern, um mehr als 450 Fahrzeuge jährlich umrüsten zu können. Ebenfalls angemietet wurde eine zweite Halle im gleichen Ort, mit der Clean Logistics eigenen Angaben zufolge die Umrüstungskapazitäten bereits im vergangenen Jahr erhöhte.
Konvertierung ist noch teuer
Allerdings ist die Umrüstung eines Fahrzeugs aktuell noch sehr teuer. Die Kosten für den standardisierten Konvertierungsprozess belaufen sich derzeit auf rund 500.000 Euro, wie Unternehmenschef Graszt im Oktober in einem Interview mit dem "Nebenwerte-Magazin" erklärte. Zwar wird die Anschaffung klimaneutraler Lkws und Busse noch bis 2024 vom Bundesverkehrsministerium mit bis zu 80 Prozent gefördert. Graszt zufolge heißt das, dass bis zu 360.000 Euro erstattet werden. Der Spediteur zahlt dann aber noch immer 140.000 Euro – mehr, als die Neuanschaffung eines Fahrzeugs kostet.
Graszt geht dennoch davon aus, dass sich die Investition für Logistiker lohnt. Er rechnet mit steigenden Dieselpreisen, höheren Mautgebühren für Diesel-Fahrzeuge und sich weiter verteuernden CO2-Zertifikaten. Zudem könnten Unternehmen für emissionsfreie Logistik bei Kunden absehbar höhere Preise verlangen. Am Markt gebe es aktuell aber keine emissionsfreie Alternative zur Clean Logistics-Technik – niemand verkaufe Wasserstoff- oder Elektro-Lkws.
Rein elektrisch betriebene Lastwagen sieht Graszt zudem nicht als Alternative. Allein der Nutzlastverlust sei durch rund sieben Tonnen Batteriematerial viel zu hoch. Dazu kämen lange Ladezeiten und wenig Bereitstellungskapazitäten für den Strom. Wo allerdings die HyBatt-Fahrzeuge wiederum flächendeckend Möglichkeiten zur Wasserstoffbetankung finden sollen, hat der Manager bislang nicht erklärt.
Graszt zufolge liegen Clean Logistics bereits "Anfragen weit im vierstelligen Bereich" für die Konvertierung von Fahrzeugen "in den nächsten Jahren" vor. Anfragen sind allerdings keine verbindlichen Bestellungen, die für verlässliche Umsätze stehen.
Börsengang mittels SPAC
Die Clean Logistics SE ging im vergangenen Jahr in Frankfurt an die Börse, indem sie in den Börsenmantel der SendR SE schlüpfte, eines ehemaligen Verwerters digitaler Musikrechte. Nach dem Verkauf sämtlicher Vermögenswerte an den Musikkonzern Sony 2021 war von SendR nur eine leere Börsenhülle übrig geblieben, ein sogenanntes SPAC. Mehr über SPACs lesen Sie hier. Im August folgte dann die Umbenennung in Clean Logistics.
Anlegerinnen und Anleger sollten beachten: Nur knapp 10 Prozent der Clean Logistics-Aktien sind in Streubesitz, den Großteil der Anteile halten professionelle Investoren. Größter Aktionär ist mit rund 35 Prozent die Beteiligungsgesellschaft Höpen aus dem niedersächsischen Winsen-Scharmbeck, deren Geschäftsführer Dirk Lehmann zugleich Verwaltungsratsvorsitzender von Clean Logistics ist. Weitere knapp 18 Prozent hält der Hamburger Vermögensverwalter DGOC. Dieser gehört Clean Logistics-Geschäftsführer Graszt.

Schema eines Clean Logistics-Wasserstoff-Trucks. / Foto: Unternehmen
Das Geschäft von Clean Logistics steckt noch in den Kinderschuhen. 2021 betrug der, wie das Unternehmen es im Geschäftsbericht ausdrückt, Pro-forma-Umsatz 107.000 Euro und der Jahresfehlbetrag 2,9 Millionen Euro. Allerdings basieren diese Zahlen laut Clean Logistics im Wesentlichen noch auf der Geschäftstätigkeit der SendR SE, deren Börsenmantel im August 2021 übernommen wurde.
Das Unternehmen hält es für möglich, die Verlustzone bereits 2023 zu verlassen. Bis dahin müssen allerdings Kosten durch anderweitige Einnahmen gedeckt werden können – beispielsweise durch Kapitalerhöhungen, die Ausgabe von Anleihen oder das Aufnehmen von Darlehen.
Hochspekulative Aktie
Aktuell kostet die Clean Logistics-Aktie an der Börse Frankfurt 10,00 Euro, im Vergleich zum Vortag ist sie fast 10 Prozent im Minus (Stand: 21.6.2022, 16:53 Uhr). Auf Monatssicht hat die Aktie 14,6 Prozent an Wert verloren. Seit der Eintragung der Namensänderung von SendR in Clean Logistics ins Handelsregister Hamburg am 25. August 2021 ist der Kurs um 50 Prozent gestiegen.
In den letzten Wochen verlor die Aktie deutlich, was allerdings angesichts des aktuell schwierigen Marktumfelds für junge Wachstumswerte nicht überrascht. Beachtenswert ist eher, dass der Kurs in diesem Jahr bislang sogar gestiegen ist und im Mai bei 14,70 Euro ein neues Allzeithoch erreichte. Nach einer deutlichen Korrektur kletterte er Anfang Juni noch einmal auf dasselbe Niveau, bevor eine bis jetzt anhaltende Korrekturphase einsetzte.
Als Technik für mehr Nachhaltigkeit kann die Clean Logistics-Methode überzeugen: Im Vergleich zu 1990 müssen die Emissionen im Verkehr in Deutschland bis 2030 um fast die Hälfte sinken, um die Klimaziele zu erreichen. Doch die absoluten CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr erhöhten sich zwischen 1995 und 2020 trotz technischer Verbesserungen von 39,3 auf 45,9 Millionen Tonnen. Hier werden also dringend Lösungen gebraucht, gerade im Schwerlastverkehr.
Ein weiterer positiver Aspekt: Eine Umrüstung bestehender Fahrzeuge spart die Produktion neuer Lkws und Busse und damit neben Material auch Emissionen. Zudem landen ausrangierte Diesel-Fahrzeuge nicht auf dem Schrott.
Fazit
Clean Logistics ist natürlich ein hochspekulatives Investment: Das Unternehmen macht praktisch noch keinen Umsatz, Aussagen des Managements über eine mögliche zukünftige Geschäftsentwicklung sind mit Vorsicht zu betrachten. Aber: Anders als beispielsweise Konkurrenten wie Nikola hat Clean Logistics bereits Fahrzeuge auf der Straße und bewiesen, dass seine klimafreundliche Technologie im Regelbetrieb funktioniert. Und zwar jetzt und nicht erst in einigen Jahren.
Nun wird es darauf ankommen, dass auch die Präsentation des HyBatt-Trucks überzeugen kann und trotz der hohen Umrüstungskosten neue Kunden gefunden werden. Zudem muss aus der Energienische Wasserstoff in den nächsten Jahren ein Massenmarkt werden. Einen Einstieg in die Aktie empfiehlt ECOreporter vorsichtigen Anlegerinnen und Anlegern aktuell nicht, dafür gibt es zu viele Unsicherheiten. Clean Logistics im Auge zu behalten, kann sich aber lohnen.
Einen Überblick zur Wasserstoffbranche lesen Sie hier: Von Plug Power bis Linde: Das sind die besten Wasserstoff-Aktien.
Clean Logistics SE: ISIN DE000A1YDAZ7 / WKN A1YDAZ