Die "Ocean Don" soll mit Crowd-Geld gekauft und zur "Sea Watch 5" werden. / Foto: Unternehmen

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Crowdinvesting von Sea-Watch: Ein Schiff zur Rettung von Flüchtenden

Der Sea-Watch e.V. rettet Flüchtende aus dem Mittelmeer. Um den Kauf eines weiteren gebrauchten Rettungsschiffes zu finanzieren, bietet der Verein über die Plattform GLS Crowd ab 250 Euro Nachrangdarlehen an. Diese haben einen Zinssatz von 3,5 Prozent pro Jahr bei einer Laufzeit von rund drei Jahren. Wie will der Verein das Anlegerkapital zurückzahlen? Welche Risiken bestehen? Warum ist das Rettungsschiff eine "Kampfansage"?

Anbieterin und Emittentin der Nachrangdarlehen ist der eingetragene Verein Sea-Watch e.V. (kurz: Sea-Watch) aus Berlin, der 2015 gegründet wurde. Vereinszweck ist die zivile Seenotrettung von Flüchtenden.

Sea-Watch sucht laut Projektprofil (Stand: 4.10.22) mit Rettungsschiffen und Aufklärungsflugzeugen im zentralen Mittelmeer aktiv nach Menschen in Not und führt Rettungseinsätze durch. Gleichzeitig dokumentieren die Einsatzcrews nach Vereinsangaben Menschenrechtsverletzungen und berichten medienwirksam von den Einsätzen.

Neben der Abteilung für Schiffsmanagement arbeitet in Berlin den Angaben nach auch die politische Interessensvertretung und das Medien- sowie das Legal-Team. Der Verein finanziert sich hauptsächlich über Spenden. Er hat laut Projektprofil über 21.000 Fördermitglieder und große Förderpartner wie beispielsweise die Evangelische Kirche in Deutschland.

Schiff kostet 4,5 Millionen Euro - GLS Bank gibt Darlehen

Das Emissionsvolumen der angebotenen Nachrangdarlehen liegt bei bis zu 2,25 Millionen Euro. Mit dem Kapital will der Verein laut Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB, Stand: 20.9.2022) das gebrauchte Rettungsschiff „Ocean Don“ kaufen. Das Schiff wurde laut VIB 2010 in Malaysia gebaut und ist aktuell im schottischen Hafen Aberdeen registriert.

Die "Ocean Don" ist 58 Meter lang und 13,80 Meter breit. Laut VIB wurde der Kaufvertrag zu einem Preis von 4,5 Millionen Euro geschlossen. Neben dem Nachrangdarlehenskapital von 2,25 Millionen Euro wird das Vorhaben laut VIB über ein vorrangiges Bankdarlehen von 2,25 Millionen Euro finanziert. Dieses erhält der Verein den Angaben in der Kennzahlenübersicht zufolge durch die GLS Gemeinschaftsbank eG.

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Die Rückzahlung des Anlegerkapitals soll laut VIB aus Spendenmitteln erfolgen. Die Spendenarten lassen sich nach Vereinsgaben in drei Kategorien unterteilen: fest vereinbarte Spenden von Unternehmen (8,4 Prozent des Gesamtvolumens in 2021), unregelmäßige Spenden von Privatpersonen, Stiftungen sowie Unternehmen (57,1 Prozent) und Fördermitglieder mit einem festen monatlichen Betrag (34,5 Prozent). Laut Kennzahlenübersicht betrugen die Spendenerlöse des Sea-Watch e.V. 2021 rund 12 Millionen Euro.

Laufzeit und Zins

Die Laufzeit der Nachrangdarlehen endet am 30. September 2025. Die Emittentin kann die Nachrangdarlehen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten erstmalig zum 31. Dezember 2023 kündigen. Der Zinssatz der Nachrangdarlehen beträgt 3,5 Prozent pro Jahr. Die Rückzahlung soll laut VIB in jährlichen Raten von jeweils einem Drittel ab dem 30. September 2023 erfolgen.

Hohe Risiken

Bei der Vermögensanlage handelt es sich um unbesicherte Nachrangdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt und vorinsolvenzlicher Durchsetzungssperre. Dies bedeutet laut VIB: Die Ansprüche auf Zinszahlung und Tilgung können gegenüber der Emittentin Sea Watch nicht geltend gemacht werden, wenn dies bei der Emittentin zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung führen würde.

Es ist laut VIB möglich, dass die Emittentin in Zukunft weiteres Fremdkapital aufnimmt, das gegenüber den Nachrangdarlehen der Anlegerinnen und Anleger vorrangig zu bedienen wäre. Bankdarlehen sind nicht nur vorrangig zu bedienen, sondern in der Regel auch besichert. Im Rahmen einer Schiffsfinanzierung dient in der Regel das Schiff der Bank als Sicherheit.

Ob das Nachrangdarlehenskapital an die Anlegerinnen und Anleger zurückgezahlt werden kann, hängt laut VIB vorrangig von der Spendenbereitschaft ab. Es ist möglich, dass sich aufgrund der hohen Inflation und einer Wirtschaftskrise die Möglichkeit und die Bereitschaft von Unternehmen und Privatpersonen verringert, zu spenden. Der Betrieb von Rettungsschiffen ist laut Projektprofil sehr kostenintensiv. Insbesondere anhaltend hohe Energiepreise und unerwartete Reparaturen können ein hohe Kostenbelastung darstellen. Auch in anderen Bereichen besteht das Risiko, dass sich Kosten erhöhen, beispielsweise für Rechtsstreitigkeiten.

Die Emittentin ist laut Projektprofil abhängig von der Aufnahmebereitschaft von Staaten bei der Zuweisung eines sicheren Hafens für die geretteten Menschen. In den letzten Jahren ist die Emittentin mehrmals in Konflikten mit Mittelmeer-Anrainerstaaten geraten. Seit dem 21. September 2022 blockieren nach Angaben der Emittentin die italienischen Behörden das Rettungsschiff Sea-Watch 3 (Stand: 26.9.2022).

"Kampfansage" Richtung Italien

Die Parlamentswahl in Italien vor rund zwei Wochen hat eine rechtsradikale Partei gewonnen, die Migration über das Mittelmeer nach Italien verhindern will. Der Sea-Watch e.V. hat in einer Pressemitteilung vom 26. September daraufhin getitelt: "Neues Rettungsschiff Sea-Watch 5 als Kampfansage an Rechtsruck in Italien". Es besteht das Risiko, dass die voraussichtliche neue italienische Regierung auch EU-gesetzeswidrige Maßnahmen ergreift, um die Rettungseinsätze von Sea-Watch zu behindern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der Folge hohe Rechtskosten für langwierige Verfahren anfallen.

Insgesamt besteht für Anlegerinnen und Anleger ein erhebliches Risiko, dass sie ihr eingesetztes Kapital teilweise oder vollständig verlieren. ECOreporter hat hier Ratschläge gesammelt, worauf Anlegerinnen und Anleger bei Crowdinvestments achten sollten.

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