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Anleihen / AIF, Fonds / ETF, Interview
Interview: ELTIF – mit altem Namen und neuem Konzept endlich zum Boom?
Schon seit 2015 gibt es ELTIF, also European Long-Term Investment Funds mit Sitz in der EU. Im Interview erklärt Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel von GK-law.de aus Göttingen, welche neuen Regeln hier gelten, was zu beachten ist, welche Vorteile sich bieten und wo es auch Kritik gibt.
ECOreporter: ELTIF sind kein neues Finanzvehikel, können Sie es trotzdem kurz erläutern?
Dr. Matthias Gündel: ELTIF – im Singular und Plural übrigens gleich geschrieben – investieren langfristig in Infrastrukturprojekte, Sachwerte oder Erneuerbare Energien. Mit einer einzigen Zulassung dürfen sie EU-weit nicht nur an professionelle Anleger, sondern auch an Kleinanleger vertrieben werden.
Klingt eigentlich nach einer guten Idee …
… aber ein durchschlagender Erfolg blieb trotzdem aus. Ursächlich waren Regulierungshürden bei der Auflage und Verwaltung von ELTIF sowie für Investments von Kleinanlegern. Das gab der EU-Kommission Anlass, die Regularien zu überarbeiten, um ELTIF für Kapitalverwaltungsgesellschaften und (Klein-)Anleger attraktiver zu machen.
Das ist dann ELTIF 2.0?
Ja, im April 2023 ist eine Novellierung der ELTIF-Verordnung (genannt ELTIF 2.0) in Kraft getreten. Seit dem 10. Januar 2024 sind die Neuregelungen anzuwenden. Konkretisierende Regulierungsstandards (RTS) der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA sind aktuell in der Abstimmung mit der EU-Kommission.
Was bringt die Novellierung?
Zunächst einmal ein breiteres Spektrum an zulässigen Vermögenswerten: Das sind nun ELTIF-Investments in Infrastruktur, Private Equity, Immobilien und sonstige Sachwerte – darunter auch grüne Anleihen, FinTech und verbriefte Vermögenswerte. Außerdem können ELTIF jetzt Kredite begeben oder Kreditforderungen erwerben. ELTIF dürfen nun sowohl direkt investieren als auch über andere Fonds.
Was bedeutet das?
Ein ELTIF kann auch als Dachfonds ausgestaltet werden oder als Feeder-Fonds, der Kapital von Kleinanlegern einsammelt und die Vermögenswerte gepoolt in einen Master-ELTIF (ein Ziel-ELTIF mit einer breiten Palette von Vermögenswerten) investiert.
Gibt es noch mehr Neuerungen?
Ja, wir haben nun auch eine Ausweitung zulässiger Dachfondsstrategien: ELTIF dürfen nun in andere ELTIF, in Europäische Risikokapitalfonds (EuVECA), in Europäische Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF), in OGAW (Regulierte offene Investmentfonds, deren Anleger jederzeit Anteile kaufen und wieder verkaufen können) oder in EU-AIF investieren, die von EU-AIF-Managern verwaltet werden. Vorausgesetzt, diese Fonds investieren ebenfalls in zulässige Anlagevermögenswerte. Sie dürfen also nicht mehr als 10 Prozent ihres Kapitals in unzulässige Anlagevermögenswerte investieren.
Das erste ELTIF-Konzept wurde dafür kritisiert, die Regularien seien zu einschränkend. Wurden bei der Überarbeitung Vorschriften gelockert?
Ja, die Diversifizierungsvorgaben. Gestrichen wurde beispielsweise die Vorgabe, dass ein einzelner Sachwert mindestens 10 Millionen Euro wert sein muss. Der Anteil zulässiger Anlageformen im Portfolio muss nun auch nur noch 55 Prozent statt wie zuvor 70 Prozent betragen. Der einzelne Sachwert darf 20 Prozent des Gesamtportfolios ausmachen statt vorher 10 Prozent.
Was ändert sich beim Fremdkapital?
Die zulässige Fremdkapitalquote bei Produkten, die auch an nicht-professionelle Anleger vertrieben werden, wurde von 30 Prozent auf 50 Prozent erhöht.
Gibt es dazu von offizieller Seite Erläuterungen?
Die BaFin hat am 1. Februar 2024 „Häufige Fragen zur ELTIF-Verordnung“ veröffentlicht. Darin verdeutlicht sie unter anderem, welche Anforderungen sie an die Produktausgestaltung und an Kapitalverwaltungsgesellschaften stellt, die ELTIF verwalten möchten. Wichtig dabei ist: ELTIF können in Deutschland in jeder Rechtsform aufgelegt werden, die nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) für Investmentvermögen zulässig ist. In Bezug auf mögliche Anlagegrenzen und -beschränkungen gelten allein die Vorgaben der ELTIF-Verordnung, nicht die des KAGB!
Welche Erlaubnisse sind für einen neuen ELTIF erforderlich?
Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel, GK-law.de
Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel, GK-law.de
Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel (GK-law.de) fasst hier zusammen, welche Erlaubnisse für einen ELTIF notwendig sind:
- Kapitalverwaltungsgesellschaften benötigen für die Verwaltung von ELTIF zwingend eine Erlaubnis der Finanzaufsicht BaFin.
- Diejenigen Kapitalverwaltungsgesellschaften, die schon eine Erlaubnis zur Verwaltung von AIF (Alternativen Investmentfonds) haben, brauchen keine Erlaubniserweiterung, wenn die bestehende Erlaubnis die geplante Ausgestaltung des ELTIF hinsichtlich der Vermögensgegenstände, Rückgaberechte (offen oder geschlossen) und Anlegerkreis (Privatanleger oder professionelle Anleger) bereits abdeckt.
- Bei Master-Feeder-Strukturen und Dachfonds kommt es darauf an, ob der Feeder-ELTIF offen oder geschlossen strukturiert ist: Bei einem offenen Feeder-ELTIF muss die Erlaubnis der KVG lediglich die Investition in Wertpapiere erfassen. Bei geschlossenen Feeder-ELTIF muss die Erlaubnis der KVG auch jene Vermögensgegenstände abdecken, in die der Master-ELTIF investieren darf. Für Dachfondskonstruktionen gelten die Vorgaben entsprechend.
Der Vertrieb an Kleinanleger wird erleichtert
Bisher galt beim Vertrieb an Kleinanleger eine Mindestanlagesumme von 10.000 Euro …
… was nun gestrichen ist. Genauso wie die Obergrenze der Anlagesumme, die jetzt nicht mehr bei 10 Prozent des liquiden Vermögens liegt. Aber: Klargestellt wird nun, dass vor dem Vertrieb von Anteilen eines ELTIF an Kleinanleger stets eine Geeignetheitsprüfung gemäß MiFID II zu erfolgen hat. Abzufragen, zu dokumentieren und zu übermitteln sind vorab also Kenntnisse und Erfahrungen des Kleinanlegers, finanzielle Verhältnisse, Anlageziele und Risikotoleranz sowie die Verlusttragfähigkeit. Will der Kleinanleger trotz eines Hinweises auf eine Ungeeignetheit investieren, muss er das schriftlich bestätigen.
Also dasselbe Prozedere wie bei der MiFID-Anlageberatung?
Ja, aber auch Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung können ELTIF vertreiben. Das hat die BaFin in ihren FAQs zur ELTIF-Verordnung bestätigt. Wenn die Laufzeit mehr als zehn Jahre beträgt, ist ein schriftlicher Warnhinweis erforderlich, dass das ELTIF-Produkt möglicherweise nicht für Kleinanleger geeignet ist.
Etliche neue Regeln, einige Erleichterungen. Trotzdem kann es aber bald schon wieder Änderungen geben?
Ja, denn die ELTIF-Verordnung behält Regelungen zur Konkretisierung von Laufzeiten, zu Rücknahmemöglichkeiten und zur Liquidität den sogenannten Regulatory Technical Standards (RTS) vor. Die ESMA veröffentlichte am 19. Dezember 2023 hierzu ihren finalen Entwurf. Bei vielen Marktteilnehmern stieß er auf Kritik. Am 6. März 2024 hat dann die EU-Kommission ein Schreiben mit Änderungsvorschlägen an die ESMA gesendet.
Worum geht es im Kern?
Der Stein des Anstoßes sind RTS-Regelungen für offene ELTIF, also ELTIF, die den Anlegern vor der Liquidationsphase des ELTIF ein Rückgaberecht gewähren. Hier werden Vorgaben gemacht zur Mindesthaltedauer, zur Rückgabekündigungsfrist, zu den zulässigen Rücknahmeintervallen (Redemption Gates) sowie zum Vorhalten von Mindestliquidität im ELTIF. Laut RTS kann die Mindesthaltedauer für jeden ELTIF individuell bestimmt werden. Rückgaben sollen grundsätzlich maximal vierteljährlich möglich sein. Die Mindestkündigungsfrist für Rücknahmen soll grundsätzlich mindestens zwölf Monate betragen. Kürzere Kündigungsfristen sind nur in Abhängigkeit von einer Mindestliquidität im ELTIF von 13 bis zu 40 Prozent vorgesehen.
Welche Position vertritt die EU-Kommission dazu?
Sie fordert verhältnismäßigere Regelungen: Eine Mindestkündigungsfrist von zwölf Monaten für Rücknahmen lehnt sie ab. Rücknahmemöglichkeiten sollten außerdem nicht auf bestimmte spezifische Umstände beschränkt oder ausschließlich an die Kündigungsfrist gebunden sein. Zudem sollen Liquiditätsanforderungen bestehende Marktpraktiken für langfristige Privatkundenfonds und die besonderen Umstände von ELTIF berücksichtigen. Und die Kommission verlangt eine Anpassung der ELTIF-Liquiditätsmanagement-Instrumente an die Anforderungen des AIFMD-Rahmens. Letztlich schlägt sie hinsichtlich der Offenlegung von Kosten eine bessere Angleichung zwischen ELTIF-Verordnung und der PRIIPs-Verordnung, MiFID und der AIFMD vor. PRIIPs ist das Kürzel für „Packaged Retail and Insurance-based Investment Products“ - das sind verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte.
Welches Fazit ziehen Sie zu dem allem?
Auch wenn Detailregelungen noch ausstehen: ELTIF 2.0 überzeugt durch eine breitere Palette an Investitionsmöglichkeiten, durch flexiblere Anlagestrategien und vereinfachte Marktzugangsregeln für Kleinanleger, gepaart mit nun klar gefassten BaFin-Vorgaben für Kapitalverwaltungsgesellschaften und Vertrieb. Für mittelständische Unternehmen und Start-ups bietet ELTIF 2.0 deutlich verbesserte Chancen dafür, bei Kleinanlegern Kapital für langfristige Projekte oder ihre Expansion einzusammeln. Faktisch werden im Bereich Publikumsfonds neue Investmentstrategien möglich - unabhängig von bestehenden Fondskategorien und Produktregelungen des KAGB, aber mit der Option auf EU-weiten Vertrieb an Privatanleger.
Welchen Rat geben Sie denen, die die Neuauflage eines Publikums-AIF planen?
Sie sollten prüfen, ob nicht der flexiblere ELTIF in Betracht kommt. Und für bestehende Publikumsfonds kann gegebenenfalls eine Umwandlung in einen ELTIF vorteilhaft sein.