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Interview zur EU-Taxonomie: Grüne Signale aus Brüssel

Die EU hat neue Regelungen für den Finanzmarkt verabschiedet, um ihren Green Deal voranzutreiben. Worum es im sogenannten „April-Paket“ geht, erläutert Dr. Sandra Reich, Expertin für nachhaltiges Finanzwesen.

Reich ist gelernte Bankkauffrau, studierte Wirtschaftsrechtlerin und promovierte Juristin. Seit 2018 arbeitet sie als Unternehmensberaterin in München. Davor war sie unter anderem lange Jahre Geschäftsführerin der Börsen Hamburg und Hannover. Aktuell ist sie auch Aufsichtsrätin und Beirätin sowie Dozentin für „Sustainable Finance“ an der Munich Business School.

ECOreporter: Frau Dr. Reich, die EU hat auch im April weitere Neuerungen für den nachhaltigen Finanzmarkt beschlossen. Können Sie kurz darstellen, welche Kernthemen damit nun auf dem Weg sind?

Sandra Reich: Die Europäische Union hat sich mit ihrem Green Deal unter anderem das Ziel gesteckt, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Sie sieht im Kapitalmarkt, insbesondere bei privaten Investoren, einen wesentlichen Hebel, um das für die nachhaltige Ausrichtung benötigte Kapital zu lenken. Schon 2018 hat die Europäische Kommission den „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ veröffentlicht, dessen ehrgeiziger Maßnahmenkatalog fast jeden Akteur im Finanz- und Kapitalmarkt auf unterschiedliche Art betrifft. Bereits im vergangenen Jahr wurden die neue Taxonomie-Verordnung, die Benchmark-Verordnung und die Offenlegungsverordnung verabschiedet.

Am 21. April 2021 hat die Europäische Kommission nun ein „April package“ veröffentlicht, das verschiedene regulatorische Maßnahmen umfasst:

  1. Delegierter Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie
  2. Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen
  3. Änderungsvorschläge, um eine Nachhaltigkeitspräferenzabfrage in die Anlage- und Versicherungsberatung verpflichtend zu integrieren
  4. Änderungsvorschläge, um Nachhaltigkeitserwägungen im Prozess der Produktüberwachung und -steuerung zu verankern
  5. Änderungsvorschläge, um Nachhaltigkeitserwägungen stärker in die treuhänderischen Pflichten einzubeziehen.

Können Sie beim Thema „EU-Klimataxonomie“ näher erläutern, was sich dahinter verbirgt?

In der Taxonomie-Verordnung, die im Juli 2020 in Kraft trat, werden Kriterien festgelegt, mit denen bestimmt werden kann, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Eines von insgesamt vier Kriterien besagt, dass die Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umweltziele leistet.

Im nun veröffentlichten Entwurf der EU-Klimataxonomie sind die ersten technischen Kriterien festgelegt worden, anhand derer bestimmbar ist, ob die Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Umweltziel „Klimaschutz“ und/oder zum Umweltziel „Anpassung an den Klimawandel“ leistet.

Wenn nun eindeutig festgelegt wird, welche Tätigkeiten „ökologisch nachhaltig“ sind, heißt das dann im Umkehrschluss, dass andere Tätigkeiten automatisch „nicht ökologisch nachhaltig“ sind?

Dazu schreibt die Europäische Kommission, dass sie diese Frage sehr oft aus der Praxis bekäme. Sofern die Tätigkeit eines Unternehmens als nicht taxonomiekonform eingestuft ist, lässt dies laut Europäischer Kommission grundsätzlich keine Rückschlüsse auf die Umweltleistung des Unternehmens oder die Chancen in der Kapitalbeschaffung zu.

Die EU-Taxonomie stellt allerdings ein „Transparenzinstrument“ dar und unterliegt einem stetigen Prozess. Es ist klar beabsichtigt, dass auch die EU-Taxonomie über die Zeit erweitert und aktualisiert wird.

Und wie geht es jetzt weiter mit der EU-Klimataxonomie?

Der Entwurf zur EU-Klimataxonomie liegt aktuell dem Europäischen Parlament und Rat zur Überprüfung vor. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass sie zeitnah nach dem Abschluss der Prüfung, die im Sommer 2021 erwartet wird, den delegierten Rechtsakt erlassen wird. Dann wird die EU-Klimataxonomie voraussichtlich ab 1. Januar 2022 anzuwenden sein.

Frau Reich, vielen Dank für Ihre Antworten!

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