EU-Gebäude in Brüssel. Die neue Offenlegungsverordnung soll dazu beitragen, das europäische Finanzwesen nachhaltiger zu machen. / Foto: Pixabay

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EU-Offenlegungsverordnung – was ändert sich für Anleger?

Seit 10. März 2021 gilt sie: die EU-Offenlegungsverordnung. Für Anlegerinnen und Anleger soll sie die Transparenz verbessern, für die Finanzbranche bedeutet sie vor allem mehr Arbeit. Und vieles ist im Detail noch unklar. Wir sagen Ihnen, welche Aspekte der Verordnung für Sie wichtig sind.

Die Offenlegungsverordnung, die zum EU-Aktionsplan „Sustainable Finance“ gehört, verpflichtet Finanzdienstleister dazu, Anlegerinnen und Anleger transparent über Nachhaltigkeitsaspekte ihrer Finanzprodukte zu informieren, beispielsweise in Fondsprospekten. Konkret geht es um Nachhaltigkeitsrisiken und (im schönsten unverständlichen Behördensprech formuliert) „negative Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“. Damit sind „Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung“ gemeint.

Ein Beispiel: Bei der Aktie eines Forstkonzerns, der in Mitteleuropa Fichtenwälder bewirtschaftet, ist der Klimawandel ein Nachhaltigkeitsrisiko, denn Fichtenbestände leiden schon seit Jahren stark unter den Folgen der Erderwärmung. Der Wasserverbrauch des Konzerns in seinen Papierfabriken zählt hingegen zu den negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren.

Über Nachhaltigkeitsrisiken müssen Finanzdienstleister ab sofort informieren, über die meisten negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren ab Ende 2022. Die Offenlegungsverordnung nennt dazu 50 teils verpflichtende, teils optionale Indikatoren aus den Bereichen Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, Biodiversität, Wasser, Abfall, Soziales und Mitarbeiter, Menschenrechte sowie Korruption.

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Dunkelgrün, hellgrün, gar nicht grün

Zudem werden Finanzprodukte jetzt in drei Kategorien eingeteilt. Sie sind entweder konventionell (nach Artikel 6 der Offenlegungsverordnung), berücksichtigen ökologische und soziale Kriterien (Artikel 8) oder streben ein konkretes Nachhaltigkeitsziel an (Artikel 9). Unter Artikel 9 werden voraussichtlich die meisten sogenannten Impact Fonds einsortiert, also Fonds, die eine konkrete nachhaltige Wirkung anstreben. Branchenkennern zufolge dürften unter Artikel 8 eher hellgrüne Finanzprodukte fallen, unter Artikel 9 anspruchsvollere. Ob diese Unterteilung in der Praxis nachvollziehbar sein wird und damit die Transparenz für Anlegerinnen und Anleger tatsächlich erhöht, muss sich allerdings noch zeigen. Die Offenlegungsverordnung ist nämlich in ihren Details nach Einschätzung von Nachhaltigkeitsexperten nicht präzise genug.

„Es gibt noch einige offene Fragen. Die Verordnung ist sehr allgemein gefasst“, sagt beispielsweise Helge Wulsdorf, Leiter Nachhaltige Geldanlagen bei der Bank für Kirche und Caritas. Wulsdorf vermisst unter anderem eine klare Orientierung zu den technischen Standards der Informationen, die veröffentlicht werden müssen. Fachleute gehen davon aus, dass viele dieser Standards erst Anfang 2022 feststehen werden.

Änderungen im Hauruckverfahren

Die Offenlegungsverordnung gilt nicht nur für Aktien- oder Mischfonds, sondern beispielsweise auch für Spezialfonds, Kapitallebensversicherungen und individuelle Mandate in der Vermögensverwaltung. Die Anbieter müssen die geforderten Nachhaltigkeitsinformationen in ihre Verkaufsprospekte aufnehmen. Zahllose Dokumente sind deshalb in den letzten Wochen und Monaten umgeschrieben oder ergänzt worden. In Deutschland reicht es, die geänderten Fassungen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) anzuzeigen. Anbieter, die am größten europäischen Finanzstandort Luxemburg ansässig sind, müssen die neuen Prospekte von der dortigen Finanzaufsicht CSSF genehmigen lassen. Dazu hat die CSSF eigens ein neues Schnellverfahren entwickelt.

Aber es ist nicht damit getan, Verkaufsprospekte zu ändern. Auch in ihren regelmäßigen Berichten zu Finanzprodukten müssen Anbieter künftig über nachhaltige Aspekte informieren.

Ein paar Floskeln könnten reichen

Die Offenlegungsverordnung betrifft nicht die komplette Finanzindustrie. Anbieter müssen die Verordnung beachten, Banken, Wertpapierfirmen und Vermögensberater auch, soweit sie Finanzberatung anbieten. Für Finanzanlagenvermittler nach Paragraf 34f Gewerbeordnung und Wertpapierfirmen, die weniger als drei Personen beschäftigen, gilt die Verordnung hingegen bislang nicht.

Finanzberater, die unter die Offenlegungsverordnung fallen, müssen auf ihrer Internetseite und teilweise in Dokumenten darüber informieren, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Anlageberatung und Vergütungspolitik einbeziehen und wie sich die Nachhaltigkeitsrisiken voraussichtlich auf die Rendite der angebotenen Finanzprodukte auswirken werden. Brancheninsider gehen allerdings davon aus, dass einige allgemeine Formulierungen ausreichen werden, um die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen.

Was heißt das alles konkret für Anlegerinnen und Anleger?

Die meisten Privatanlegerinnen und -anleger finden zukünftig in Verkaufsprospekten und Factsheets einige zusätzliche Informationen zur Nachhaltigkeit von Finanzprodukten. Weil viele Details noch unklar sind, lässt sich derzeit nicht abschätzen, welchen Mehrwert diese Informationen tatsächlich haben. Die neuen Regelungen könnten auch für mehr Verwirrung sorgen, weil sie bislang nicht auf zwei andere EU-Großprojekte abgestimmt sind: die EU-Taxonomie, an der weiterhin gefeilt wird, und die MiFID-II-Richtlinie. Diese verpflichtet Finanzberater ab 2022 dazu, ihre Kundinnen und Kunden zu fragen, ob bei der Geldanlage nachhaltige Aspekte berücksichtigt werden sollen. Möglicherweise gelten für diese Gespräche dann andere Nachhaltigkeitskriterien als in der Offenlegungsverordnung.

Klingt alles verwirrend? Ist es bisher auch. Immerhin, einen Rat hat ECOreporter bereits für Sie: Achten Sie darauf, ob Finanzprodukte teurer werden. Durchaus möglich, dass Anbieter die gestiegenen Kosten für die Zusammenstellung ihrer Unterlagen an die Kundinnen und Kunden weitergeben. Für diesen Punkt gibt es übrigens keine neuen Transparenzvorschriften.

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