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Journalistin berichtet: Was Goldabbau in Peru anrichtet
Hildegard Willer lebt in Peru, als Reporterin hat sie schon viele Goldabbaugebiete besucht. Für ECOreporter schildert sie ihre Eindrücke. Und sie erklärt, wieso fair gefördertes Gold eine Alternative sein kann.
Die Journalistin hat unter anderem für deutsche und Schweizer Medien über die Zustände in der Siedlung La Rinconada (Puno-Region) berichtet. In der Nähe der Andenstadt befindet sich eine Goldmine.
ECOreporter.de: Frau Willer, damit sich die Leser das vorstellen können: Was war für Sie das eindrucksvollste Erlebnis in den Abbaugebieten?
Hildegard Willer: Sprechen wir von den informellen - illegalen - Gebieten, wo Kleinschürfer zugange sind. In La Rinconada war für mich am eindrücklichsten die Verbindung von Bergbau zu Kommerz. Die Bergleute kommen mit ihren Helmen aus der Mine - es ist Untertagebau - und laufen auf dem Heimweg direkt durch die Marktstände.
In La Rinconada wird jeder elektronische Schnickschnack angeboten, die Handyanbieter machen sich Konkurrenz, alles drauf angelegt, den Mineuren ihr Geld gleich wieder aus der Tasche zu ziehen. Ein anderes Bild: Ein großer Lastwagen, der in Rinconada Massen von Bierkästen ablädt. Und dann: der Gestank, der über allem hängt, weil hier viel zu viele Leute wohnen mit sehr wenig WCs, Wasser, Müllhalden. Es ist eiskalt und stinkt furchtbar, so müssen Sie sich das vorstellen. Die sanitären Zustände sind nicht vorstellbar. Man läuft auf zermatschtem Müll. Abwasser und eine Menge Mülltüten machen die Wege glitschig und stinkend.
Wenn wir Tagebau haben, etwa in Ananea (Puno-Region) oder im Urwald in Madre de Dios (Region im Grenzgebiet zu Brasilien und Bolivien), dann sieht man die zerstörte Landschaft. Sie ist im Urwald nochmal eindrücklicher, weil dafür alle Bäume gefällt werden müssen und Mondlandschaften entstehen. Dasselbe sieht man auch bei den industriellen Minen. Ich habe noch keine renaturierte Mine in Peru gesehen.
Was sagen die Minenarbeiter über ihre Situation? Sind ihnen die Gefahren und die Umwelt egal, weil sie ja irgendwie überleben müssen? Oder ist es eher Goldgier, die eine Rolle spielt?
Alles zusammen. Die Risiken sind den Mineros bewusst, aber sie nehmen sie in Kauf. Der Erlös aus dem Goldschürfen ist soviel größer als die Alternativen auf dem Feld oder im Strassenverkauf. Und natürlich funktioniert die Goldgier, der Goldrausch, sonst lässt sich nicht erklären, dass das traditionelle "Cachorreo"-System (28 Tage schuften für den Besitzer der Mine, 1 Tag auf eigene Rechnung) von den Bergleuten mit Händen und Füßen verteidigt wird.
Wen sehen Sie vor allem in der Verantwortung - die Goldraffinerien, die Regierung Perus - oder die Endkunden, welche ja die Herkunft des Goldes selten hinterfragen?
Die peruanische Regierung: sie müsste die Formalisierung einfacher machen und andererseits die Illegalen wirklich bestrafen. So wie es jetzt ist, handelt es sich um eine große tolerierte Grauzone, wo sich Unwissenheit, Schlitzohrigkeit und Kriminalität vermischen. Der Flaschenhals der Formalisierung sind die Konzessionen: formell wird ein Bergmann erst, wenn er eine Konzession oder einen Pachtvertrag mit dem Konzessionär vorzeigt, und das ist oft unmöglich zu erfüllen.
Glauben Sie, dass fair gefördertes Gold eine echte Alternative sein kann? Können wir mit unserer veränderten Nachfrage etwas bewegen?

Mineure im "Fairmined"-zertifizierten Tagebau, Mine Sotrami, Peru. / Foto: Valerian Mazataud, Fairmined
Ja, denn damit gewinnen wirklich die kleinen Goldschürfer bzw. Genossenschaften, die beim großen industriellen Goldabbau der Multis leer ausgehen. Erstaunlicherweise funktioniert die Verteilung des Reichtums aus dem Kleinbergbau in die Regionen hinein recht gut - sofern man nur den Umsatz und die monetären Einkünfte heranzieht, also nicht Entwicklungsindikatoren wie Bildung und Gesundheit. Der andere Vorteil: bei fair zertifiziertem Gold kann man nachverfolgen, aus welcher Mine das Gold stammt.
Solange der Goldpreis so hoch ist, werden die Leute so oder so Gold schürfen, ob es erlaubt ist oder nicht. Es ist besser, dies zu formalisieren und zu erleichtern, als sie sonst ganz in die Kriminalität zu treiben. Denn das Gold wird dennoch geschürft, nur wird es dann an Drogenhändler aus Kolumbien verkauft oder illegal nach Bolivien. Aber man muss sich bewusst sein: auch formalisierter und gut beaufsichtigter Gold-Kleinbergbau zerstört Landschaften und/oder benutzt gefährliche Chemikalien. Wenn man an die Umwelt denkt, ist die Verwendung von Altgold sicher die schonendere Alternative.
Zum industriellen Goldabbau: die Landschaftszerstörung ist immens, die versprochene Renaturierung habe ich noch nirgends gesehen. Wenn es zu Unfällen mit den Chemikalien kommt, kann dies einen immensen Schaden anrichten. Die Minenunternehmen sagen zwar, dass sie die Umweltschäden kompensieren bzw. mit Technologie kontrollieren, aber die peruanische Umweltaufsicht ist sehr locker und Korruption ein großes Problem. Hauptproblem des industriellen Goldabaus ist, dass er - im Gegensatz zu den Kleinschürfern - sehr wenige Arbeitsplätze schafft und schon gar keine für die ungelernten Bauern aus der Region. Dies führt zu großer Frustration, weil die Bauern nur die Umweltverschmutzung oder das Versiegen von Wasserquellen erleiden, selber oder ihre Kinder aber nicht in der Mine ein Auskommen finden.
Frau Willer, wir danken Ihnen für die Antworten!