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Nachhaltige Lektüre: Das Unbehagen in der Demokratie

Das Buch „Das Unbehagen in der Demokratie“ des politischen Philosophen und Harvard-Professors Michael J. Sandel sieht natürlich auch den Klimawandel als eine der heutigen Hauptgefahren. Um sie zu bannen, propagiert er nicht das Ende des Kapitalismus. Und er beschwört nicht die Selbstheilungskräfte des Kapitalismus und verspricht, der Markt werde schon alles zum Guten regeln.

Sandel setzt stattdessen da an, wo es uns wehtut: Er kritisiert den Liberalismus und in der Folge auch unsere willfährige Haltung, die sich diesen Liberalismus bieten lässt. Der Liberalismus ist die Strömung, die den Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten beherrscht hat und die für alle, die in einem westlichen Industriestaat nach 1970 geboren wurden, als das Normalste der Welt erscheinen dürfte. Insbesondere – aber bei Weitem nicht nur – in den USA.

Sandel zeigt, wie es vor allem die Finanzmarktvertreter geschafft haben, uns glauben zu machen, dass wirtschaftliche Ziele und Mechanismen naturgegebene Fakten sind, an denen wir nichts ändern können. Deregulierung, Auslagerung von Arbeitsplätzen, Ausbeutung von Ressourcen, Freihandelsabkommen (und aus deutscher Sicht könnte man hinzufügen: das Aufkommen des Staates für alle Kosten der Lagerung von Atommüll): Alles nicht mehr debattierbar und angeblich alternativlos. Welchen Wert hat eine Arbeit, hat das Klima oder der Frieden? Die Antwort ergebe sich ja zwangsläufig aus den Anforderungen des Marktes, sagt der Liberalismus.

Sandel zeigt, dass das kein Naturgesetz ist, sondern eine Strömung, die erst ab den 1980er-Jahren erstarkte, absichtlich und unabsichtlich gefördert von US-Präsidenten wie Jimmy Carter und Ronald Reagan. Aber auch, und da kratzt Sandel am Denkmal, von Barack Obama. Wer verstehen will, warum die Rechtsextremen von den USA bis zur Europäischen Union immer mehr Einfluss gewinnen, der findet in diesem Buch Erklärungen, die wir in Deutschland selten hören: Finanzmarkt und Wirtschaftspolitik spielen da eine Hauptrolle. Denn sie fördern laut Sandel das Gefühl der Entmachtung, weil die Wirtschaft die Richtung vorgibt, der Bürgerinnen und Bürger und die Politik zu folgen haben.

Die Politik ist laut Sandel zum Werkzeug geworden, das beispielsweise Banken und Investmentfirmen Rechte verleiht, ohne sie im Schadensfall in die Pflicht zu nehmen – schließlich sind sie ja „systemrelevant“. Sandel fordert die Politik und uns Bürgerinnen und Bürger auf, wieder öffentlich die entscheidenden moralischen Debatten zu führen und uns das Recht dazu nicht mit dem Argument aus der Hand nehmen zu lassen, über wirtschaftliche Notwendigkeiten könne und dürfe man gar nicht erst verhandeln.

Das Unbehagen in der Demokratie
Autor: Michael J. Sandel
S. Fischer Verlag, 2023
Hardcover, 512 Seiten, 32,00 Euro
ISBN: 978-3-10-397498-0

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