„Nachhaltigkeit im Finanzwesen muss praktisch werden!“, fordert Helge Wulsdorf, Mitglied im Sustainable Finance-Beirat und Leiter Nachhaltige Geldanlagen bei der Bank für Kirche und Caritas. / Foto: BKC

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Sustainable Finance-Beirat: 31 Empfehlungen für ein nachhaltiges Finanzwesen

Der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung hat heute seinen Abschlussbericht veröffentlicht. In dem Dokument mit dem Namen „Shifting the trillions. Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation“ gibt der Beirat 31 Empfehlungen, wie die Kapitalmärkte zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Einige dieser Anregungen sind auch für nachhaltige Anlegerinnen und Anleger interessant. Sie betreffen beispielsweise grüne AIFs, Steuern auf nachhaltige Geldanlagen und eine Art Nutri-Score für Finanzprodukte.

Der 2019 gegründete Sustainable Finance-Beirat soll die Bundesregierung dabei unterstützen, eine Strategie für eine nachhaltige Finanzwirtschaft (Sustainable Finance) zu entwickeln. Dem Beirat gehören 38 Praktikerinnen und Praktiker aus Finanz- und Realwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft an. Darunter sind Vertreter der Bürgerbewegung Finanzwende, der Umweltschutzorganisationen urgewald und WWF, der Bank für Kirche und Caritas und der Triodos Bank. Aber auch Finanzexperten von BMW, der REWE-Gruppe, der Deutschen Bank und der Deutschen Börse. Die Bundesregierung will die Handlungsempfehlungen des Abschlussberichts jetzt „sorgsam prüfen“ und bei der anstehenden Ausarbeitung ihrer Sustainable Finance-Strategie berücksichtigen.

"Im Abschlussbericht wird Sustainable Finance nun für eine bisher unerreicht breite Palette an Bereichen, Akteuren und Themen konkretisiert und ist künftig aus der deutschen Finanzwelt nicht mehr wegzudenken“, sagt Dr. Karin Bassler, Beiratsmitglied und Geschäftsführerin des Arbeitskreises Kirchliche Investoren.

Die 31 Empfehlungen decken ein weites Feld von politischen Rahmenbedingungen über Unternehmensberichte bis hin zu Finanzprodukten und Bildungsangeboten ab. Folgende Punkte sind nach Einschätzung von ECOreporter für nachhaltige Investoren besonders relevant:

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Berichtspflichten: Berichtsort

Der Beirat sieht es als Transparenzproblem an, dass sich börsennotierte Konzerne bislang aussuchen können, wo sie Angaben zu ihrer Nachhaltigkeit veröffentlichen. Daher lautet die Empfehlung, „eine einheitliche Verpflichtung zur Berichterstattung über wesentliche Nachhaltigkeitsdaten innerhalb des Lageberichts anzustreben“.

Berichtspflichten: Prüfpflicht

Laut dem Abschlussbericht sind „ESG-Informationen heute noch nicht in gleichem Maße belastbar und verlässlich wie klassische Finanzinformationen“. Darunter leide die Qualität und Transparenz der Unternehmensberichte. Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung „die schrittweise Einführung einer Pflicht zur Prüfung „nicht-finanzieller Informationen“ im Lagebericht und den Einsatz für die Einführung einer solchen Prüfpflicht auf EU-Ebene“. Zudem sollten internationale ESG-Prüfstandards gestärkt werden.

Nachhaltigkeit in der Kundenberatung

Der Beirat geht davon aus, dass „die durch die MiFID-II-Verordnung künftig verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen in der Kundenberatung zu einem steigenden Interesse an nachhaltigen Finanzmarktprodukten führen“ wird. Studien belegten, dass private Anlegerinnen und Anleger ihr Geld bevorzugt nachhaltig investieren wollen. Oft scheitere dies aber an einer unzureichenden Aufklärung über nachhaltige Finanzprodukte – unter anderem weil Nachhaltigkeitsthemen bislang in der Ausbildung von Bank- und Versicherungskaufleuten kaum vorkämen. Der Beirat rät der Bundesregierung daher, „einen Mindestumfang jährlicher Pflichtschulungen für Finanz- und Versicherungsberater festzulegen“ und „auf die Integration von Sustainable Finance in die Ausbildungspläne für Bank- und Versicherungskaufleute hinzuwirken“.

Klassifizierungssystem

Ein Problem, das auch ECOreporter aus der täglichen Arbeit kennt: „Vielen Privatanlegerinnen und -anlegern fehlt bei ihrer Investitionsentscheidung ein System zur Klassifizierung konkreter Nachhaltigkeitschancen und -risiken.“ Wenn es nach dem Sustainable Finance-Beirat geht, wird die Bundesregierung ein solches System aufbauen und sich dabei an der neuen EU-Offenlegungsverordnung orientieren, allerdings neben ökologischen auch soziale Aspekte einbeziehen. Der Beirat schlägt ein Klassifizierungssystem mit einer einfachen Skala von 1 bis 5 für Nachhaltigkeitschancen und -risiken vor.

„Nachhaltigkeit im Finanzwesen muss praktisch werden!“, erläutert Dr. Helge Wulsdorf, Beiratsmitglied und Leiter Nachhaltige Geldanlagen bei der Bank für Kirche und Caritas. „Transparenz ist ein zentrales Thema. Schließlich sollen und wollen die Kunden wissen, wie es um die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten bestellt ist. Eine Nachhaltigkeitsklassifizierung schafft nicht nur Transparenz über die Nachhaltigkeitschancen und -risiken. Sie zeigt auch die Transformationsbeiträge von Finanzprodukten und wird so dazu beitragen, dass Kunden mehr Kapital für die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung zur Verfügung stellen.“

Impact-Produkte

Laut dem Abschlussbericht des Beirats scheitert „der zügige Ausbau eines nachhaltigkeitswirksamen Produktangebots bislang an regulatorischen und praktischen Hürden, etwa bei der Umstellung bestehender Finanzmarktprodukte auf ein nachhaltiges Konzept und der Auflage neuer Finanzmarktprodukte, die besondere Schwerpunkte auf nachhaltige Investitionen legen“. Der Beirat empfiehlt, „insbesondere beim wirkungsorientierten Investieren in Produkte, die einen sozialen oder ökologischen Mehrwert bieten (Impact-Produkte), die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Investitionen so einfach wie in einigen anderen europäischen Ländern werden“. Als Vorbild könnten die bisherigen Regelungen für Mikrofinanzprodukte herangezogen werden. Eine vereinfachte Zulassung beispielsweise von grünen alternativen Publikumsinvestmentfonds (AIFs) könne dazu führen, dass verstärkt in Erneuerbare-Energien-Anlagen, Sozialimmobilien und nachhaltige Infrastruktur investiert werde.

Förderung von Nachhaltigkeitsprodukten

Der Beirat regt an, neu abgeschlossene Riester-Verträge und Sparpläne für Vermögenswirksame Leistungen (VL) nur noch dann staatlich zu fördern, wenn sie die Nachhaltigkeitskriterien nach § 8 und § 9 der EU- Offenlegungsverordnung erfüllen. Zudem sollten Erträge aus Finanzprodukten, die gemäß Offenlegungsverordnung als nachhaltig gelten, bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerfrei sein.

Helge Wulsdorf ist auch Mitglied der Prüfungskommission des Fernlehrgangs ECOanlageberater. Informationen zu dem Lehrgang finden Sie hier.

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