Die Actaqua AG will neue Projekte finanzieren und bietet deshalb eine weitere Anleihe an. / Foto: Pixabay

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Actaqua-Anleihe mit 7 % Zins - wie hoch ist das Risiko?

Die Actaqua AG ist auf digitale Service-Angebote für Gebäudetechnik spezialisiert. Bei ihrer Plattform „Paul“ liegt der Schwerpunkt derzeit auf der Überwachung und Wartung von Trinkwasseranlagen. Zur Finanzierung weiterer Projekte bietet die Actaqua AG eine grüne Anleihe an. Der Green Bond bietet einen Zinssatz von 7 Prozent pro Jahr bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Welche Risiken bestehen? Können die Lieferketten ein Problem werden? Welche Rolle spielt eine Alt-Anleihe? ECOreporter hat das Angebot untersucht.

Anbieterin und Emittentin der Schuldverschreibungen ist die Actaqua AG aus Mannheim. Das Emissionsvolumen der Anleihe 2022/2027 beträgt bis zu 15 Millionen Euro. Die Mindestanlage liegt bei 1.000 Euro. Eine Zeichnung ist laut Zeitplan, der im Wertpapierprospekt (vom 12. Mai 2022) enthalten ist, ab dem 23. Mai 2022 über die Zeichnungsfunktionalität DirectPlace der Deutsche Börse AG möglich. Die Anleihe (ISIN: DE000A3MQVL6) soll laut Prospekt voraussichtlich am 9. Juni 2022 in den Freiverkehr der Frankfurter Börse einbezogen werden.

Die Emittentin kann gemäß den Anleihebedingungen erstmals nach Ablauf von zwei Jahren die Schuldverschreibungen insgesamt oder teilweise vorzeitig kündigen und (zu 103 Prozent des Nennbetrags) zurückzahlen.

Die Emittentin wurde 2017 als UR (haftungsbeschränkt) gegründet, 2018 in eine GmbH und im Februar 2022 in eine AG umgewandelt. Die Aufsichtsrätin Carolin Christina Müller hält laut Prospekt mittelbar – über die Actaqua Holding GmbH und deren Hauptgesellschafterin Actaqua Water Invest GmbH – 67,5 Prozent der Anteile an der Emittentin.

Die Actaqua AG hat vier Tochtergesellschaften. Bei denen sind nach Angaben der Emittentin unter anderem Aktivitäten in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Außendienst (Installationsbereich), Forschung und Entwicklung angesiedelt bzw. sollen angesiedelt werden. Zudem hat die Emittentin mit der Anfang 2022 gegründeten Actaqua Energy Services GmbH eine Schwestergesellschaft.

Aktuelle und geplante Geschäftsbereiche

Die Überwachung und Wartung von Trinkwasseranlagen macht laut Prospekt derzeit den Großteil des Geschäfts der Actaqua AG aus. Sie verpflichtet sich nach eigenen Angaben in den Wartungsverträgen, einen dauerhaften thermischen und hydraulischen Abgleich des Zirkulationssystems herzustellen. Damit soll eine Ansiedelung bzw. ein Wachstum von Bakterien, insbesondere Legionellen, in den Rohrleitungen verhindert werden.  

Zudem setzt die Emittentin ihre zentrale Plattform Paul (Permanent Analytic Use Log) für den automatisierten Betrieb und die Wartung von Heizungsanlagen ein. Für den Einsatz in Trinkwasser- bzw. Heizungsanlagen besteht Paul aus einer intelligenten Steuereinheit, mehreren motorgesteuerten Kugelhähnen ("Paul-Ventilen") sowie Messpunkten und Fühlern.

Neben den beiden derzeitigen Anwendungsbereichen in Trinkwasser- und Heizungsanlagen strebt Actaqua laut Prospekt insbesondere an, Paul in den nächsten drei bis fünf Jahren auch als Produktlösung für Monitoring, Wartungsplanung und Energiemanagement im Markt für Lüftungs- und Klimaanlagen einzuführen. In einem weiteren Schritt plant die Emittentin laut Prospekt, in ungefähr ein bis zwei Jahren Paul für die Gebäudetechnik von Drittanbietern zu öffnen und in circa zwei bis drei Jahren eine White-Label-Version von Paul für Trinkwasser- und Heizungsanlagen anzubieten, um Paul auch über andere Hersteller und Händler vertreiben zu können.

Actaqua will ihr Produkt- und Leistungsangebot nicht nur in Deutschland etablieren, sondern möchte ihre Produkte und Dienstleistungen zukünftig auch in Österreich und der Schweiz und in einem weiteren Schritt europaweit anbieten. Im ersten Quartal 2022 hat die Emittentin die Zahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massiv erhöht.

Begrenzte Aussagekraft von Umsatz und Gewinn und erhöhtes Risiko wegen der Alt-Anleihe?

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Bei einer Bilanzsumme von rund 32 Millionen Euro beträgt die Eigenkapitalquote der Emittentin gemäß ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2021 rund 15 Prozent. Die Umsatzerlöse konnte das Unternehmen laut Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) von rund 4,8 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2020) auf rund 10,1 Millionen Euro (2021) steigern. Die Umsatzerlöse erfassen laut Prospekt im Wesentlichen Ansprüche aus Wartungsverträgen mit einer Laufzeit von zehn Jahren, die sich erst über diesen Zeitraum auf der Ertragsseite in der Liquidität der Emittentin auswirken.

Daher haben sich auch die Forderungen der Emittentin aus Lieferungen und Leistungen deutlich erhöht: von rund 8 Millionen Euro (Ende 2020) auf rund 19,8 Millionen Euro (Ende 2021). Aufgrund der abgeschlossenen langfristigen Wartungsverträge müssen laut Prospekt sowohl die Materialkosten als auch die Kosten für Sanitär- und Elektroinstallationen von der Emittentin vorfinanziert werden. Die Emittentin trägt somit das Risiko, dass es während der Laufzeit der Verträge zu Zahlungsausfällen von Kunden kommt.

Der Jahresüberschuss der Actaqua AG erhöhte sich laut GuV von rund 970.000 Euro (2020) auf rund 2,89 Millionen Euro (2021). Die Emittentin hat öffentliche Fördermittel insbesondere des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erhalten. Diese haben im Geschäftsjahr 2021 laut Prospekt den Ertrag der Emittentin um 2 Millionen Euro erhöht. Eine Reduzierung oder ein Wegfall der Förderungen würde die Ertragssituation der Gesellschaft laut Prospekt erheblich zum Negativen ändern.

Die Actaqua AG hatte bereits 2020 eine Anleihe begeben. Diese Anleihe 2020/2025 (ISIN: DE000A3H2TU8) wurde nach Angaben der Emittentin mit 20 Millionen Euro vollständig platziert. Die neu angebotene Anleihe 2022/2027 ist nicht besichert, während die Anleihe 2020/2025 mit einer Globalzession besichert ist. Die Globalzession umfasst laut Prospekt die Abtretung sämtlicher auch zukünftiger Kundenforderungen bis zur vollständigen Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen aus der Anleihe 2020/2025 zur Zins- und Rückzahlung. Laut Prospekt hätte die Emittentin im Sicherungsfall keinen Zugriff mehr auf die Kundenforderungen.

Green Bond soll neue Projekte finanzieren

Zum 31. Dezember 2021 beschäftigte die Actaqua AG laut Prospekt 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum 31. März 2022 waren es nach Angaben der Emittentin schon 105 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bereits 2021 hatte sich der Personalaufwand der Emittentin laut GuV auf rund 2,8 Millionen Euro erhöht (2020: 1,2 Millionen Euro).

Actaqua beabsichtigt laut Prospekt, den nach Abzug der Emissionskosten (bis zu 1,1 Millionen Euro) verbleibenden Anleihe-Emissionserlös von maximal 13,9 Millionen Euro für die Vorfinanzierung der Entwicklungskosten, der Materialkosten (Ventiltechnik, Steuerung etc.), der Montagekosten (Sanitär- und Elektromontage durch Subunternehmer), des Einbaus, des Betriebs und der Wartung der Paul-Projekte zu verwenden.

Mit den Projekten soll die Trinkwasserqualität oder die Energieeffizienz von Heißwassersystemen verbessert werden. Die Emission der Anleihe und die beabsichtigte Verwendung des Emissionserlöses sowie das Green Bond-Rahmenwerk stimmen nach Einschätzung der Emittentin mit den Green Bond Principles (GBP) überein. Die Ratingagentur imug hat in einer Second Party Opinion bestätigt, dass die Anleihe im Einklang mit den Green Bond Principles 2021 steht.

Hohe Risiken

Die Actaqua AG wurde erst 2017 gegründet. Laut Prospekt sind junge Unternehmen, die sich noch im Aufbau ihres Geschäft befinden, einer erheblichen Unsicherheit und Volatilität ausgesetzt. Bei Paul handelt es sich nach Angaben der Emittentin um ein neuartiges Produkt, sodass nicht sichergestellt ist, dass es die von der Emittentin erwartete Marktakzeptanz und Marktdurchdringung erreicht. Es ist möglich, dass der Wettbewerb in der Branche der Emittentin zunimmt und Mitbewerber innovative Produkte entwickeln, die zu geringeren Marktanteilen der Emittentin führen.

Es besteht laut Prospekt das Risiko, dass es Actaqua nicht gelingt, ihre Wachstumsstrategie in Bezug auf die Expansion in weitere Absatzmärkte effektiv zu steuern und umzusetzen. Neue Märkte, in denen die Emittentin wenig oder keine Erfahrung hat, könnten sich nach Markteintritt als schwierig und wirtschaftlich unattraktiv erweisen.

Derzeit kommt es durch die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und auch die hierdurch bedingten politischen Maßnahmen zu Lieferkettenproblemen, auch in Deutschland.

Laut Prospekt haben die derzeit wesentlichen Lieferanten der Emittentin, insbesondere für Antriebe und Steuerungstechnik sowie Router, ihren Sitz in der Schweiz bzw. Litauen. Die Rohstoffe (einschließlich der für die Lieferanten notwendigen Rohstoffe) werden laut Prospekt „gegebenenfalls auch aus Schwellenländern bezogen, von denen einige instabile politische und wirtschaftliche Bedingungen aufweisen“.

Preise für Rohstoffe, Teile, Komponenten und Produktionsausrüstung können aufgrund der Änderung von Angebot und Nachfrage steigen. Laut Prospekt sind „einzelne Lieferanten der Emittentin möglicherweise ihrerseits von einem einzigen oder wenigen Lieferanten für bestimmte Schlüsselrohstoffe, -teile und -komponenten abhängig, die bei der Herstellung und Entwicklung der Produkte der Emittentin verwendet werden“.

Verzögerungen bei der Belieferung können laut Prospekt zu Ertragsverschiebungen, möglicherweise auch zu Kündigungen durch Kunden oder Schwierigkeiten bei der Auftragserteilung führen, mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Ertragssituation der Emittentin. Die verstärkte Inflation kann nach Einschätzung der Emittentin dazu führen, dass von Wohnungseigentümergemeinschaften Beschlüsse zu Investitionen in Actaqua-Produkte möglicherweise auch langfristig zurückgestellt werden.

Die bestehenden und möglichen Risiken könnten dazu führen, dass Actaqua am Laufzeitende nicht in der Lage ist, die Anleihe 2022/2027 vollständig zurückzuzahlen oder zu refinanzieren. Bei der Risikoeinschätzung ist auch zu berücksichtigen, dass die vorher zurückzuzahlende Anleihe 2020/2025 besichert ist, während die Anleihe 2022/2027 nicht besichert ist.

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