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Bürgerwerke Wachstumsfinanzierung – Neue Anleihe mit 5,5 % Zins

Die Ökostrom-Anbieterin Bürgerwerke eG möchte neue Dienstleistungen anbieten und den Kundenstamm deutlich ausbauen. Um beispielsweise die dafür erforderlichen Werbemaßnahmen zu finanzieren, bietet die Genossenschaft ab 250 Euro über wiwin die Schuldverschreibungen „Bürgerwerke Wachstumsfinanzierung 1“ an. Deren Zinssatz beträgt 5,5 Prozent pro Jahr bei einer Laufzeit von rund sieben Jahren. Wie steht die Bürgerwerke eG finanziell da? Welche Risiken sind mit ihrem Geschäftsmodell verbunden?

Anbieterin und Emittentin der nachrangigen tokenbasierten Schuldverschreibungen (Anleihe) ist die 2014 gegründete Bürgerwerke eG mit Sitz in Heidelberg.

Die Emittentin ist laut Wertpapier-Informationsblatt (WIB, Stand: 10.2.2022) ein Zusammenschluss von lokalen Bürgerenergiegenossenschaften in Deutschland, die ihre Mitglieder und Kunden mit Strom aus erneuerbaren Energien sowie mit Ökogas versorgen. Die Bürgerwerke eG erbringt dabei laut WIB den Energieeinkauf, den Vertrieb und Handel von Energie, die Abrechnung, technische und kaufmännische Dienstleistungen sowie die Beratung und Projektentwicklung in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energiespeicherung und Energiemanagement.

Zudem unterstützt die Bürgerwerke eG laut Anlagebroschüre (Stand: 7.2.2022) als Dachgenossenschaft ihre Mitglieder mit zentralem Marketing und Marketing-Dienstleistungen bei der Gewinnung neuer Energiekunden. Darüber hinaus bietet sie über Kooperationspartner Lösungen zum Aufbau von Ladeinfrastruktur, zur Direktvermarktung und für Mieterstromprojekte an. Derzeit hat die Emittentin nach eigenen Angaben um die 100 Genossenschaften als Mitglieder. Insgesamt versorgt die Bürgerwerke eG laut Anlagebroschüre mit bundesweit mehr als 70 regionalen „Bürgerstrom“-Produkten über 30.000 Haushalte mit erneuerbarer Energie. Bis 2026 will die Emittentin die Zahl ihrer Kundinnen und Kunden im Kerngeschäft Energieversorgung auf 100.000 mehr als verdreifachen.

Wozu dient das Anlegerkapital?

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Das Emissionsvolumen der Anleihe „Bürgerwerke Wachstumsfinanzierung 1“ beträgt laut WIB 8 Millionen Euro. Abzüglich der Emissionskosten ist bei Vollplatzierung ein Nettoemissionserlös von rund 7,2 Millionen Euro vorgesehen. Dieser soll WIB die Umsetzung der unternehmerischen Wachstumsstrategie finanzieren. Der Fokus liegt dabei laut WIB auf zusätzlichen Werbemaßnahmen, um den Kundenstamm des Kerngeschäfts Energieversorgung deutlich auszubauen. Zudem sollen neue Dienstleistungen für Bürgerenergiegenossenschaften entwickelt werden, um den Ausbau Erneuerbarer Energien weiter zu beschleunigen. Die geplanten Dienstleistungen betreffen den Angaben nach den Vertrieb von Solar-Dachanlagen für Privat- und Gewerbekunden, die Projektierung von Solar-Freiflächenanlagen sowie die Vermarktung des Stroms aus Erneuerbare-Energien-Anlagen, bei denen die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausläuft.

Hohe Risiken

Für alle Zahlungsansprüche aus den tokenbasierten Schuldverschreibungen gilt eine vorinsolvenzrechtliche Durchsetzungssperre. Die Ansprüche der Anlegerinnen und Anleger sind in einer Insolvenz oder Liquidation der Emittentin nachrangig.

Die Emittentin betreibt Energiehandel und versorgt Privat- und Gewerbekunden mit Ökostrom und -gas. Dafür kauft sie Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen und liefert diesen über die vorhandenen Stromnetze an private oder gewerbliche Endverbraucher. Im Geschäftsfeld des Energiehandels bestehen laut WIB insbesondere Risiken einer Fehlkalkulation des Abgabepreises sowie einer in Menge oder Preis nicht stimmigen Beschaffung. Beispiel: Laut Anlagebroschüre sind durch außergewöhnlich stark gestiegene Beschaffungskosten im Rahmen der Energiepreiskrise im vierten Quartal 2021 Mehrkosten von rund 2 Millionen Euro entstanden, die mittelfristig aus Roherträgen der Folgejahre ausgeglichen werden sollen. Die Erlöse aus dem Kerngeschäft Energieversorgung tragen laut Anlagebroschüre rund 90 Prozent zum Rohertrag der Emittentin bei.

Nach dem letzten aufgestellten Jahresabschluss zum 31. Dezember 2020 weist die Emittentin aufgrund von Verlustvorträgen aus den Geschäftsjahren bis 2018 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 1,1 Millionen Euro auf. Zum 31. Dezember 2020 beträgt die Bilanzsumme der Emittentin rund 4,5 Millionen Euro und das Anlagevermögen rund 22.000 Euro. Sollte die Emittentin nicht in der Lage sein, Überschüsse aus ihrer Geschäftstätigkeit zu erzielen, besteht das Risiko, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen auf die bestehenden Verbindlichkeiten nicht nachkommen kann. Aufgrund der Wachstumsinvestitionen kalkuliert die Emittentin mit negativen Ergebnissen von rund 2 Millionen Euro (2022) und rund 3,5 Millionen Euro (2023). Ab 2026 erwartet das Unternehmen laut Anlagebroschüre ein positives Ergebnis.

Fazit

Der Ökostrommarkt ist wettbewerbsintensiv und Preisschwankungen unterworfen. Es ist unsicher, ob die Bürgerwerke eG mit Werbemaßnahmen den Kundenstamm wie geplant deutlich ausbauen kann und wieder die Gewinnzone erreichen wird. Die Emittentin verfügt laut Jahresabschluss 2020 über kein Anlagevermögen in Form von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Zudem ist die Anleihe „Bürgerwerke Wachstumsfinanzierung 1“ mit einem Nachrang versehen, sodass für Anlegerinnen und Anleger erhebliche Risiken bestehen, dass sie ihr eingesetztes Kapital vollständig verlieren.

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