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Crowd-Investment Lemonaid: Brutto sozial pro Schluck
Es ist eine besondere Limonade: Sie hat Inhalt. Echte Früchte, echten Tee. Bio, fairtrade und geistig gepfeffert. „Hey Donald, auch als Flasche kann man die Welt verbessern!“, war einer der kultigen Werbeslogans von Lemonaid. Nun startet das Hamburger Unternehmen ein Crowd-Investment. ECOreporter hat mit dem Gründer Paul Bethke gesprochen.
ECOreporter: Kannst Du Dich an Deine erste Limonade im Leben erinnern?
Paul Bethke: Durfte ich nie trinken. Gab es damals nur in völlig überzuckert.

Limonaden und Teegetränke von Lemonaid. / Foto: Lea Aring
Damals: Was hat Dich in Kindheit und Jugend geprägt?
Grundsätzlich habe ich früh mitbekommen, wie privilegiert ich bin. Und dass es nichts Erarbeitetes ist. Wer kann von sich schon sagen, dass er etwas für seinen Pass oder die Eltern getan hat? Im Moment der Geburt. Ob man hier Glück hat oder nicht, ist reine Lotterie. Dann bin ich auf eigenen Wunsch mit 15 nach Sri Lanka und dort zur Schule gegangen. Das hat meinen vorherigen Eindruck noch einmal verstärkt. Ab hier war es immer mein Wunsch, meine Vorteile für diejenigen zu nutzen, die beim russischen Roulette des Lebens weniger Glück hatten. Um besser zu verstehen, wie die Uhren der Welt ticken, habe ich dann noch Wirtschaft, etwas Philosophie und Religionswissenschaften studiert. In Großbritannien, Deutschland und die letzten Jahre an der Sorbonne in Paris.
Was hast Du nach dem Studium gemacht?
Es hat mich direkt zur GIZ gezogen, also zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Ich dachte, über Entwicklungszusammenarbeit den direktesten positiven Hebel zu haben. Da lag ich falsch. Es schien schlicht nicht effizient. Die Gehälter und Ausgaben je Mitarbeiter ließen sich damals nur schwer rechtfertigen. Im Verhältnis zum Impact. Ich bin dort sehr schnell wieder ausgestiegen und habe überlegt, was ich sonst tun kann.
Und?
Da kam mir die Idee, über den Verkauf von Produkten Projekte zu finanzieren. Mit jedem verkauften Artikel. Das war 2006 ein recht neuer Gedanke. Zumindest außerhalb der klassischen Welt und Bioläden. Auch wenn es heute wie ein alter Hut klingen mag. Im Getränkebereich waren wir damit die Ersten.
Okay, eine Idee im Kopf. Wie trägt man so etwas in die Realität?
Als die grobe Idee stand, haben wir unsere Rucksäcke gepackt und sind in die fernsten Länder gereist, um Kooperativen zu finden, mit denen wir arbeiten wollen. Die wirklich nachhaltig sind und deren Unterstützung wir vollends befürworten. Ob nun in Ruanda oder Südafrika, Indien, Mexiko oder Paraguay. Zunächst wollten wir uns selbst von allen ein Bild machen. Das war wichtig, denn oftmals ist die Situation vor Ort weniger nachhaltig, als man es sich vorstellt. Da gibt es große Unterschiede.

Seinen Rooibos-Tee bezieht Lemonaid von der Heiveld Kooperative in Südafrika. / Foto: Jodi Windvogel, Heiveld Kooperative
Hast Du ein Beispiel?
In Südafrika gibt es Plantagen, die zwar nachhaltige Zertifikate haben, jedoch ausschließlich in „weißer“ Großgrundbesitzer-Hand sind. Wir wollen aber lokale, indigene Landwirtschaft unterstützen. Ein Katalog der Siegelanbieter bringt hier wenig, wir haben selbst recherchiert. In Südafrika arbeiten wir heute mit einer lokalen Kooperative, die Rooibusch-Teepflanzen anbaut. Durch unsere Unterstützung konnte die Kooperative mittlerweile sogar das Land selbst kaufen.
Ich müsste doch am Siegel erkennen können, ob es sich um Großplantagen handelt oder nicht.
Nein, ob Großplantage der Weißen oder Kooperative: Der Tee beider Anbieter trägt identische Siegel. Bezogen auf Nachhaltigkeit liegen jedoch Welten dazwischen. Der Tee der Großplantage ist natürlich billiger als derjenige der Kooperative. Es macht für uns aber keinen Sinn, bei den Rohstoffen zu sparen, nur um dann das Gesparte wieder an Projekte zu spenden. Vielmehr muss der Einkauf direkt nachhaltigen Projekte nutzen. Deshalb entscheiden wir uns immer für die nachhaltigste lokale Initiative.
Als Du Lemonaid gestartet hast, hast Du damit gerechnet, dass daraus ein Job wird oder gar ein Unternehmen?
Ja. Immer. Ich bin über unseren Erfolg sehr erfreut, aber wenig überrascht. Es ist ein wirklich gutes Bio-Produkt aus echtem Tee und frischen Säften. Viele der Zutaten sind sogar Demeter-zertifiziert. Da es nicht alle sind, dürfen wir es leider nicht auf die Flaschen schreiben. Zusätzlich ist jede Zutat fair gehandelt. Darüber hinaus wird mit jedem verkauften Produkt eine weiterer konkreter sozialer Beitrag in den Anbauländern geleistet. Unsere Produkte leisten somit schon viel. Dass das funktioniert, freut mich natürlich sehr. Aber wie gesagt, es wundert mich wenig.

Lemonaid-Mitarbeiter bei einem Besuch der Heiveld Kooperative. / Foto: Jodi Windvogel, Heiveld Kooperative
Lemonaid ist erfolgreich, das sieht man ja. Ist Lemonaid eigentlich noch unabhängig, oder bist Du in Wirklichkeit auch so eine Marionette an den Fäden eines Brauereikonzerns?
Wir sind in Gründerhand. Zu 100 Prozent. Das unterscheidet uns essenziell. Marionette sein war nie meins. Es war natürlich nicht einfach, diese Unabhängigkeit zu bewahren. Jedes Start-up benötigt Finanzmittel. Die bekommt man meist nur sehr schwer. Aufgrund der schwierigen Situation sitzt man oft am kürzeren Hebel: bis der Erfolg eintritt. Dann ist es jedoch meist zu spät für echte Unabhängigkeit. Leider ist es vielen Start-ups zu aufwendig, geeignete Kapitalgeber zu suchen. Die nehmen dann Abkürzungen, und am Ende stehen die großen Wettbewerber oder Venture-Capital-Firmen hinter den Projekten. Das ist traurig und spielt auch auf gefährliche Weise mit dem Vertrauen der Verbraucher. Das ist bei uns anders. Wir hatten jedoch von Beginn an Geldgeber, die das Projekt Lemonaid fördern wollten. Und sich dann aber auch wieder zu fairen Konditionen zurückgezogen haben. Natürlich haben wir auch explizit nach solchen Personen gesucht. Um in der Sache erfolgreich zu sein, muss man Extra-Meter machen.
Kurzer Werbeblock: Eure Getränke sind ja lecker. Echt. Aber warum werbt ihr mit "Brutto sozial pro Schluck" und ähnlichen - zugegeben: tollen! - Slogans? Wo bitte ist dennausgerechnet bei Limonade das soziale Element?
Mit jeder Flasche Limonade, die getrunken wird, gehen 5 Cent in den gemeinnützigen Lemonaid & ChariTea e.V. Noch mehr beim Tee. Völlig gewinnunabhängig.
Moment. 5 Cent pro Flasche bedeutet 15 Cent pro Liter. Und noch einen Moment: Gewinnunabhängig? Nur mal angenommen, ihr erzielt in einem Jahr keinen Gewinn – dann bleiben die Zahlungen für die gemeinnützigen Projekte gleich?
Ja! Immer mindestens 5 Cent pro Flasche. Um für den Kunden ein klares System nennen zu können. Übrigens ist das ein wesentlicher Anteil unseres Umsatzes. Damit sind wir in der Branche allein. Hierüber haben wir aktuell bereits über 6 Millionen Euro für gemeinnützige Projekte in den Anbauregionen unserer Rohstoffe zusammenbekommen. Allein dieses Jahr ist es über eine Million Euro. In Summe weit mehr, als es bis dato die Gewinne je hergegeben hätten. Einfach durch Konsum eines guten Bio-Produktes.

Der Lemonaid-Partner Seed bietet arbeitslosen Jugendlichen in Kapstadt Ausbildungsplätze an. / Foto: Jodi Windvogel, Seed
Trinken eigentlich die Menschen, denen ihr die Zitronen, die Orangen, den Ingwer und andere Früchte oder Tees abkauft, gerne Lemonaid?
Ich erinnere mich, wie unsere Lemonaid Limette den Bauern in Paraguay viel zu sauer war. Die konnten es kaum trinken. Das brachte alle zum Lachen. In Sri Lanka wiederum ist den dortigen Partnern unser Tee meist nicht süß genug. Das ändert sich für Sri Lanka allerdings gerade; die dortige Supermarktkette hat uns ins Spiel gebracht. Denen gefallen unserer Produkte sehr gut. Aber das sind natürlich auch urbanere Käufer. Und vor zehn Jahren wäre das mit Sicherheit noch nicht der Fall gewesen. Der Trend hin zu gesünderen Getränken aus Biozutaten geht um die Welt. Gänzlich.
Aber billig ist Lemonaid nicht.
Nein. Lemonaid ist gut. Nicht billig. Haha. Wir benutzen frisch gepresste Bio- und Fairtrade-zertifizierte Säfte und Tees. Das macht in der Qualität sonst niemand. Das hat sogar dazu geführt, dass wir kaum einen Abfüller finden konnten. Selbst wenn Lemonaid etwas mehr kostet: Wir haben nun seit zwölf Jahren die Preise nicht erhöht. Mittlerweile kostet Lemonaid nur noch geringfügig mehr als Marktbegleiter.
Was man schon immer wissen wollte: Hast Du selbst auch so einen Lemonaid-Flaschen-Flüssigseifenspender im Bad?
In der Küche ja. Im Bad nicht. Da konnte ich mich noch nicht durchsetzen. Unsere Produkte eignen sich ideal zum Upcycling. Da haben unsere Kunden und Partner viel Freude dran. Und es macht unsere Mehrwegflaschen, die nicht mal ein Label tragen, noch langlebiger. Wir füllen Lemonaid übrigens ausschließlich in Mehrwegflaschen ab.
Kommen wir langsam zum Thema: Warum sammelt Lemonaid Geld?
Wir gehen bald mit einer Crowd-Investing-Aktion an den Start. Wer möchte, kann dann Teil unserer Geschichte werden, auch finanziell. Wir sind seit zwölf Jahren gut unterwegs. Und seit Jahren profitabel. Selbst während der Corona-Pandemie. Also kein Start-up, das sich mit viel Geld aufblasen will. Wir sind auch nicht in Geldnot.
Und warum dann Crowd-Investing?
Der Grund ist einfach: Wir haben jetzt die Möglichkeit, ein altes, hochpreisiges Nachrangdarlehen abzulösen. Zum Ende des Jahres. Und wir möchten die Zinsen lieber an unsere Unterstützer zahlen als an konventionellere Geldgeber. Wieso sollte nicht die engagierte Crowd davon profitieren? Konkret zahlen wir 5 Prozent feste Zinsen über eine Laufzeit von fünf Jahren. Zusätzlich profitiert jede und jeder von möglichen Gewinnen. In Summe können es dann 6 bis 7 Prozent pro Jahr werden.
Aha. Sag mal, was machst Du in fünf Jahren?
Die Zeit fliegt. Hoffentlich lerne ich weiterhin viel dazu. Und komme damit für mich weiter. Alles andere vergeht zu schnell.
Infos zum Crowd-Investment gibt es hier (da ECOreporter keine Links zu Finanzprodukten aktiviert, bitte bei Interesse Link kopieren und im Browser einsetzen):
http://crowdinvesting.lemon-aid.de