Eine Windturbine von Encavis. Wie geht es weiter mit der Windkraft an Land? / Foto: Unternehmen

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Interview: „Neue Windkraftanlagen könnten profitieren“

Die deutschen Bundesländer können Mindestabstände bis zu 1.000 Metern zwischen Wohnhäusern und Windkraftanlagen künftig selbst festlegen. Darauf hat sich die Bundesregierung nach langer Debatte geeinigt. Doch wie sieht die Windbranche diese Entscheidung? Dierk Paskert, Vorstand der Encavis AG, über verlagerte Probleme, vorauseilenden Gehorsam bei Fledermäusen und die schwer zu steigernde Akzeptanz von Windparks.

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Herr Paskert, können die neuen Abstandsregeln die Windkraft an Land in Deutschland wieder nach vorne bringen?

Dierk Paskert: Im Prinzip ja, doch die eigentliche Problematik bleibt erhalten und ist jetzt nur vom Bund auf die einzelnen Bundesländer verlagert worden. Die Hoffnung besteht natürlich, dass einzelne Bundesländer individuell zukünftig Windkraftanlagen weniger kategorisch ablehnen und positiv entscheiden.


Dierk Paskert, CEO der Encavis AG. / Foto: Unternehmen

2019 lag der Anteil der Windkraft am erzeugten deutschen Bruttostrom bei 21,1 Prozent. Was müsste geschehen, um diesen Anteil wesentlich zu steigern?

Entweder weht mehr Wind, oder neue, zusätzliche Kapazitäten werden ans Netz angeschlossen. Andernfalls wird aus den bestehenden Anlagen unter der bisherigen Gesetzes- und Verordnungslage ohne die Ertüchtigung des Stromnetzes – also Investitionen in die bestehende Infrastruktur – keine Steigerung möglich sein.

Kleine Steigerungen würden sich allerdings ergeben, wenn eine intelligente, digitalisierte Abschaltungsregelung implementiert würde. Ein kleines Beispiel: Heute schalten wir bereits in einem sogenannten „vorauseilenden Gehorsam“ Windkraftanlagen ab, sobald eine Mitteilung uns einen potenziellen Fledermausflug avisiert, unabhängig davon, ob es tatsächlich zum Fledermausflug kommt. Dank moderner, smarter Sensorik wäre es aber bereits heute schon möglich, die Windkraftanlagen erst direkt abzuschalten, wenn tatsächlich Fledermäuse ausfliegen.

Können aktuelle Projekte von dem neuen Kompromiss profitieren?

Klare Antwort zu bereits bestehenden und ans Netz angeschlossenen Anlagen: Nein. Neu zu planende Windkraftanlagen könnten je nach individueller Entscheidung einzelner Bundesländer gegebenenfalls davon profitieren.

Wie wichtig ist die neue Regelung für das Repowering, also das Ersetzen alter Anlagen durch neuere und leistungsfähigere?

Das Repowering könnte davon profitieren, wenn Altanlagen, die nach neuer Abstandregelung keine Genehmigung mehr für den weiteren Betrieb nach Ablauf ihrer bisherigen Betriebsgenehmigung erhalten würden, weiterhin betrieben werden respektive durch modernere neue Windkraftanlagen ersetzt, also „repowered“ werden dürften.

Was halten Sie von dem Vorschlag, den Strompreis für Bürger, die in der Nähe von Windkraftanlagen wohnen, zu verringern?

Es wäre einen Versuch wert, ein Schritt in die richtige Richtung und wirtschaftlich mit Sicherheit die günstigere Variante, als die Opportunitätskosten einer zehnjährigen Verhinderung oder Verzögerung in Kauf zu nehmen. Wenn Anwohner von den Anlagen profitieren, kann das die Akzeptanz deutlich steigern und somit auch die Zubauzahlen gegebenenfalls wieder steigen lassen. Fraglich bleibt aber, ob der doch eher überschaubare finanzielle Anreiz für jeden Einzelnen die in der Regel fundamentalen Bedenken der Ablehnung kompensieren können. Einzelne sogenannte Bürger-Windparks könnten eine Alternative sein, solange die fundamentale Ablehnung nicht überwiegt.

Kann die Wende zur Elektromobilität auch dem Windkraftausbau einen Schub verleihen?

Generell bedingt der Ausbau der E-Mobilität zusätzlichen Strombedarf. Ich wäre aber vorsichtig in der Kombination zweier komplexer und bereits individuell kontrovers diskutierter Technologien, die jede für sich schon zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt. Die Kriterien der individuellen Ablehnung beider Technologien dürften auch in der Kombination nicht weniger werden.

Herr Paskert, vielen Dank für Ihre Antworten!

Mehr zum Thema finden Sie in den ECOreporter-Interviews mit Alexander Koffka, Bereichsleiter für Öffentlichkeitsarbeit und Investorenbetreuung bei ABO Wind und ABO Invest, und Felix Losada, stellvertretender Leiter Unternehmenskommunikation beim Windanlagenbauer Nordex.

Encavis ist eine ECOreporter-Favoriten-Aktie aus der Kategorie Grüne Spezialwerte. Lesen Sie auch den aktuellen ECOreporter-Windaktien-Rückblick.

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