Den Kredit dieses Mikrofinanzkunden hat die Bank im Bistum Essen finanziert. Trotz der Virus-Pandemie zahlen die meisten Kreditnehmer ihre Darlehen weiterhin fristgerecht zurück. / Foto: BIB

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Interview: Mikrofinanz & Corona – „Die Erholung wird sich über Jahre hinziehen“

Mikrofinanzfonds haben sich bislang in der Corona-Krise als erstaunlich stabil erwiesen. Woran das liegt und wo weiterhin Risiken lauern, erläutert Michael P. Sommer, Direktor der im Mikrofinanzbereich stark engagierten Bank im Bistum Essen (BIB).

Mikrofinanzfonds sammeln Kapital ein, um es in armen Weltgegenden an Mikrofinanzinstitute zu verleihen. Diese Banken finanzieren damit Mikrokredite. Das sind Darlehen an Kleinstunternehmer, die sich damit aus der Armut herausarbeiten können.

Der Rechtsanwalt Michael P. Sommer managt unter anderem seit vielen Jahren den Publikumsfonds KCD Mikrofinanzfonds – III. Vor Corona hat der Direktor Auslandskunden der BIB viele Länder, in denen seine Bank in Mikrofinanz investiert, selbst bereist.

ECOreporter: Herr Sommer, keiner der in Deutschland etablierten Mikrofinanzfonds hat 2020 an Wert verloren – obwohl die Corona-Pandemie zahlreiche Partnerländer der Fonds schwer getroffen hat. Warum kommt der Mikrofinanzsektor so robust durch die Krise?

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

Michael Sommer: Das letzte Jahr hat deutlich gemacht, dass die konkreten Geschäftsmodelle der Mikrofinanzinstitutionen oft eine gute Krisen-Resilienz haben, aber auch das Geschäftsmodell Mikrofinanz als solches. Die hohe Streuung des eingesetzten Kapitals, die niedrigen Kreditgrößen, die kurzen Kreditlaufzeiten, die hohe Frequenz von Zins- und Tilgungsleistungen sowie die enge Begleitung durch die Kreditsachbearbeiter der Mikrofinanzinstitutionen sind gerade auch in Krisensituationen nachweislich hilfreich. Ebenso die soziale Komponente der Geschäftsmodelle sowie der besonders hohe Erfolgswille der Endkreditnehmer. Für unsere Fonds kann ich aber auch hinzufügen, dass eine konservative Risikostrategie bei den Investments und eine Kreditanalyse nach Bankenstandard sicher mit dazu beigetragen haben, dass die Fonds auch im Krisenjahr 2020 eine positive Wertentwicklung erwirtschaftet haben.


Michael P. Sommer, Fondsmanager und Direktor der BIB. / Foto: Unternehmen

Wie stehen die Mikrofinanzinstitute vor Ort da?

In praktisch allen Zielmärkten unserer Fonds stehen die Mikrofinanzinstitutionen vor der immensen Herausforderung, dass gerade ihre Kundenklientel zu der vulnerabelsten Bevölkerungsschicht im jeweiligen Land gehört. Es sind die ökonomisch Armen, die mangels Reserven am stärksten unter den wirtschaftlichen Folgen der Gesundheitskrise zu leiden haben. Hinzu kommt, dass auch die jeweiligen Regierungen nicht über die Mittel verfügen, mit wirksamen Konjunktur- und Sozialprogrammen die Folgen ihres Handelns für die Bevölkerung abzumildern. Lockdowns und Zahlungsmoratorien (vom Staat verfügte Zahlungsaufschübe – Anm. d. Red.) für die Endkunden betreffen deshalb unmittelbar die Liquiditätssituation der Finanzdienstleister, deren Portfolioqualität sowie in der Folge die mit den notwendigen Rückstellungen verbundenen Ergebniseinbrüche. Und es wird noch lange dauern, bis in allen Ländern ein ausreichendes Impfangebot zur Verfügung steht.

Wie gehen die Mikrofinanzinstitute mit diesen Herausforderungen um?

Sie bemühen sich sehr, ihren Kunden (und natürlich auch sich selbst) durch die Krise zu helfen. Sie gewähren ihrerseits Tilgungsaufschübe, Kreditverlängerungen, Restrukturierungen laufender Kredite und stellen auch ergänzende Finanzierungsmittel für Liquiditätsengpässe oder einen Neustart zur Verfügung. Mich erinnert das oft an das bekannte Zitat von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einem der Gründer der Genossenschaftsbanken: „Was einer alleine nicht schafft, schaffen viele.“ Dies hat ohne Zweifel seine stabilisierende Wirkung in dieser schwierigen Situation.

Wie hat sich der Anteil der ausfallgefährdeten Kredite in der Corona-Krise bei Ihrem KCD Mikrofinanzfonds – III entwickelt?

Viele unserer Kunden haben auch im vergangenen Jahr pünktlich ihre Zins- und Tilgungsleistungen erbracht. Dies ist eine herausragende Leistung unserer Partner, deren Kreditnehmer ja wie schon erwähnt zu der ökonomisch schwächsten Bevölkerungsgruppe in ihrem Land zählen.

Sind in der Krise Mikrofinanzinstitute pleitegegangen?

Wir haben bisher tatsächlich in keinem unserer derzeit 30 Investitionsländer eine pandemiebedingte Insolvenz unter unseren Mikrofinanzpartnern zu verzeichnen. Aber richtig ist natürlich auch, dass wir im Fonds eine Reihe von Bewertungsabschlägen vornehmen mussten, die aus einer verschlechterten Portfolioqualität, erhöhtem Rückstellungsbedarf und der entsprechenden Ergebnisbelastung resultieren. Alle Beteiligten stehen im Risiko. Kreditgeschäft in Risikoländern ist schon in normalen Zeiten nicht ohne Risiko möglich, viel weniger in dieser Zeit. Die Gesundheitskrise führte zu einer massiven Wirtschaftskrise. Die daraus resultierenden Risiken auch in den Mikrofinanzfonds werden uns noch eine Weile erhalten bleiben. Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass der Fonds auch zukünftig eine stabile Entwicklung nehmen wird.


Michael Sommer 2007 bei einem Besuch in Zentralamerika. / Foto: BIB

Welche Möglichkeiten haben Sie als Bank und Fondsanbieter, in der Krise Mikrofinanzpartnern zu helfen?

Wir verstehen uns als Teil einer Wertschöpfungskette, die in ihrer Gesamtheit vom Anleger über die Bank, den Mikrofinanzfonds und die Mikrofinanzinstitution bis hin zum Endkunden Wertschöpfung durch Wertschätzung erreichen will und somit eine Verbindung von Ethik und Rendite. Um die Mikrofinanzpartner durch diese erste Schockwelle zu begleiten, haben sich deshalb die Geldgeber wie die BIB weltweit zu einer beispiellosen Aktion zusammengefunden.

Obwohl sie im Wettbewerb zueinander stehen?

Ja. Die refinanzierenden Institute haben Wege gesucht, um den Mikrofinanzinstituten Zeit zu verschaffen – etwa durch eine Verlängerung der Kreditlaufzeit um drei bis zwölf Monate, eine befristete Duldung schlechterer Finanzkennzahlen und die Verabredung, laufende Kredite nicht pandemiebedingt fällig zu stellen. Dies bedingte extrem intensive und langwierige Verhandlungen mit jeweils vielen Partnern, war aber nach derzeitigem Stand zielführend, wenngleich weiterhin insbesondere im Bereich der Portfolioqualität Risiken bei den Mikrofinanzinstituten und damit auch in den Fonds verbleiben. Darüber hinaus haben wir über die Fairbanking-Stiftung der BIB mehreren unserer Mikrofinanzkunden eine direkte Unterstützung für medizinische Hilfsmittel oder Basispakete für existenzielle Bedürfnisse in den Bereichen Nahrung und Hygiene zukommen lassen.

In vielen armen Ländern werden die Menschen später geimpft sein als in den Industrienationen. Mit was für einer Entwicklung rechnen Sie in den nächsten Monaten? In welchen Regionen und Branchen sehen Sie besonders hohe Risiken?

Die wirtschaftliche Erholung wird sich in den meisten Zielmärkten unserer Mikrofinanzfonds über Jahre hinziehen. Abhängig von den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern wird dies sehr unterschiedlich schnell gehen. Die Finanzierungsanfragen z.B. aus Osteuropa sind bereits wieder deutlich angestiegen, auch die aus Asien, während Lateinamerika noch nicht so weit ist und in Afrika weithin die Pandemie nicht als das größte Risiko angesehen wird, da es viele andere unmittelbar lebensbedrohliche gesundheitliche und soziale Lebenswirklichkeiten gibt. Bei den Mikrofinanzinstitutionen ist das Risiko unter anderem auch von der jeweiligen Kernkundengruppe abhängig: So ist der Dienstleistungssektor eher durch Regierungshandeln gefährdet als zum Beispiel die Landwirtschaft.

Schon vor Corona waren die Renditeerwartungen von Mikrofinanzfonds gesunken. Wird sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzen?

Zunächst ist zu sagen, dass Mikrofinanz, d.h. das Zurverfügungstellen von Basisfinanzdienstleistungen wie Sparen, Kredit, Versicherungen und Geldtransfer, eine immense soziale Rendite – neudeutsch „Impact“ – bewirkt. Denn dadurch, dass das Anlegergeld in der Realwirtschaft arbeitet, wird Millionen Menschen die Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben eröffnet. Da das eine enge Begleitung jedes einzelnen Kreditnehmers erfordert, ist dies teuer und führt für den Anleger zu einer finanziellen Rendite, die überschaubar ist. Richtig ist, dass der Margendruck in den Märkten deutlich zugenommen hat, doch können wir immer noch auskömmliche Konditionen vereinbaren. Wir haben bisher jedes Geschäftsjahr mit einem auch finanziell positiven Ergebnis abgeschlossen. Wir gehen davon aus, dass dies auch zukünftig so bleiben wird.

Die etablierten Mikrofinanzfonds konnten auch 2020 unter dem Strich Mittelzuflüsse verzeichnen. Der Mikrofinanzsektor scheint also weiterhin viel Vertrauen zu genießen. Was für Rückmeldungen erhalten Sie in Corona-Zeiten von Anlegerinnen und Anlegern?

Wir informieren die Anleger regelmäßig über die Auswirkungen der Pandemie auf die Fonds und bekommen durchweg positive Rückmeldungen. Wir haben keine Abflüsse von Anlegergeldern zu verzeichnen – sondern im Gegenteil weitere Nachfrage nach Neuzeichnungen, die wir hoffentlich bald wieder bedienen können. Denn im Interesse der Bestandsanleger nehmen wir vorübergehend keine Neuzeichnungen entgegen. Aufgrund unserer gerade auch in der Krise vorsichtigen Anlagepolitik verfügt der KCD Mikrofinanzfonds – III über eine erhöhte Liquidität, die mit einem Anstieg der Finanzierungsnachfragen in den nächsten Wochen wieder abgebaut wird. Insgesamt gibt es weiterhin ein berechtigtes Vertrauen in die Anlageklasse Mikrofinanz, die auch zukünftig Grundbedürfnisse der Menschen adressiert und zugleich dem Anleger einen wesentlichen Stabilitätsfaktor in seinem Portfolio anbietet.

Sie hatten in unserem letzten Gespräch die unterschiedlichen Bewertungsmethoden der Mikrofinanzfonds als Problem für die Vergleichbarkeit der Fonds genannt, gerade in Krisenzeiten. Die Kurse von Mikrofinanzfonds bilden sich nicht wie bei Aktien am freien Markt durch Angebot und Nachfrage, sondern werden von spezialisierten Agenturen festgelegt. Gibt es in der Branche Bestrebungen, gemeinsame Standards für die Wertfeststellung zu entwickeln?

Dies ist eines der Themen, von denen ich hoffe, dass sie nach der Krise unter dem Stichwort „lessons learned“ angegangen werden. Wir haben im vergangenen Jahr feststellen müssen, dass bezüglich der Wertfeststellung der Mikrofinanzfonds die erwarteten Risiken aus der Krise zeitlich wie inhaltlich unterschiedlich verarbeitet wurden. Dadurch waren die einzelnen Fonds in ihrer Wertentwicklung über Monate hinweg nicht wirklich miteinander vergleichbar. Im Interesse der Anleger ist dies sicher ein Punkt, in dem die Anlageklasse Mikrofinanzfonds noch optimiert werden kann.

Herr Sommer, vielen Dank für Ihre Antworten!


ECOreporter hat hier vier Mikrofinanzfonds eingehend getestet.

Mehr zur Wertentwicklung der Fonds können Sie hier lesen.

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