Meyer Burger-Chef Gunter Erfurt bei der Eröffnung des Werks in Bitterfeld-Wolfen: "Optimale Bedingungen gefunden." / Foto: Unternehmen

  Nachhaltige Aktien, Erneuerbare Energie, Interview

Interview mit Meyer Burger-Chef: „Drei Jahre Technologievorsprung“

Der Schweizer Solartechnikkonzern Meyer Burger produziert seit Juli Solarzellen und Solarmodule in Freiberg (Sachsen) und Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt). Im ECOreporter-Interview erklärt Unternehmens-Chef Gunter Erfurt, warum der Osten Deutschlands für ihn der ideale Standort ist, wie er sich gegen die asiatische Konkurrenz durchsetzen möchte und was Meyer Burger seiner Meinung nach zum nachhaltigsten Anbieter am Markt macht.

Nach Jahren ohne wirtschaftlichen Erfolg hatte Meyer Burger 2020 beschlossen, seine Strategie zu ändern: Statt wie bisher Maschinen zur Produktion von Solarzellen zu entwickeln und zu verkaufen, benutzen die Schweizer die Maschinen nun selbst. Bis Ende 2022 sollen die Produktionskapazitäten für Solarzellen und Solarmodule auf jeweils 1.400 Megawatt erweitert werden. Der Umsatz soll bis 2023 auf 500 Millionen Euro steigen.

Noch aber ist unklar, ob die Neuausrichtung des Unternehmens gelingen wird. Vorerst schreibt Meyer Burger weiter rote Zahlen, 2020 war das neunte Verlustjahr in Folge. Der Konkurrenzdruck durch günstige Solarmodule aus China ist hoch. Und als sogenannter Pennystock mit einem Kurs im Cent-Bereich ist die Meyer Burger-Aktie zudem anfällig für Spekulationsgeschäfte. Für ECOreporter bleibt sie daher ein riskantes Investment.

ECOreporter: Herr Erfurt, die Fertigung in Deutschland ist angelaufen. Was hat für Sie als Schweizer Unternehmen den Ausschlag für die Bundesrepublik als Standort gegeben?

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

Gunter Erfurt: Wir haben nach optimalen Bedingungen für unsere Produktion gesucht und sie im Osten Deutschlands gefunden – im Solar Valley [ein Industriegebiet in Bitterfeld-Wolfen, in dem mehrere Solarunternehmen angesiedelt sind oder waren - Anm. d. Red.] und in Freiberg. Hier gibt es aufgrund der Historie an beiden Standorten erstklassig ausgebildetes, erfahrenes und hoch motiviertes Personal. Die nachhaltige Verfügbarkeit von Fachkräften und die Möglichkeit, in Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen technologische Forschung und Entwicklung voranzutreiben, machen die Standorte in Mitteldeutschland so attraktiv. Gleichzeitig darf man auch nicht vergessen, dass Meyer Burger als Produzent von PV-Maschinen bereits seit 2011 in Hohenstein-Ernstthal in Sachsen präsent ist. Dort sind auch heute große Teile der operativen Verwaltung des Unternehmens tätig. Der Hauptsitz in der Schweiz wird bleiben, ebenso unsere Forschungs- und Entwicklungs-Standorte.

Ihre Umsatzziele für die nächsten Jahre sind ambitioniert. Wann glauben Sie, die Rückkehr in die Gewinnzone schaffen zu können?

Die aktuellen Bilanzen spiegeln erwartungsgemäß die strategische Neuausrichtung des Geschäftsmodells wider. Während die Umsätze unter dem alten Geschäftsmodell zunehmend ausliefen, erzielt Meyer Burger seit Beginn des zweiten Halbjahres 2021 erste Umsätze mit Solarmodulen. Derzeit sind wir mit den vorliegenden Bestellungen aus Europa und den USA bis in das vierte Quartal 2021 hinein ausverkauft. Ab dem zweiten Halbjahr 2022 ist darüber hinaus geplant, das Portfolio im Hausdachsegment um innovative Solar-Dachziegel zu erweitern. Besonders froh sind wir, dass wir bereits im Juni und Juli 2021 die Finanzierung für einen beschleunigten Ausbau der Produktionskapazität sichern konnten. Dadurch kann schon Ende 2022 die geplante Zell- und Modulkapazität von je 1,4 Gigawatt erreicht sowie weiteres Wachstum finanziert werden.


Meyer Burgers Hauptsitz in Thun soll trotz Produktion in Deutschland erhalten bleiben. / Foto: Meyer Burger

Meyer Burger steht voraussichtlich ein harter Wettbewerb mit der asiatischen Konkurrenz bevor, die deutlich günstiger sein dürfte. Wie wollen Sie sich auf dem Markt behaupten? Welche Wettbewerbsvorteile hat Ihr Unternehmen?

Meyer Burger produziert nicht nur die leistungs- und ertragsstärksten Module, sondern setzt auch auf Nachhaltigkeit und eine lange Lebensdauer. Das macht die Module so besonders. Unser Modulwirkungsgrad ist etwa 1,5 Prozent besser als der von Standard-PV-Modulen, absolut gesehen. Dies entspricht einem Technologievorsprung von drei Jahren für Meyer Burger und wird in einem Bericht des Fraunhofer ISE aus dem Jahr 2020 so bestätigt. Zudem ist die aktuelle Standardtechnologie PERC – die von den meisten asiatischen Herstellern genutzt wird – an ihre Grenzen gestoßen. Im Gegensatz dazu hat unsere Heterojunction-Technologie ein signifikantes verbleibendes Verbesserungspotenzial, was voraussichtlich zu einer Erhöhung des Technologievorsprungs führen wird.

Neben technischem Vorsprung setzen wir auf Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht. Die Module werden nach höchsten Sozial- und Umweltstandards hergestellt. Die Werke von Meyer Burger in Deutschland beziehen Elektroenergie aus erneuerbaren Quellen, unsere Module sind, im Gegensatz zu chinesischen Modulen, frei von giftigem Blei und nach Ablauf ihrer Nutzbarkeit fast vollständig recycelbar im Sinne der Kreislaufwirtschaft.

Steht ein bestimmter Markt im Fokus?

Der weltweite Solarmarkt wächst dynamisch weiter, trotz Covid-Pandemie und in der Folge steigenden Solarmodulpreisen. Das Unternehmen rechnet damit, dass diese Dynamik in den kommenden Jahren anhält. Derzeit fokussiert Meyer Burger sich auf die DACH-Region [Deutschland, Österreich, Schweiz - Anm. d. Red.] sowie auf die europäischen Nachbarländer wie Niederlande, Frankreich, Belgien und Polen, aber auch Südeuropa, Großbritannien und die nordischen Länder.

Zudem wollen wir eine Solarmodulproduktion in den USA errichten. Dort sollen zunächst 400 Megawatt produziert werden und mehrere Hundert qualifizierte Arbeitsplätze entstehen.

Ihr Unternehmen plant bereits jetzt, die Fertigungskapazitäten zügig zu erweitern. Wie abhängig sind Sie dabei von staatlicher Förderung?

Mit vorhandenen Bestandsmitteln, dem Konsortialkreditvertrag über 125 Millionen Euro, dem Factoringvertrag über 60 Millionen Euro, zusätzlichen Mitteln aus der Kapitalerhöhung in Höhe von 80 Millionen Schweizer Franken und der grünen Wandelanleihe in Höhe von 145 Millionen Euro ist das weitere kontinuierliche Wachstum des Unternehmens abgesichert. Das Geschäftsmodell von Meyer Burger basiert nicht auf der Zusage staatlicher Förderung.


Das Polysilizium für die Solarzellen bezieht Meyer Burger von Wacker Chemie aus München / Foto: Wacker Chemie

Das Land Sachsen-Anhalt honorierte außerdem die besonders umweltfreundliche - und von Fraunhofer ISE bestätigte - Produktion von Solarzellen bei Meyer Burger in Thalheim mit einer Zusage für eine Umweltschutzbeihilfe in Höhe von bis zu 15 Millionen Euro sowie einem Investitionszuschuss von bis zu 7,5 Millionen Euro.

Sie beziehen das Polysilizium für ihre Solarzellen von Wacker Chemie und umgehen so kritische Lieferketten aus China. Doch auch gegenüber Wacker formulierte eine britische Studie zuletzt den Verdacht, der Konzern beziehe womöglich in Zwangsarbeit produziertes metallurgisches Silizium, einen Polysilizium-Rohstoff, aus China. Wacker hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Befinden Sie sich im Austausch mit dem Unternehmen?

Das Silizium für unsere Wafer stammt von der Firma Wacker aus Deutschland, das sichern uns unsere asiatischen Lieferanten zu. Wacker wiederum hat angegeben, dass sie keinerlei Rohmaterialien aus der Region Xinjiang beziehen.

Wir würden uns wünschen, dass alle Hersteller und vor allem die Kunden der Solarmodulhersteller diesbezüglich Transparenz fordern, um Lieferketten sicherer zu machen.

Herr Erfurt, vielen Dank für Ihre Antworten!

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