Gegen Jinko Solar und weitere Konzerne der Solarbranche gibt es Vorwürfe, sie würden von Zwangsarbeit in China profitieren. Die Unternehmen bestreiten dies. / Foto: Jinko Solar

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Zwangsarbeit in China für Solarzellen? Die Hintergründe – und was Wacker Chemie sagt

Zwangsarbeit für die Solarbranche? Nach aktuellen Untersuchungen der britischen Sheffield Hallam University und der US-Beratungsfirma Horizon Advisory schuften Zwangsarbeiter in China bei der Gewinnung von Rohstoffen und der Herstellung von Polysilizium. Es geht um Vorprodukte für die Solarindustrie.

Im Zentrum der Vorwürfe stehen Fabriken von Konzernen in der chinesischen Region Xinjiang. Nach internationalen Erkenntnissen unterdrückt hier das chinesische Regime seit Jahren die muslimische Minderheit der Uiguren und interniert diese in Umerziehungslagern. Im Rahmen eines staatlichen „Arbeits-Programms“ werden diese Menschen teils auch als Zwangsarbeiter bei der Herstellung von Polysilizium und der Gewinnung von metallurgischem Silizium in der Region eingesetzt. Letzteres wird für die Polysiliziumherstellung benötigt.

Nach Erkenntnissen von Horizon Advisory stammt etwa ein Drittel des Polysiliziums, das weltweit für die Fertigung von Solarmodulen verwendet wird, aus Fabriken in Xinjiang.

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Bereits im April stellte der britische „Guardian“ in einer Reportage deshalb eine Verbindung zwischen britischen Solarprojekten und von Zwangsarbeit profitierenden Zulieferern her. Zu den Unternehmen, die in Fabriken in Xinjiang Zwangsarbeiter einsetzen sollen, gehören nach übereinstimmenden Recherchen von Horizon Advisory und der Sheffield Hallam University etwa die Daqo Group als Polysiliziumproduzent und der weltgrößte Solarmodulhersteller Jinko Solar.

Beide Firmen bestreiten die Vorwürfe. Während Jinko Solar sich inhaltlich bislang allerdings nicht geäußert hat, zeigte Daqo sich offener: Im Mai lud das Unternehmen ausländische Journalisten und Finanzanalysten zu einer Videotour durch eine Fabrik in Xinjiang ein. Der Grund ist die Furcht des an der New Yorker Börse gelisteten Unternehmens vor US-Sanktionen, wie Daqo selbst gegenüber dem Finanznachrichtendienst Bloomberg zugab. Man bemühe sich daher „um so viel Transparenz wie möglich“.

„Es gibt keine Beweise für Menschenrechtsverletzungen, sondern nur Behauptungen“, erklärte Johnson Wan, Analyst der US-Investmentbank Jefferies, nach Ansicht der Video-Tour gegenüber Bloomberg. Nicht überzeugt zeigten sich hingegen Laura Murphy and Nyrola Elima, Autorinnen der Sheffield-Studie „In Broad Daylight“ (dt. etwa: „Am helllichten Tag“).

Bundesverband Solarwirtschaft sieht Politik in der Pflicht

Die Unternehmen müssten „unangekündigte, uneingeschränkte und unüberwachte Audits zulassen, die die Stimmen der uigurischen Arbeiter in den Mittelpunkt stellen und keinerlei Konsequenzen für Whistleblower garantieren“, erklärte Murphy, Professorin an der Sheffield Hallam University. „Kein Unternehmen kann irgendeine dieser Bedingungen in Xinjiang garantieren, solange die Internierungslager in Betrieb bleiben. Und sicherlich wird nichts davon durch Führungen durch Fabrikhallen erreicht.“

In Deutschland „dürfte der Anteil der aus China importierten Module 2020 bei rund zwei Dritteln des deutschen Marktes gelegen haben“, teilt der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) auf Anfrage von ECOreporter mit. Genaue Statistiken führe man nicht.

„Das grundsätzliche Bewusstsein über die Herausforderungen für mehr Lieferkettentransparenz dürfte in der Branche vorhanden sein", erklärte der Verband weiter. „Die Einhaltung von Standards konkret zu garantieren, über teils lange internationale Zuliefererketten, dürfte allerdings eine große Herausforderung für jedes mittelständische Unternehmen darstellen.“

Stattdessen sieht der BSW die Politik in der Pflicht, „insbesondere auf EU-Ebene“. Dies gelte schließlich auch für andere Branchen. „Für den Fall, dass sich Hinweise verdichten, müssen die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten gegenüber der Volksrepublik China auf die Einhaltung von Menschenrechten und Sozialstandards sowie die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen drängen.“

Wacker Chemie: „Menschenrechte eingehalten“

Mögliche Verbindungen nach Xinjiang hat laut Murphy und Elima auch der Münchener Chemiekonzern Wacker Chemie. Der laut dem Marktforschungsunternehmen Berenberg Research aus Würzburg 2020 drittgrößte Polysiliziumhersteller der Welt bezieht laut der britischen Studie metallurgisches Silizium als Rohstoff aus der Provinz Xinjiang. An dessen Gewinnung sollen dort Zwangsarbeiter beteiligt sein.


Wacker Chemie ist von der Sauberkeit seiner Lieferkette beim Bezug von metallurgischem Silizium überzeugt. / Foto: Wacker Chemie

Wacker Chemie erklärte auf Anfrage von ECOreporter, dem Konzern sei die entsprechende Studie bekannt. Man sei aber „überzeugt, dass die Vorprodukte unserer Solarlieferkette, die wir global von unseren Lieferanten beziehen, unter Einhaltung der Menschenrechte hergestellt werden“.

Den Großteil des für die Polysilizium-Herstellung benötigten metallurgischen Siliziums stelle das Unternehmen am norwegischen Standort Holla selbst her. Darüber hinaus benötigte Mengen würden am internationalen Rohstoffmarkt gekauft, die größten Mengen beziehe der Konzern aus Europa, Brasilien und Malaysia.

Bei Lieferanten habe Wacker „Vorgaben und Richtlinien der Zusammenarbeit. Dabei halten wir uns an die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen, die ILO-Kernarbeitsnormen und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Von den Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, erwarten wir deshalb die Einhaltung der Menschenrechte.“

Dass die Lieferketten die entsprechenden Standards einhielten, werde durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt: „So ist Wacker seit 2015 Mitglied der Initiative „Together for Sustainability“ (TFS) zum Schutz der Menschenrechte in der Lieferkette.“ Insgesamt 30 Unternehmen der Chemieindustrie haben sich dort zusammengeschlossen. Wacker Chemie weiter: „Im Rahmen von TFS werden Lieferanten regelmäßig auditiert, von uns selbst ebenso wie von anderen TFS-Unternehmen.“ 

Zum Einsatz kämen bewährte Verfahren wie der United Nations Global Compact und die Responsible Care Global Charter, so Wacker Chemie. „Wir nehmen diese Themen im Unternehmen sehr ernst. Unsere Beschaffungsstrategie und unser Lieferantenportfolio passen wir den Erkenntnissen laufend und konsequent an“, beteuert der Konzern.

Zu einzelnen Lieferanten könne man „aus wettbewerbsrechtlichen und Vertraulichkeitsgründen“ keine Angaben machen.

ECOreporter analysiert Unternehmen der Solarbranche regelmäßig, lesen Sie hier den aktuellen Überblick: Langfristig mehr als 5.000 % im Plus - das sind die besten Solaraktien. Der Problematik möglicher Zwangsarbeit in der Solarindustrie hat ECOreporter auch schon beim Test des Erneuerbare-Energien Fonds LSF Solar & Sustainable Energy Fund beschäftigt.

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