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Nachhaltige Aktien, Erneuerbare Energie, Interview
Interview zum Solardeckel: „Über 10.000 Jobs sind in Gefahr“
Der Solardeckel wird abgeschafft, darauf hat sich die große Koalition im Mai endgültig geeinigt. Mittlerweile steht fest: Im Juni soll die Gesetzesänderung im Bundestag beschlossen werden, kurz vor der politischen Sommerpause.
Keinen Tag zu früh, meint der Bundesverband Solarwirtschaft, denn schon im Juli droht nach Berechnungen des Branchenverbands sonst der Solardeckel zuzuklappen. Die im Jahr 2012 eingeführte Regelung sieht vor, dass die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit Erreichen der Grenze von 52 Gigawatt installierter Leistung ausläuft. Danach entfällt die EEG-Förderung für alle neu in Betrieb genommenen Solaranlagen bis 750 Kilowatt Leistung.
Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, über die Chancen der Branche ohne Deckel, welche Folgen die Verzögerung des Beschlusses jetzt schon hat und wie ein mögliches Dreamteam für Verbraucher gebildet werden kann.
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Herr Körnig, kann eine Abschaffung des Solardeckels in Deutschland der Photovoltaik-Branche in der Bundesrepublik noch einmal neuen Schwung verpassen?
Carsten Körnig: Die größte Herausforderung der Solarbranche ist nicht die aktuell wütende Corona-Krise, sondern eine 2012 gesetzlich fixierte Förderbeschränkung, die seit Jahren wie ein Damokles-Schwert über der gesamten Branche schwebt: der 52 GW-Deckel. Vor diesem Hintergrund ging die Geschäftserwartung der Branche im ersten Quartal dieses Jahres in den freien Fall über. Schon jetzt platzen immer mehr große Solardachprojekte, die nicht mehr rechtzeitig ans Netz gehen können. Fällt der Solardeckel nicht vor der politischen Sommerpause, so sind hunderte Solarunternehmen und über 10.000 Jobs in Gefahr. Der Photovoltaik-Markt verzeichnete nach einer harten Phase der Konsolidierung in den vergangenen Jahren endlich wieder ein stetiges Wachstum, droht nun jedoch massiv ausgebremst zu werden. Würden die Barrieren fallen, zu denen neben dem Solardeckel zu niedrige EEG-Wachstumskorridore zählen, so würde das der Branche sicherlich einen zusätzlichen Schwung verschaffen.

Carsten Körnig ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. / Foto: Unternehmen
Ohne Deckel laufen also Einspeisevergütungen und Anschlusszwang genauso weiter wie bisher?
Erst wenn § 49 Absatz 5 und 6 tatsächlich erfolgreich aus dem EEG gestrichen wurden. Es muss allerdings wie gesagt schnell eine reguläre Gesetzesnovelle folgen, um die Photovoltaik-Ausbauziele auf das klimapolitisch notwendige Maß anzupassen. Ein weiteres großes Markthindernis ist die „Sonnensteuer“ (EEG-Umlage auf Eigenverbrauch), die teils sogar gegen EU-Recht verstößt und ebenfalls endlich fallen muss.
2019 wurden 7 Prozent des Stroms in Deutschland durch Photovoltaik erzeugt. Kann dieser Anteil durch den Wegfall des Solardeckels wesentlich steigen?
An geeigneten Potenzialen mangelt es nicht. Der Anteil des Solarstroms an der gesamten Stromerzeugung kann allerdings nur dann im klimapolitisch erforderlichen Umfang steigen, wenn der jährliche Ausbaupfad und der damit verbundene „atmende Deckel“ schnell deutlich nach oben geschoben wird. Derzeit liegen wir bei 2,5 GW. Experten sprechen von einer notwendigen Vervierfachung der Ausbauziele. Ohne einen jährlichen Zubau von mindestens 10 GW wird Deutschland die für 2030 selbst gesetzten Klimaziele nicht erreichen können. Schon bald würden eine Stromerzeugungslücke und eine ungewollte Verschiebung des Kohleausstiegs drohen. Das geht aus mehreren aktuellen Studien hervor wie u. a. einer Studie des Marktforschungsunternehmens EuPD Research, „Energiewende im Kontext von Atom- und Kohleausstieg – Perspektiven im Strommarkt bis 2040“, und vom Fraunhofer ISE. (Anm. d. Red.: Link zur EuPD-Zusammenfassung: https://bsw.li/32zABSl.)
Inwieweit können Immobilienbesitzer von der Abschaffung des Solardeckels profitieren?
Die Entdeckelung würde Immobilienbesitzern die Planungs- und Rechtssicherheit geben, dass sie für ihre zu installierende PV-Anlage weiterhin auch eine Vergütung oder Marktprämie erhalten. Dies ist in der Regel nach wie vor notwendig, um attraktive Amortisationszeiten zu erzielen und die Investition finanziell abzusichern.
Kann der Photovoltaik-Ausbau in Deutschland von der Wende zur Elektromobilität profitieren, wenn beispielsweise Volkswagen den Verkauf des Modells ID 3 startet?
Mit der verstärkten Einführung der Elektromobilität wird auch der Bedarf an Ökostrom weiter steigen. Die Mehrheit der Verbraucher, die sich ein Elektroauto kauft, baut sich früher oder später auch eine PV-Anlage auf ihr Dach. Der Vor-Ort-Verbrauch selbst erzeugten Solarstrom, sei es als Familie, Wohnquartier oder Gewerbebetrieb, wird zum Megatrend. Besonders hohe Eigenverbrauchsquoten lassen sich erreichen, wenn neben der Solarstromanlage ein Solarstromspeicher und Ladesäulen für Elektrofahrzeuge installiert werden. Die Solaranlage auf dem Dach, der Batteriespeicher im Keller und die Solartankstelle vor der Tür bilden ein Dreamteam.
Herr Körnig, vielen Dank für Ihre Antworten!
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