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Artikel 8, 9, jetzt auch 8+ - Chaos rund um die EU-Offenlegungsverordnung
Bislang können Fondsanbieter ihre Produkte fast nach Belieben als nachhaltig im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung bewerben. Brüssel will nun gegensteuern – aber vieles bleibt nebulös.
Seit 2021 dürfen Fonds als nachhaltig nach Artikel 8 der Offenlegungsverordnung bezeichnet werden, wenn sie ESG-Kriterien berücksichtigen. Wie genau sie dies tun, spielt dabei keine Rolle. Fonds, die die strengeren Anforderungen des Artikel 9 erfüllen wollen, müssen ein konkretes Nachhaltigkeitsziel verfolgen. Auch hier ist aber nach wie vor nicht wichtig, wie dieses Ziel im Detail aussieht und wie ambitioniert es ist. Zudem legen die Anbieter selbst fest, ob ihre Fonds als grün nach Artikel 8 oder 9 gelten, und es findet bislang keine transparente externe Kontrolle statt, ob die Eingruppierungen gerechtfertigt sind.
Grüne Farbe ist gerade günstig zu haben
Dies hat dazu geführt, dass in den letzten Monaten zahllose neue Fonds mit dem Stempel „nachhaltig laut Offenlegungsverordnung“ auf den Markt gekommen sind und sehr viele bislang nicht nachhaltige Fonds zu Artikel-8-Fonds umdeklariert wurden. Laut Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI, sind etwa in Frankreich mittlerweile mehr als die Hälfte der Fonds als Artikel-8-Fonds gekennzeichnet. Die EU habe es versäumt, von Anfang an strengere Kriterien für Artikel-8-Fonds zu definieren, und erst jetzt erkannt, dass ein Nachjustieren der Offenlegungsverordnung nötig sei, so Richter im aktuellen BVI-Podcast.
Mit dem Nachjustieren meint Richter einen aktuellen Vorschlag der Europäischen Wertpapieraufsicht ESMA, die Bezeichnung „nachhaltig“ nur noch für Artikel-9-Fonds sowie für Artikel-8-Fonds zu erlauben, die zusätzliche Bedingungen erfüllen. Laut der BVI- Rechtsexpertin Magdalena Kuper müsse bei diesen sogenannten Artikel-8+-Fonds sichergestellt sein, dass sie einen Mindestanteil nachhaltiger Investments enthalten. Heißt im Umkehrschluss: Bislang können auch Fonds als grün gelten, die zwar irgendwo im Auswahlprozess Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, letztlich aber kaum nachhaltige Aktien oder Anleihen enthalten. Dass so fast jeder Fonds als nachhaltig durchgeht, verwundert nicht.
Warum gab es nicht von Anfang an Mindeststandards?
Laut BVI-Juristin Kuper denkt die EU-Kommission derzeit auch darüber nach, die Offenlegungsverordnung insgesamt nachzuschärfen. Beispielsweise seien Mindeststandards für die ESG-Strategien der Artikel-8-Fonds im Gespräch. Wie diese Standards aussehen könnten, sei allerdings noch unklar.
Für ECOreporter haben Kennzeichnungen nach der Offenlegungsverordnung nur eine begrenzte Aussagekraft, was die tatsächliche Nachhaltigkeit von Finanzprodukten angeht. Die Ansprüche der Verordnung an Fonds sind niedrig und laden förmlich zum Greenwashing ein. Deshalb berücksichtigt die Redaktion die Artikel-8/9-Angaben bei ihren Fondstests weiterhin nicht.