Kein verfrühter Aprilscherz: Atomstrom soll künftig in der EU als nachhaltige Energieform gelten. / Foto: Pixabay

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EU will Atomkraft als nachhaltig einstufen – Österreich droht mit Klage

Die EU-Kommission möchte Atomkraft und Erdgas künftig als grün deklarieren. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf nachhaltige Geldanlagen. In einigen EU-Ländern gibt es große Vorbehalte gegen das Vorhaben, andere freuen sich darüber. In Deutschland sind die Reaktionen gespalten.

Hintergrund der Kontroversen ist die sogenannte EU-Taxonomie. Sie soll festlegen, welche Geldanlagethemen zukünftig als nachhaltig gelten. Dass Investments etwa in Solar- oder Windenergie grün sind, ist unstrittig. Bei Energie aus Atom- oder Gaskraftwerken sind sich die EU-Staaten hingegen uneins: Für Atomländer wie Frankreich und Polen sind AKWs klimafreundlich, weil sie kaum CO2 ausstoßen. Andere Länder wie Deutschland steigen derweil aus der Atomkraft aus, auch aus Umweltschutzgründen.

Klimafreundliche Atomkraftwerke?

Bei den Verhandlungen zur EU-Taxonomie haben sich nun offenbar die Atombefürworter durchgesetzt. Laut eines Verordnungsentwurfs der EU-Kommission, welcher der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, soll der Bau von bis 2045 genehmigten AKWs als klimafreundlich gelten. Bei Gaskraftwerken ist ebenfalls eine grüne Einstufung vorgesehen, wenn sie bis 2030 genehmigt werden und technische Mindeststandards erfüllen.

Heißt in der Praxis: Investments in solche Bauprojekte und die daran beteiligten Unternehmen gelten nach der geplanten EU-Taxonomie als nachhaltig und können daher mit Geld aus grünen Geldanlagen finanziert werden. Tritt die EU-Verordnung in Kraft, dürfen beispielsweise Fonds oder ETFs in Atomunternehmen investieren und diese Beteiligungen als nachhaltig ausweisen. Atomkonzerne können sich dann auch über Green Bonds finanzieren.

"Ein Schritt in Richtung Greenwashing"

Scharfe Kritik an dem Vorhaben kommt aus Österreich. "Die EU-Kommission hat in einer Nacht- und Nebelaktion einen Schritt in Richtung Greenwashing von Atomkraft und fossilem Gas gemacht", teilte die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler mit. Gewessler kündigt eine Klage an, sollten Atomkraft und Gas in die EU-Taxonomie aufgenommen werden. Auch die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bezeichnete die EU-Pläne als „absolut falsch“. Eine Energieform, die zu "verheerenden Umweltkatastrophen" führen könne und große Mengen an gefährlichen hochradioaktiven Abfällen hinterlasse, könne nicht nachhaltig sein, so Lemke.

Der grüne Stempel für Gaskraftwerke wird hingegen von vielen deutschen Politikerinnen und Politikern begrüßt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) etwa bezeichnete Erdgas in der „Süddeutschen Zeitung“ als notwendige Übergangstechnologie.

Die EU-Staaten haben jetzt bis 12. Januar Zeit, den Verordnungsentwurf zu kommentieren. Verhindert werden kann die Umsetzung des Entwurfs nur, wenn sich eine Mehrheit der EU-Staaten oder EU-Parlamentarier dagegen ausspricht. Dies gilt als unwahrscheinlich.

ECOreporter-Tests von nachhaltigen Fonds, die grundsätzlich auf Investments in Atomkraft verzichten, finden Sie hier.

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