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Fonds / ETF, Gut erklärt - Mikrofinanzen
Nachgefragt bei Edda Schröder, Invest in Visions: Sind Mikrofinanzfonds in Zeiten von Corona noch sicher?
Bislang galten Mikrofinanzfonds als risikoarme Geldanlage. Doch mittlerweile ist das Coronavirus auch in den Ländern angekommen, in denen Mikrofinanzfonds ihre Kredite vergeben. Müssen Anleger jetzt Angst um ihr Geld haben? ECOreporter hat Edda Schröder, die Gründerin des IIV Mikrofinanzfonds, um eine Einschätzung gebeten.

Mikrofinanzfonds sind ein soziales Investment. Sie sammeln bei Anlegern Kapital ein, um in armen Gegenden der Welt Mikrokredite zu finanzieren. Das sind Darlehen an Kleinstunternehmer, die sich damit eine wirtschaftliche Existenz aufbauen wollen.
Mikrofinanzfonds galten bisher als vergleichsweise sichere Anlageform. Sie verleihen das Geld der Anleger an Mikrofinanz-Dachorganisationen. Diese wiederum vergeben es an Mikrofinanzbanken vor Ort. Die Mitarbeiter dieser Banken bringen das Geld zu den Kunden und holen es später wieder ab, samt Zinsen. Weil Mikrokredite für viele Menschen eine einmalige Chance sind, sich aus der Armut zu befreien, ist die Rückzahlungsmoral für gewöhnlich sehr gut.
Kunden können nicht mehr besucht werden
In den letzten Jahren sind die Kurse der meisten Mikrofinanzfonds stetig gestiegen – langsamer als Aktienfonds, aber dafür zumeist ohne Verluste, wenn es an den Aktienmärkten bergab ging. Doch die Corona-Krise verändert die Rahmenbedingungen der Mikrofinanzbranche: Kunden haben Schwierigkeiten, ihre Kreditraten zu zahlen. Mitarbeiter von Mikrofinanzbanken können wegen Ausgangssperren keine Kunden mehr besuchen. Wie wirkt sich das auf die Wertentwicklung der Mikrofinanzfonds aus?
Kaum jemand kennt sich so gut in der Mikrofinanzwelt aus wie Edda Schröder. Die Geschäftsführerin der Invest in Visions GmbH aus Frankfurt hat 2011 den IIV Mikrofinanzfonds gestartet (das IIV steht für Invest in Visions). Der Fonds war lange der einzige in Deutschland zum Vertrieb zugelassene Mikrofinanzfonds. Ende März 2020 hatte er ein Volumen von knapp 800 Millionen Euro. Bis 2019 ist der Kurs des Fonds jährlich im Schnitt um 1,9 Prozent gestiegen. Der IIV Mikrofinanzfonds vergibt vor allem Kredite an Mikrofinanzinstitute in Asien und Lateinamerika. Am stärksten ist er aktuell in Ecuador, Usbekistan, Kirgisistan und der Mongolei investiert.
ECOreporter: Frau Schröder, wie nehmen Sie die Corona-Situation in den Ländern wahr, in denen Ihr Fonds Kredite vergibt?
Edda Schröder: Ausgangssperren, Quarantänemaßnahmen und milliardenschwere Hilfspakete – in den vergangenen Tagen und Wochen haben sich die weltweiten Meldungen zur Ausbreitung der Corona-Pandemie geradezu überschlagen. Mit den steigenden Fallzahlen in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern hat die Erkrankung Covid-19 nun auch die Regionen des IIV Mikrofinanzfonds erreicht.
Mit was für einer Entwicklung rechnen Sie in den nächsten Wochen?
Obwohl die Zahl der Infizierten in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern noch relativ niedrig ist, bleibt die Entwicklung der Pandemie schwierig zu prognostizieren. Viele Länder haben frühzeitig umfassende Einschränkungen des öffentlichen Lebens veranlasst, um die Infektionen einzudämmen. Ergänzend haben die Regierungen verschiedene geld- und fiskalpolitische Maßnahmen eingeleitet, um die nationale Wirtschaft zu unterstützen.
Beispielsweise wurden in zahlreichen Staaten Schuldenmoratorien erlassen. Diese ermöglichen es Kreditnehmern, ihre Raten zu stunden.
Richtig. Das betrifft auch Länder, in denen wir aktiv sind, und wird Auswirkungen auf die Geschäftsbetriebe unserer Partnerinstitute haben. Unterstützung gibt es für die Schwellenländer von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds, was in dieser Ausnahmesituation zur Stabilisierung der Wirtschaft und Gesellschaft sehr wichtig ist. So wurden bereits Kredithilfen über mehrere Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt und ein Schuldenerlass angekündigt.
Sind bei den Mikrofinanzinstituten (MFIs), mit denen Sie zusammenarbeiten, die Ausfallquoten der Kredite seit Beginn der Corona-Krise gestiegen?

Mikrokreditkundin von Invest in Visions. / Foto: Unternehmen
Im vergangenen Monat hat sich die Portfolioqualität unseres Darlehensbestands stabil entwickelt. Die MFIs sind weiterhin solide kapitalisiert, verfügen über ausreichend Liquidität und haben eine angemessene Risikovorsorge, um externe Schocks zu absorbieren.
Allerdings sind die Geschäftstätigkeiten unserer Partnerinstitute auch eingeschränkt. Zum einen führen die Ausgangssperren zu weniger Kundenverkehr. Zum anderen wurden aus Vorsichtsmaßnahmen für die eigenen Mitarbeiter Filialen geschlossen, und wo es möglich ist, wird von zu Hause gearbeitet. Der direkte Kontakt zu Kunden wird vermieden. Dies schränkt auch die Neukreditvergabe ein. In den nächsten Monaten rechnen wir mit einem Anstieg der Stundungen von Darlehensverträgen, weil diese auch teilweise von den Zentralbanken vorgegeben werden.
Wie reagiert Ihr Fonds auf die aktuelle Situation?
Wir erwarten, dass die kommenden Monate eine Herausforderung für die MFIs werden. Jedoch sind wir gut vorbereitet und rechnen damit, dass sich das Umfeld mittelfristig stabilisieren wird. Gemeinsam mit unseren Geschäftspartnern arbeiten wir an individuellen Lösungen, um unsere Kunden bestmöglich zu unterstützen und Risiken frühzeitig zu identifizieren.
Als Impact Investor (Impact = soziale und ökologische Wirkung - Anm. d. Red.) sind wir davon überzeugt, dass gerade in der aktuellen Situation Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer, Familien und MFIs weltweit unsere und die Unterstützung der IIV-Fondsinvestoren benötigen. Wir halten es für essenziell, besonders jetzt Liquidität zur Verfügung zu stellen, um zur schnellstmöglichen Überwindung dieser herausfordernden Situation beizutragen.
Ihr Fonds hat im März 0,47 Prozent an Wert verloren. Eine Folge von Corona?
Die negative Wertentwicklung im März resultiert aus einem signifikanten Anstieg der "Länder-Spreads“ – also der Risikoaufschläge für Staatsanleihen – in den Entwicklungsländern und weniger aus den Risiken des Mikrofinanzsektors. Darlehensforderungen mussten deshalb trotz planmäßig entrichteter Zins- und Tilgungszahlungen in Ecuador und der Mongolei abgewertet werden.
Dazu müssen Sie kurz erklären, wie die Kurse von Mikrofinanzfonds ermittelt werden. Sie bilden sich ja nicht wie bei Aktienkursen durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.
Das stimmt. Die monatliche Fondspreisermittlung basiert auf dem sogenannten Discount-Cash-Flow-Ansatz. Neben emittentenspezifischen Risiken der einzelnen MFIs werden über die Ausfallwahrscheinlichkeiten der jeweiligen Staatsanleihen auch die Länderrisiken berücksichtigt.
Ziehen Anleger derzeit Geld aus Ihrem Fonds ab?
Beim IIV Mikrofinanzfonds können die Verkäufe quartalsweise durchgeführt werden. Daher ist es zurzeit noch zu früh, eine Aussage hierzu zu treffen.
Was raten Sie Anlegern, die derzeit in Mikrofinanzfonds investiert sind?
Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Wochen einen etwas höheren Liquiditätsgrad sehen werden, da aufgrund der Reiseeinschränkungen keine Analysen vor Ort getätigt werden können (Ende März lag der Kassenbestand des Fonds bei 25,7 Prozent - Anm. d. Red.). Allerdings benötigen unsere Partnerinstitute und auch die Endkunden, Mikro- und Kleinunternehmer unsere Unterstützung. Daher würde ich mir wünschen, dass auch unsere Investoren die Menschen in den Entwicklungsländern in dieser herausfordernden Zeit unterstützen und dem Fonds treu bleiben.
Frau Schröder, vielen Dank für Ihre Antworten!
Einen ausführlichen ECOreporter-Test des IIV Mikrofinanzfonds finden Sie hier.
Mehr zum Thema Mikrofinanzen erfahren Sie imECOreporter-Dossier "Gut erklärt: Mikrofinanzen“.