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Nachhaltige Aktien, Finanzdienstleister, Fonds / ETF
„RWE wird sehr nachhaltig sein“ – Union Investment-Interview zu nachhaltiger Transformation
Nachhaltige Transformation – für grüne Fonds ein heikles Thema. Wie sein Unternehmen Greenwashing erkennen will und was das mit Schmetterlingen und Helmut Schmidt zu tun hat, erläutert Dr. Henrik Pontzen, Leiter ESG im Portfoliomanagement von Union Investment, also der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken.
Wenn eine Firma aus einer nicht nachhaltigen Branche versucht, grüner zu werden, spricht man von nachhaltiger Transformation. Viele ESG-Fonds investieren in solche Transformationsunternehmen. Allerdings bleibt für Anlegerinnen und Anleger oft unklar, wie die Fonds beurteilen, ob ein Unternehmen sich wirklich verbessern will – oder einfach hinter knallgrünen Werbeslogans so schmutzig weiterarbeitet wie vorher.
Henrik Pontzen gibt im ECOreporter-Interview Einblicke in die Transformationsbewertungen seines Unternehmens. Und er erklärt, warum er große Hoffnungen in VW und RWE setzt.
ECOreporter: Herr Pontzen, warum ist Ihnen das Thema nachhaltige Transformation wichtig?
Henrik Pontzen: Wir bei Union Investment wollen aus zwei Gründen in glaubwürdige Transformation investieren: Wirkung und Rendite. Für die Klimawende wird deutlich mehr erreicht, wenn ein CO2-intensiver Konzern 20 Prozent seiner Emissionen reduziert, als wenn dies ein schon sehr nachhaltiges und emissionsarmes Unternehmen tut. 20 Prozent von viel ist viel, 20 Prozent von wenig ist wenig. Gerade in den Sektoren, wo viel verbessert werden muss, kann viel richtig gemacht werden.
Und die Rendite?
Unternehmen mit sehr guten Nachhaltigkeitsnoten sind typischerweise auch an der Börse sehr hoch bewertet. Wertpapiere von Transformationsunternehmen können wir günstiger einkaufen. Ich beschreibe es gerne mit folgendem Bild: Wir versuchen, unter den Würmern die Raupen zu finden, aus denen später wertvolle Schmetterlinge werden.
Fast jedes Unternehmen behauptet mittlerweile, nachhaltig zu sein. Oft ist es dreistes Greenwashing. Wann ist Transformation für Sie glaubwürdig?
Wenn Unternehmen ambitionierte Ziele verlässlich verfolgen. Daraus ergibt sich natürlich sofort die Frage: Woran erkennt man das? Wir nutzen dazu unser UniESG-Transformations-Rating. An dem haben wir drei Jahre gearbeitet, seit Januar wenden wir es auf unsere nachhaltigen Fonds an.

Vor seiner Zeit bei Union Investment arbeitete der gebürtige Aachener Henrik Pontzen u.a. für die Bank HSBC. / Foto: Union Investment
Wie müssen wir uns dieses Transformations-Rating vorstellen?
Wir haben für das Rating das Thema glaubwürdige Transformation auf drei Fragen heruntergebrochen:
- Hat das Unternehmen einen Plan oder nur eine Vision? Helmut Schmidt-Fans kennen das Zitat „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“. Eine Vision ist ein fernes Ziel. Ob man es erreichen kann, weiß man nicht. Ein Plan hingegen hat messbare Zwischenziele, und es gibt eine strukturierte Herangehensweise, wie das Ganze erreicht werden kann. Für uns heißt das beispielsweise: Gibt es in energieintensiven Branchen Ansätze, wie die Produktionsprozesse effizienter werden? Kommen mehr nachhaltige Produkte ins Portfolio, und verschwinden die nicht nachhaltigen?
- Hat das Unternehmen auch die Mittel, um seinen Plan umzusetzen? Es ist ja schön, einen Plan zu haben, aber wenn die nötige Kohle fehlt, wird er nicht Wirklichkeit werden. Hier prüfen wir etwa die für die Transformation vorgesehenen Investitionsbudgets. Oder ob ein Konzern eher grüne Unternehmen hinzukauft und braune Segmente veräußert.
- Spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle in den Vorstandsvergütungsprogrammen? Wenn die richtigen Leute einen Anreiz haben, sich für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen, und es dafür einen Plan und das nötige Geld gibt, dann gehen wir davon aus, dass der Plan Wirklichkeit werden kann.
Angenommen, Sie können diese drei Fragen für ein Unternehmen positiv beantworten: Was geschieht dann?
Das Unternehmen erhält von uns ein positives Transformations-Rating, das erst einmal nur für höchstens ein Jahr gilt. Wir setzen dieses Rating bei der Auswahl unserer Investments ergänzend zu unserem UniESG-Score ein. Unsere Fondsmanager dürfen grundsätzlich nur die nach unserem ESG-Score bessere Hälfte der Unternehmen aus nicht ausgeschlossenen Branchen kaufen. Ein Best-in-Class-Ansatz also. Investierbar ist jetzt aber auch, wer ein positives Transformations-Rating hat, obwohl er noch zur unteren Hälfte bei den ESG-Scores gehört. Natürlich gilt dies nur, wenn das Unternehmen nicht gegen unsere Ausschlusskriterien verstößt.
Nicht jeder Transformationsprozess gelingt. Wie überprüfen Sie, ob ein Unternehmen, das nachhaltiger werden will, auf seinem Weg ins Grüne nicht irgendwo falsch abbiegt?
Natürlich müssen wir nachhalten, was aus den Plänen der Unternehmen geworden ist. Hier kommen unsere Engagement-Aktivitäten ins Spiel. Ohne kontinuierliche Nachkontrolle glauben wir nicht, Transformationsunternehmen so schnell bewegen zu können, wie es notwendig ist, um gemeinsam in einer nachhaltigen Zukunft anzukommen.
Engagement bedeutet, mit Unternehmen über ihre Nachhaltigkeit zu sprechen, vor allem wenn es Probleme damit gibt. Wie intensiv führen Sie solche Gespräche?
Teils äußerst intensiv. Da kommen dann schon mal der Vorstandsvorsitzende und der Finanzvorstand zu uns, und ein komplettes Team aus unserem Haus hat das Gespräch umfangreich vorbereitet.
Stichwort Pläne und Mittel: Haben Sie die nötigen Ressourcen, um umfassendes Engagement zu betreiben?
Bei Union Investment arbeitet eines der größten Nachhaltigkeitsresearch-Teams im deutschen Markt mit aktuell 18 ESG-Experten. Und wir greifen ergänzend auf Daten externer Agenturen wie beispielsweise RepRisk zurück. Als aktiver Aktionär stimmen wir auf mehr als 2.000 Hauptversammlungen pro Jahr ab. Außerdem nehmen wir in über 4.000 Unternehmensgesprächen jährlich aktiv Einfluss auf die Transformation der Firmen, in denen wir für unsere Kunden investiert sind. Beispielsweise fördern wir die Besetzung von Aufsichtsratsmandaten durch unabhängige und kompetente Personen.
In welchen Branchen sehen Sie besonders viel Potenzial für nachhaltige Transformation?
Überall dort, wo etwas produziert wird, was wir auch in Zukunft brauchen werden, obwohl es nicht nachhaltig ist. Beispielsweise in der Zementindustrie. Oder der Chemie. Oder im Schiffsverkehr. Das sind alles Sektoren, die wir weiterhin brauchen werden. Denn niemand will ernsthaft wie im Mittelalter Selbstversorgerwirtschaft im eigenen Garten betreiben.
Ein konkretes Beispiel für ein Transformationsunternehmen?
Volkswagen. Die haben ihr Elektromobilitätskonzept komplett durchdacht, bis hin zu einer möglichst grünen Batterieproduktion. VW macht das, was gerade möglich ist. Sicherlich kann man sagen: Das reicht nicht. Aber das finde ich nicht konstruktiv. Für uns ist VW ein Automobilkonzern, den wir als nachhaltiger Investor weiter begleiten, trotz großer Bedenken wegen weiterhin vorhandener Governance-Risiken (Governance steht für verantwortungsvolle Unternehmensführung und ist das G im Kürzel ESG – Anm. d. Red.).
Ein anderes kontroverses Beispiel: RWE. Der Konzern ist bei uns für die nachhaltigen Fonds noch ausgeschlossen. Wenn ich in meine alte Heimat Aachen fahre, komme ich an Garzweiler vorbei. Mir muss niemand erklären, dass Braunkohleabbau keine gute Idee ist. RWE wird aber voraussichtlich in fünf bis zehn Jahren ein sehr nachhaltiges Unternehmen sein. Weil die Probleme dort so groß waren, hat man die Chancen erkannt und umgesattelt. Natürlich haben wir noch den Hambacher Forst in den Köpfen, die Kohlekraftwerke. Die Zukunft sieht aber ganz anders aus als die Gegenwart oder die Vergangenheit. Das ist teilweise schwer in die Köpfe zu bekommen.
Zu VW und RWE kann man auch anders argumentieren: VW muss sich in seinem wichtigsten Markt China mit einem autoritären Regime arrangieren und profitiert dort zudem möglicherweise von Zwangsarbeit. RWE versucht so lange an der Braunkohle festzuhalten, wie sie noch Gewinn abwirft. Der Konzern hat sogar die niederländische Regierung verklagt, weil sie den Kohleausstieg beschlossen hat. Da darf man die Frage stellen: Wie ernst ist es diesen Unternehmen wirklich mit der Transformation?
Sicherlich darf man diese Frage stellen. Aber wir schreiben VW an und fordern Nachweise dafür, dass in ihrem Werk in Xinjiang keine Zwangsarbeit stattfindet. Die Erklärungen von VW schätzen wir bislang als hinreichend ein – trotzdem gehen wir weiter und haben auch den Kontakt zum Auswärtigen Amt und zur Prüfungsgesellschaft von VW gesucht. Wir wollen sichergehen, dass VW alles tut, um sein Geschäft in China sauber zu betreiben. Damit erreichen wir mehr, als wenn wir jedes Unternehmen ausschließen, das in China produziert. Aber es ist ein sehr schwieriges Thema, da stimme ich Ihnen zu. Wie immer, wenn man wirkliche Probleme anpackt, ist man nicht richtig glücklich – sonst wären es keine wirklichen Probleme.
ECOreporter-Tests und weitere Informationen zu nachhaltigen Fonds finden Sie hier.