Die New Yorker Börse. Die Krise im Markt für US-Staatsanleihen wirkt sich auch auf die Kurse von Aktien und Unternehmensanleihen aus. / Foto: imago images, NurPhoto

  Anleihen / AIF

Darum sind US-Staatsanleihen so wichtig für das Weltfinanzsystem

Leserfrage: „In den letzten Wochen lese ich immer wieder, dass US-Staatsanleihen das Finanzsystem zusammenbrechen lassen können. Stimmt das?“

Die Staatsanleihen eines einzelnen Landes bedrohen das globale Geldsystem – klingt nach verschwörungstheoretischer Panikmache, ist es aber leider nicht. Dazu muss man sich klarmachen, welche enorme Bedeutung die USA für das weltweite Finanzwesen haben:

Die Vereinigten Staaten sind seit Jahrzehnten die größte Wirtschaftsmacht der Erde, 2023 lag das Bruttoinlandsprodukt bei fast 28 Billionen Dollar – dahinter kam China mit umgerechnet knapp 18 Billionen Dollar und auf Platz drei schon Deutschland mit 4,5 Billionen Dollar.

Die USA sind der mit Abstand wichtigste Finanzplatz

Auf dem Finanzmarkt ist die Dominanz der USA noch größer: An den New Yorker Börsen sind Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von etwa 62 Billionen Dollar gelistet. Die beiden größten chinesischen Börsen in Shanghai und Shenzhen kommen zusammen gerade einmal auf 12 Billionen Dollar, die sieben Länder umfassende europäische Börse Euronext auf weniger als 6 Billionen Dollar.

Außerdem ist der US-Dollar seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die globale Leitwährung, in der beispielsweise große Teile des Rohstoffhandels abgewickelt werden. Knapp 60 Prozent der weltweiten Währungsreserven werden in Dollar gehalten. Und wer Geld risikofrei parken will, kauft US-Staatsanleihen. Die gelten als sicherer Hafen – weil die USA die stärkste Volkswirtschaft und Militärmacht sind, aber auch weil es keinen größeren und damit liquideren Finanzmarkt als den für US-Staatsanleihen gibt: Er hat ein Volumen von 27 Billionen Dollar.

Doch dieser Markt funktionierte zuletzt nicht mehr. Ungewöhnlich viele Investoren verkauften in den vergangenen Wochen ihre US-Anleihen, die Kurse sackten so stark ab wie zuletzt 2001. Die Rendite für US-Staatspapiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren lag zwischenzeitlich bei über 4,5 Prozent und damit auf dem Niveau von griechischen Staatsanleihen (sinken bei Anleihen die Kurse, steigen ihre Renditen, mehr dazu lesen Sie hier). Der Dollar verlor ebenfalls spürbar an Wert.

Aktien und Anleihen schwächeln gleichzeitig

Was Marktbeobachter am meisten irritierte: Die Anleihekurse sanken auch, als die Aktienmärkte nach Donald Trumps rabiaten Zolldrohungen einbrachen. Eigentlich sind US-Staatsanleihen das Erste, was Investoren kaufen, wenn sie aus Aktien fliehen. Doch diesmal blieb der Run auf die Papiere aus.

Der Grund dafür heißt Donald Trump. Der ebenso unfähige wie unberechenbare US-Präsident hat innerhalb kürzester Zeit einen großen Teil des Vertrauens verspielt, den Unternehmen und vor allem andere Staaten lange in den Finanzplatz USA hatten. Anlegerinnen und Anleger setzen derzeit stärker auf Anleihen in anderen Währungen, beispielsweise Euro.

Dadurch wird es für die Vereinigten Staaten schwieriger, ihre hohe Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Denn Länder finanzieren sich unter anderem durch die Ausgabe von neuen Anleihen, und wenn sie dafür wie aktuell die USA vergleichsweise hohe Zinsen zahlen müssen, weil die Renditen der alten, mit den neuen Papieren konkurrierenden Anleihen deutlich gestiegen sind, schwillt das Staatsdefizit immer stärker an.

Trump muss sich den Marktgesetzen beugen

Das ist schlecht für die USA, aber auch für das globale Finanzsystem, dem aktuell der wichtigste Stabilitätsanker fehlt. Der größte sichere Hafen ist keiner mehr, dadurch steigt die Unsicherheit in anderen, riskanteren Bereichen, und die ohnehin schon unter Druck geratenen Kurse von Aktien oder  Unternehmensanleihen schwanken noch stärker. Analysten sehen die Gefahr einer schweren Marktstörung, vergleichbar mit der Finanzkrise 2008.

Selbst Donald Trump musste in den letzten Tagen einsehen, dass der Anleihemarkt mit seiner enormen Bedeutung für die Staatsfinanzierung stärker ist als er, und verschob einige seiner „Strafzölle“ um drei Monate. Die Finanzwelt kann durchatmen, zumindest bis zu Trumps nächstem zerstörerischen Rundumschlag – und der wird wahrscheinlich keine drei Monate auf sich warten lassen.

Wie Sie als Anlegerin und Anleger auf die aktuellen Verwerfungen reagieren können, lesen Sie in diesen ECOreporter-Artikeln:

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