Energiekontor verkauft Strom zu EEG-Tarifen, per Direktvermarktung und über langfristige Verträge (PPAs). / Foto: Unternehmen

  Nachhaltige Aktien, Erneuerbare Energie, Aktien-Favoriten

Interview: Warum teurer grüner Strom eine Chance für Verbraucher und Unternehmen ist

Der Bedarf nach Strom aus Erneuerbaren Energien dürfte in den kommenden Jahren steigen – und damit auch dessen Preis. Peter Szabo, Vorstandsvorsitzender des Grünstromerzeugers Energiekontor, sieht gleichermaßen Entlastung für Stromkunden und Chancen für das eigene Geschäft.


Peter Szabo, Vorstandsvorsitzender der Energiekontor AG. / Foto: Unternehmen

Die Welt braucht mehr Energie: Allein 25 Prozent mehr Strom wird in den nächsten Jahren voraussichtlich nötig sein, um die Elektromobilität im Pkw-Verkehr wesentlich voranzubringen. Auch Heizenergie und Energie für industrielle Produktion oder für die Herstellung von grünem Wasserstoff werden zunehmend auf Strom basieren.

Das könnte es vielen Betreibern von Erneuerbare-Energien-Kraftwerken ermöglichen, von der gesetzlichen Einspeisevergütung umzuschwenken auf frei ausgehandelte Lieferverträge (sogenannte Power Purchase Agreements, PPAs) mit großen Stromverbrauchern, etwa produzierenden Unternehmen oder Stadtwerken. Doch was heißt das für Stromkundinnen und -kunden, die aktuell immer weiter steigende Preise ertragen müssen? Und welche Chancen bieten sich für Anbieter erneuerbaren Stroms tatsächlich – oder fressen womöglich Kosten die Mehreinnahmen auf?

Das erklärt Peter Szabo, Vorstandsvorsitzender des Grünstromerzeugers Energiekontor, im ECOreporter-Interview. Außerdem geht es um neue Chancen für alte Anlagen, Planungssicherheit und Bereiche, wo die deutsche Politik beim Ausbau der Erneuerbaren noch nachbessern muss.

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ECOreporter: Herr Szabo, die Strompreise sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, am Energiemarkt muss auch für Erneuerbare Energie deutlich mehr gezahlt werden. Kann der Ausbau der Erneuerbaren dennoch helfen, Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zu entlasten?

Peter Szabo: Der deutliche Anstieg der Strompreise ist vor allem eine Folge des Preisanstiegs konventioneller Energieträger wie Gas und Kohle im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und nicht auf Erneuerbare Energien zurückzuführen. Im Gegenteil: Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt, dass Deutschland von einem steigenden Anteil Erneuerbarer Energien profitiert. Die Erneuerbaren haben den Strompreisanstieg sogar gedämpft. Verhindern konnten sie den Preisanstieg allerdings nicht, denn der Anteil konventioneller Energieträger an der Stromerzeugung liegt auch in Deutschland weiterhin bei über 50 Prozent. Gleichzeitig sind die Kosten für CO2-Zertifikate gestiegen, und im Zuge der wirtschaftlichen Erholung nach der dritten Corona-Welle zog die Nachfrage nach Energie deutlich an.

Der von der Bundesregierung geplante stärkere Ausbau der Erneuerbaren Energien dürfte aber langfristig einen positiven Effekt auf die Strompreisentwicklung haben. Eine direkte Entlastung hat die Bundesregierung zudem mit dem Wegfall der EEG-Umlage ab dem 1. Juli 2022 auf den Weg gebracht. 

Erwarten Sie als Anlagenbetreiber, von höheren Marktpreisen für grünen Strom profitieren zu können? Welchen Einfluss erwarten Sie auf das PPA-Geschäft?

Den in unseren eigenen Wind- und Solarparks erzeugten Strom veräußern wir zu den langfristig gesicherten Tarifen im Rahmen der EEG-Vergütung sowie über Direktvermarktung und privatwirtschaftliche Stromabnahmeverträge (PPAs), die sich aus den Marktpreisen ableiten. Grundsätzlich erweitern höhere Strompreise die Möglichkeiten, Wind- und Solarparks frei von staatlicher Förderung zu realisieren und nicht auf den Zuschlag aus vorbereitungsintensiven Ausschreibungsauktionen warten zu müssen. Zudem sorgen die höheren Marktpreise dafür, dass Bestandsparks, die keine EEG-Vergütung mehr erhalten, wirtschaftlich weiterbetrieben werden können und damit auch zukünftig einen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung leisten. Beides wird sich langfristig positiv auf den Strompreis auswirken und zu einer klimafreundlicheren und CO2-ärmeren Stromerzeugung führen. Denn neben den aktuell steigenden Strompreisen bleibt die Bekämpfung der globalen Erderwärmung und ihrer Folgen eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.


Bei Ausbau und Repowering dauern Planungs- und Genehmigungsverfahren nach Meinung von Energiekontor-Chef Szabo weiter zu lange. / Foto: Unternehmen

Angenommen, erneuerbarer Strom verteuert sich um 3 Cent – das könnte für ein Erneuerbare-Energien-Kraftwerk theoretisch bedeuten, dass der Gewinn auf das Vierfache hochschnellt (von 1 Cent auf 4 Cent) – Sonne muss schließlich nicht eingekauft werden. Ist eine solche Rechnung realistisch und ein belastbarer Ausblick auf die Zukunft von erneuerbarer Stromerzeugung?

Würden alle anderen preisbeeinflussenden Faktoren konstant bleiben, dann könnte man eine solche Gleichung sicherlich unterstellen. Aber auch bei den Investitions- und Herstellkosten sowie der Wartung, Instandhaltung und Reparatur von Wind- und Solarparks können wir uns von globalen Preissteigerungen nicht völlig abkoppeln. Hier hat es in den vergangenen Monaten deutliche Kostensteigerungen gegeben, allerdings sind davon selbstverständlich auch Entwickler und Betreiber konventioneller Kraftwerke betroffen. Die Kostensteigerungen waren unter dem Strich sogar höher als die Strompreissteigerungen. Dennoch befinden wir uns weiter in einer wachstumsstarken Zukunftsbranche, nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen politischen und gesellschaftlichen Unterstützung für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. 

Falls Anlagen außerhalb der gesetzlichen Einspeisevergütung absehbar attraktiver werden sollten als solche, die noch unter die Vergütung nach dem EEG fallen: Ist es realistisch, künftig sogar den Anspruch auf Einspeisevergütung „aufzugeben“? Inwieweit werden Ihrer Ansicht nach Neuanlagen vermehrt ohne Förderung geplant werden?

Wir bei Energiekontor verfolgen seit jeher die Vision einer 100-prozentigen Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien. Als Pioniere der Energiewende ist es unser Ziel, auf allen unseren Ländermärkten Wind- und Solarparks zu realisieren, die völlig ohne staatliche Förderungen auskommen und konventionellen Kraftwerken wirtschaftlich überlegen sind. 

In Großbritannien ist uns dies bereits gelungen, dort haben wir beispielsweise schon im Jahr 2018 den ersten Windpark überhaupt realisiert, der ohne staatliche Förderung allein über privatwirtschaftliche Stromabnahmeverträge wirtschaftlich betrieben wird. In Deutschland gelingt uns dies bereits im Bereich Solar, und bei Wind sind wir auf einem guten Weg. 

Projekte, die nicht auf staatliche Förderung angewiesen sind, lassen sich in der Regel auch rascher und kostengünstiger realisieren, denn es entfällt die arbeitsintensive und umfangreiche Dokumentation zur Einreichung bei staatlichen Auktionen und das Warten auf einen erfolgreichen Zuschlag sowie die Abhängigkeit von Ausschreibungsterminen und Volumina.

Eines der größten aktuellen Hindernisse für den rascheren Ausbau der Erneuerbaren Energien bleibt allerdings in beiden Fällen – ob mit oder ohne staatliche Förderung - bestehen: die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier hat die Bundesregierung erste Vorschläge zur Verbesserung gemacht, und wir erhoffen uns weitere wesentliche Erleichterungen, denn eines ist klar: Die ehrgeizigen Ausbauziele lassen sich mit der aktuellen Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren nur schwerlich realisieren.

Welche Vorteile bietet womöglich die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung auch künftig noch – für Betreiber und für Käufer von Anlagen?

Sie bietet ein hohes Maß an Investitionssicherheit. Am Ende garantiert der Staat mit seiner hohen Bonität die Abnahme des erzeugten Stroms aus Windenergieanlagen oder Solarparks für eine Dauer von rund 20 Jahren. Dies ist und bleibt, insbesondere in Deutschland, für Investoren, aber auch Anlagenbetreiber interessant und bietet ein Höchstmaß an Berechenbarkeit und Planungssicherheit. 

Zudem müssen, um die ehrgeizigen Ausbau- und Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, auch weiterhin Standorte genutzt werden, die nicht über ein optimales Windaufkommen oder intensive Sonneneinstrahlung verfügen. Die gezielte Förderung dieser Standorte ist auch weiterhin notwendig, um den Ausbau insgesamt zu beschleunigen. Das Osterpaket des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz enthält vor diesem Hintergrund beispielsweise bereits entsprechende Maßnahmen, um das Referenzertragsmodell für windschwache Regionen weiterzuentwickeln.

Insbesondere alte Anlagen, deren gesetzliche Einspeisevergütung regulär ausläuft, könnten theoretisch deutliche Einnahmensteigerungen bedeuten. Rechnen Sie damit, dass Repowering künftig an Attraktivität gewinnt? 

Davon sind wir überzeugt. Gerade in Deutschland werden in den kommenden Jahren etliche Anlagen aus der EEG-Vergütung fallen. Darunter viele sehr attraktive Windstandorte, die zudem aus dem Betrieb der Anlagen in den vergangenen Jahren mit belastbaren Daten zum Windaufkommen aufwarten können. Das gibt zusätzliche Sicherheit für die zukünftigen Berechnungen der Stromerzeugung an diesen Standorten.

Darüber hinaus lässt sich mit der neuen Generation an Windenergieanlagen am gleichen Standort oftmals mit einer geringeren Zahl an Anlagen mehr Strom erzeugen. Bei Energiekontor haben wir daher ein eigenes Team für den Bereich aufgestellt, das sich bereits sehr erfolgreich um das Repowering von Bestandsparks kümmert. In den kommenden Jahren erwarten wir hier weiteres Wachstum. Allerdings unterscheiden sich beim Repowering die Planungs- und Genehmigungsverfahren aktuell nicht wirklich von den Verfahren bei Neuprojekten. Also gilt auch hier: Ohne konkrete politische Maßnahmen zur Verkürzung der Genehmigungszeiträume wird es schwierig werden, die ambitionierten Ausbauziele der Bundesregierung zu erreichen.

Die Energiekontor-Aktie:

Energiekontor ist eine ECOreporter-Favoriten-Aktie aus der Kategorie Grüne Spezialwerte. Ende 2021 hatte Energiekontor 130 Windparks und zwölf Solarparks mit einer Stromerzeugungskapazität von über 1.000 Megawatt (MW) umgesetzt. Auf eigene Rechnung betreibt das Unternehmen 36 Windparks und einen Solarpark mit zusammen rund 330 MW. Seit 2021 bietet Energiekontor auch das Management für Windparks an, die nicht zur Unternehmensgruppe gehören. Der Konzern bemüht sich zudem zunehmend, Erneuerbare-Energien-Parks unabhängig von staatlichen Förderungen zu Marktpreisen zu realisieren.

ECOreporter schätzt die langfristigen Aussichten von Energiekontor als positiv ein, mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 29 ist die Aktie aktuell aber etwas zu hoch für einen Neueinstieg bewertet. Ein für risikobereite Anlegerinnen und Anleger akzeptables Kursniveau wäre nach Einschätzung der Redaktion bei etwa 75 Euro erreicht. Auf diesem Niveau und noch tiefer notierte die Aktie zuletzt Anfang März.

ECOreporter hat in den letzten Jahren zudem mehrere Anleihen von Energiekontor ausführlich getestet und positiv bewertet. Die Analysen (auch von anderen kerngrünen Anleihen) finden Sie hier. Ein Porträt von Energiekontor lesen Sie hier.

Lesen Sie auch unsere Erneuerbare-Energien-Dossiers Die besten Windaktien – wo sich jetzt der Einstieg lohnt und Das sind die besten Solaraktien – wo sich jetzt der Einstieg lohnen kann

Energiekontor AG: 

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