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Können chinesische Aktien nachhaltige Geldanlagen sein?
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hinterfragen viele westliche Länder ihr Verhältnis zu Putins „ewigem Freund“ China. Auch die Finanzwelt schaut kritischer auf das bevölkerungsreichste Land der Erde. Verkaufen nachhaltige Fonds jetzt ihre chinesischen Wertpapiere? ECOreporter hat Anbieter befragt.
In vielen nachhaltigen Fonds und ETFs stecken Aktien chinesischer Unternehmen. Solarkonzerne, Elektroautobauer, Wasserversorger – sie alle finden sich in Finanzprodukten wieder, die ihre Investments nach sozial-ökologischen Kriterien auswählen. Prominente Beispiele sind etwa die Erneuerbare-Energien-Riesen Jinko Solar, Daqo und Goldwind oder die E-Auto-Konzerne BYD, Nio und Xpeng.
Diese Unternehmen haben ein grünes Kerngeschäft und sind teilweise wichtige Zulieferer für westliche Firmen, vor allem in der Solarbranche. Trotzdem können sie nachhaltigen Anlegerinnen und Anlegern Bauchschmerzen bereiten. Beispielsweise werfen Menschenrechtsorganisationen Konzernen wie Jinko Solar und Daqo vor, in ihren Werken von Zwangsarbeit zu profitieren (die Unternehmen bestreiten dies, mehr dazu können Sie hier lesen).

Solarpark von Jinko Solar in China. / Foto: Jinko Solar
Kritik? Unerwünscht
Dazu kommt: Chinesische Unternehmen sind deutlich unfreier als Firmen aus demokratischen Ländern. Konzerne, die die Doktrin der Kommunistischen Partei kritisieren oder aus Sicht der Regierung zu erfolgreich werden, müssen mit Repressalien bis hin zur Zerschlagung rechnen. Selbst die Internet-Giganten Tencent und Alibaba, die chinesischen Pendants zu Meta (Facebook) und Amazon, haben das schon zu spüren bekommen und sind vor der Allmacht des Staates eingeknickt. Sich juristisch gegen staatliche Anordnungen wehren? Das traut sich in China kaum jemand – zu groß ist die Gefahr, im Gefängnis zu landen oder gleich ganz zu „verschwinden“.
Chinesische Unternehmen sind, ob sie es wollen oder nicht, letztlich Eigentum und Erfüllungsgehilfen eines totalitären Regimes, das wenig von Menschenrechten hält. Für Letzteres hier nur drei der offensichtlichsten Beispiele:
- China unterdrückt seit Jahren systematisch Minderheiten, etwa in Tibet oder in der Uiguren-Provinz Xinjiang.
- Die Regierung unterstützt weiterhin den Kriegsverbrecher Putin.
- Hochrangige Politiker drohen immer häufiger mit einem Einmarsch in Taiwan. China sieht die Insel als abtrünnige Provinz an.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Können Investments in chinesische Unternehmen überhaupt nachhaltig sein? Sicher, einige der Firmen bringen die Klimawende voran – aber rechtfertigt das den ethischen Ballast, der an ihren Aktien hängt?
Was sagen die Fondsanbieter?
Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.
ECOreporter hat zu dem Thema grüne Fondsgesellschaften befragt, die in chinesische Aktien anlegen. Die Antworten der Anbieter fallen sehr unterschiedlich aus.
Der vorrangig in asiatische Unternehmen investierte Solarfonds LSF – Solar & Sustainable Energy Fund etwa will auch weiterhin an chinesischen Aktien festhalten. Die FiNet AG aus Marburg, die den Fonds aufgelegt hat, sieht ohne China keine Chance für die Energiewende.

Der Elektrobushersteller BYD ist in vielen nachhaltigen Fonds vertreten. / Foto: BYD
„Chinesische Aktien haben in nachhaltigen Fonds nichts zu suchen“
Raus aus chinesischen Papieren möchte hingegen der Ökobasis One World Protect, der derzeit noch einige wenige China-Aktien hält. „Wir verfolgen das Thema chinesische Aktien mit großer Sorge“, sagt Lothar Antz, Geschäftsführer des Fondsinitiators Ökorenta Luxemburg. Er führt weiter aus: „Die Annahme „Wandel durch Handel“ kann man am Beispiel Russland endgültig als gescheitert ansehen. Daher haben wir bezüglich russischer Aktien bereits ein Ausschlusskriterium in unseren Fonds gesetzt. Die Thematik China werden wir im April im Ethik-Anlagerat der Steyler Ethik Bank, in dem ich Mitglied bin, besprechen. Und ich werde unterstützen, dass wir mit China genauso verfahren. Wir setzen ein klares Signal. Meine ganz persönliche Meinung ist: Aktien aus Russland und China haben in nachhaltigen Fonds nichts zu suchen.“
Ökoworld sieht die Sache differenzierter. Der grüne Fonds-Pionier aus Hilden bei Düsseldorf will chinesische Aktien nicht grundsätzlich aus seinen Fonds verbannen, investiert aber nicht in Unternehmen, an denen der chinesische Staat Beteiligungen hält oder deren Produkte missbraucht werden können, etwa zur Überwachung der Bevölkerung. Zudem prüfe man chinesische Unternehmen besonders gründlich und tausche sich zum Thema Menschenrechte im Ökoworld-Anlageausschuss mit externen Experten aus, heißt es auf Anfrage von ECOreporter.
Mehr Transparenz über den Umweg USA
Auch der green benefit Global Impact Fund versucht, einen Mittelweg zu finden. „Wir würden nie in chinesische Anleihen investieren und haben in den letzten Jahren den Anteil chinesischer Aktien stetig reduziert. Aktuell sind es nur zwei chinesische Werte bei insgesamt 29 Positionen im Fonds“, erläutert Manfred Wiegel, Vorstand der green benefit AG aus Fürth. „Erst kürzlich haben wir einen chinesischen Wert, der in Hongkong gehandelt wurde, verkauft. Die beiden noch vorhandenen Werte kaufen wir nur als ADR (American Depositary Receipt, US-Hinterlegungsschein für ausländische Aktien - Anm. d. Red.) an der Nasdaq in den USA, weil diese Firmen mehr Informationen nach westlichen Standards liefern müssen und deshalb besser beurteilt werden können.“
Der green benefit hält beispielsweise ADRs des weltgrößten Solarmodulherstellers Jinko Solar – trotz der Vorwürfe von Zwangsarbeit. „Das Unternehmen ist in über 80 Ländern vertreten und hat eine sehr gute Produktqualität“, begründet Manfred Wiegel die Investment-Entscheidung. „Jinko Solar wurde kürzlich mit dem Best Practices Sustainability Award 2021 des UN Global Compact Network China ausgezeichnet. Aber wenn wir tatsächliche Informationen haben, dass etwas nicht sauber läuft, sind wir mit die Ersten, die aus einer chinesischen Aktie aussteigen.“
Fazit
Vier Fondshäuser, vier unterschiedliche Herangehensweisen an chinesische Aktien. Dass selbst anspruchsvolle grüne Fonds hier in ihren Sichtweisen nicht übereinstimmen, zeigt, wie schwierig das Thema ist. Was wiegt schwerer: Menschenrechtsverletzungen oder der Kampf gegen den Klimawandel? Diese Frage muss letztlich jede Anlegerin und jeder Anleger für sich selbst beantworten. Und sich vor Investment-Entscheidungen so gut wie möglich über die jeweiligen Unternehmen informieren. ECOreporter wird künftig in seinen Tests noch genauer hinschauen, inwieweit Fonds und ETFs in chinesische Aktien investiert sind und welche Geschäftsfelder die Firmen haben.
Lesen Sie dazu auch den ECOreporter-Kommentar Naiver Traum oder echter Hebel: Kann ethische Geldanlage die Welt friedlicher machen?
Einschätzungen zu den wichtigsten Solaraktien finden Sie hier.
ECOreporter-Tests von mehr als 70 nachhaltigen Fonds können Sie sich hier ansehen.
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11.03.22
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