Alles schön grün? In der Fonds-Branche eher nicht. / Foto: Pixabay

  Fonds / ETF, Wachhund

Sind mehr als 1.600 „grüne“ Fonds nicht nachhaltig?

Nachhaltige Fonds verkaufen sich besser als herkömmliche. Das verleitet Anbieter offenbar dazu, Produkte als nachhaltig zu bewerben, die es bei genauerem Hinsehen nicht sind.

Deutlich wird dies im aktuellen Quartals-Report von Morningstar. Ende September 2021 führte das Analysehaus noch mehr als 6.100 in Europa vertriebene Fonds als nachhaltig. Drei Monate später waren es nur noch knapp 4.500 Fonds.

Morningstars Begründung für den radikalen Kahlschlag: Man habe mittlerweile zusätzliche Unterlagen, etwa Jahresberichte und Verkaufsprospekte, analysiert und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass viele Fonds die Mindestanforderungen des Unternehmens an nachhaltige Finanzprodukte nicht erfüllen. Darunter seien auch zahlreiche Fonds, die sich selbst nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung als nachhaltig bezeichnen. Morningstar will das Fondsangebot noch eingehender prüfen und geht davon aus, dass weitere Produkte durch das grüne Qualitätsraster fallen werden.

Jeder will plötzlich grün sein

Morningstar zufolge kommen in der EU immer mehr angeblich nachhaltige Fonds auf den Markt. Alleine im vierten Quartal 2021 seien 200 neue Fonds gestartet, die sich nach Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung nachhaltig nennen. Dies entspreche 54 Prozent der in diesem Zeitraum in der EU neu aufgelegten Fonds.

Zudem stuften europäische Anbieter laut Morningstar seit Einführung der Offenlegungsverordnung im März 2021 ungefähr 1.800 bestehende Fonds von „nicht nachhaltig“ (Artikel 6 Offenlegungsverordnung) auf nachhaltig (Artikel 8 bzw. 9) oder von Artikel 8 („Fonds berücksichtigt Nachhaltigkeitskriterien“) auf Artikel 9 („Fonds hat ein konkretes Nachhaltigkeitsziel“) hoch. Die Änderungen in den Fondskonzepten seien allerdings teilweise nur gering.

Bislang keine gesetzliche Kontrolle

Wird in der Fondsbranche derzeit in großem Stil Greenwashing betrieben? Der Verdacht liegt nahe. Eine Mitschuld an der bedenklichen Entwicklung trägt die EU-Offenlegungsverordnung. Denn sie erleichtert es Anbietern, es mit der Kennzeichnung ihrer Fonds nicht so genau zu nehmen. Die Fondsgesellschaften dürfen selbst festlegen, ob ein Fonds beispielsweise ein Artikel 8- oder Artikel 9-Produkt sein soll. Eine gesetzliche Kontrolle, ob die Nachhaltigkeitsversprechen eingehalten werden, gibt es bislang nicht. Die Bezeichnung mit dem Wort "Artikel" verführt Anlegerinnen und Anleger dazu, hier eine offizielle, womöglich behördliche Einordnung zu vermuten. Das ist aber schlicht falsch.

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Mehr zur EU-Offenlegungsverordnung erfahren Sie hier.

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