Bei den Leitzinsen ist der Gipfel jetzt möglicherweise erreicht. / Foto: Pixabay

  Nachhaltige Aktien, Anleihen / AIF

EZB hebt Leitzins nicht weiter an: Was heißt das für nachhaltige Investments?

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erstmals seit Juli 2022 nicht turnusmäßig ihre Leitzinsen angehoben. Werden Angebote für Fest- und Tagesgeld jetzt nicht mehr attraktiver? Und was bedeutet die Zinspause für die Kurse von nachhaltigen Aktien, Anleihen, ETFs und Fonds? ECOreporter sagt Ihnen, worauf Sie aktuell achten sollten.

Die EZB belässt ihren Leitzins bis auf Weiteres bei 4,50 Prozent, weil sich Zins und Inflationsrate in den letzten Monaten immer weiter angenähert haben. Die höheren Zinsen sorgten mit dafür, dass Geld teurer geworden und deshalb die Nachfrage nach Gütern gesunken ist – in der Folge ging auch die Inflation zurück, weil bei einer geringeren Nachfrage die Preise sinken.

Im Euroraum lag die Teuerungsrate im September bei 4,5 Prozent. Im Oktober 2022 waren es in den Euro-Staaten noch 10,1 Prozent. Mittelfristig will die EZB die Inflationsrate wieder auf den langjährigen Zielwert von 2 Prozent drücken. Die Zentralbank geht davon aus, dass dieses Niveau 2025 erreicht werden könnte.

Viele Finanzexperten hatten mit der Zinspause gerechnet, weshalb sie sich kurzfristig kaum auf die Finanzmärkte auswirkt.

Sinken die Zinsen wieder?

Marktbeobachter gehen davon aus, dass die EZB ihren Leitzins nur dann erneut anheben wird, wenn die Inflation wieder stärker als erwartet anziehen sollte. Mit raschen Zinssenkungen rechnen allerdings ebenfalls nur wenige Experten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte am gestrigen Donnerstag, man wolle die Leitzinsen so lange wie nötig auf einem hohen Niveau halten, um die Inflation dauerhaft zu senken.

Die Leitzinsen sind in den letzten anderthalb Jahren sehr schnell und stark gestiegen. Dies führte dazu, dass Unternehmen deutlich mehr Geld für neue Kredite ausgeben müssen und deshalb möglicherweise weniger oder gar keinen Gewinn erzielen. Dadurch werden ihre Aktien und Anleihen unattraktiver. Zudem werden niedrig verzinste Anleihen immer uninteressanter für Investoren, und Aktien-Investments verlieren insgesamt an Strahlkraft, weil festverzinste Geldanlagen nach der langen Niedrigzinsphase wieder bessere Rendite bringen.

Banken bekommen für Geld, das sie bei der EZB parken, bis auf Weiteres 4 Prozent Zinsen – entsprechend attraktiv sind derzeit viele Zinsangebote für private Anlegerinnen und Anleger. Und sie könnten noch attraktiver werden, denn zahlreiche Banken geben ihre Zinsvorteile bislang nur eingeschränkt an ihre Kundinnen und Kunden weiter. Auch in vergangenen Hochzinsphasen war es häufig so, dass die Finanzindustrie ihre Zinsen später anhob als die Zentralbanken, um höhere Gewinne zu erzielen.

In den letzten Wochen haben viele Anbieter noch einmal nachgebessert, einige Festgeldangebote liegen mittlerweile sogar oberhalb der Inflationsrate von 4,5 Prozent und bringen damit positive Realzinsen. ECOreporter rät: Schließen Sie jetzt zinsstarke Festgeldverträge für einen großen, aber nicht den kompletten Teil ihres Vermögens ab, den Sie für Festzins-Investments vorgesehen haben. Parken Sie den Rest auf einem Tagesgeldkonto und schauen Sie, ob es bis Ende des Jahres noch bessere Festgeldangebote gibt.

Eine Übersicht über die Festgeld- und Tagesgeldangebote nachhaltiger Banken finden Sie hier.

Werden Aktien und Anleihen jetzt wieder interessanter?

Die Zinspause und die Aussicht auf mittelfristig sinkende Zinsen können sich positiv auf die Kursen von Aktien und Anleihen auswirken. Momentan überwiegt aber noch die Unsicherheit am Finanzmarkt, die Kurse bewegen sich kaum nach oben. Und insbesondere bei Rentenfonds und Mischfonds mit einem hohen Anteil niedrig verzinster Anleihen erscheinen weitere Kursverluste nicht unwahrscheinlich. Gleiches gilt für Wertpapiere von jungen, noch nicht rentablen Unternehmen, die auf hohe Kredite angewiesen sind – hier drohen im schlimmsten Fall Pleiten und Totalverluste, denn die Kreditzinsen dürften vorerst kaum sinken. In Deutschland haben im ersten Halbjahr 2023 16 Prozent mehr Firmen Insolvenz angemeldet als im Vorjahreszeitraum. Besonders gefährdet sind derzeit Unternehmen aus der Baubranche, denen die Aufträge wegbrechen. Über aktuelle Pleitefälle aus dem nachhaltigen Bereich berichtet ECOreporter in seiner Wachhund-Rubrik.

Anlegerinnen und Anleger müssen davon ausgehen, dass die Börsen bis auf Weiteres schwankungsanfällig bleiben, auch weil sich viele Aktienkurse derzeit auf einem vergleichsweise hohen Niveau bewegen. Wer investiert, sollte dies langfristig tun. ECOreporter rät zudem: Achten Sie darauf, keine Anleihen mit unattraktiven Verzinsungen zu kaufen. Ein Anleihezins von 3 oder 4 Prozent ist derzeit bei mittleren Laufzeiten wenig, weil Sie ähnliche Prozentsätze auch für deutlich risikoärmere Festgeldanlagen bekommen.

Wer eher defensiv anlegen möchte, kann sich an vergleichsweise ausfallsichere Anleihen großer Konzerne halten. Gute Renditen bieten derzeit etwa Anleihen der dänischen Großreederei Moller-Maersk (WKN A1Z66T, Rendite 5,58 Prozent) und des US-Bahnbetreibers CSX (WKN A1GWW7, Rendite 6,45 Prozent; alle Angaben Stand 27.10.2023, 9:00 Uhr).

Und meiden Sie zu teure Aktien. Denn nach Kurseinbrüchen und einer möglichen Rezession brauchen hoch bewertete Aktien meist besonders lange, um wieder ihr altes Kursniveau zu erreichen.

Weitere Tipps zum Geldanlegen in Krisenphasen hat ECOreporter hier für Sie zusammengestellt:

Nachhaltig investieren in schwierigen Zeiten: Das sollten Sie beachten

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